piwik no script img

SchwangerschaftsabbrüchePetition will §218 streichen

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung will die Legalisierung von Abbrüchen. 86.000 Menschen haben die Petition unterschrieben.

Hunderte demonstrieren am 19. September 2020 in Berlin gegen den sogenannten „Marsch für das Leben“ Foto: M. Golejewski/AdoraPress

BERLIN taz | „Es ist ein Skandal“, heißt es gleich zu Beginn der Petition. Ein Skandal, dass der Strafrechtsparagraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert, seit 150 Jahren gelte. Menschen, die ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung wahrnehmen wollen, „sehen sich Hürden, Schikanen und traumatisierenden Erlebnissen ausgesetzt“, schreiben zwei Ak­ti­vis­t:in­nen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, die die Petition vor einem Jahr gestartet haben.

Rund 86.000 Menschen haben sie seitdem unterschrieben. Am Freitag soll die Petition an Po­li­ti­ke­r:in­nen von SPD, Grünen, FDP und Linken übergeben werden.

Die Forderungen der Ak­ti­vis­t:in­nen sind klar: Es geht um kompetente, ausreichende und wohnortnahe Versorgung ungewollt Schwangerer und darum, dass Abbrüche als medizinische Grundversorgung akzeptiert werden. Krankenkassen sollen die Kosten dafür übernehmen – und der Paragraf 218 soll aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.

Strafe bis zur Haft

„Schwangerschaftsabbrüche gab es immer und wird es immer geben“, heißt es in der Petition. „Die Frage ist, ob sie sicher vorgenommen werden und ob Betroffene und diejenigen, die den Abbruch vornehmen, mit Strafe bis zur Haft rechnen müssen.“

Übergeben wird die Petition auf dem Pariser Platz in der Nähe des Bundestags an Ricarda Lang, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, die für ihre Partei in der Arbeitsgruppe „Gleichstellung und Vielfalt“ derzeit die sexuellen und reproduktiven Rechte mitverhandelt, an Derya Türk-Nachbaur, Bundestagsabgeordnete der SPD, und an die neue frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek. Eine Zusage der FDP steht noch aus.

Der Text der vor einem Jahr aufgesetzten Petition beinhaltet auch die Forderung an alle demokratischen Parteien, die Legalisierung von Abtreibung in ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl aufzunehmen. Das hat nicht geklappt: Bei SPD, Grünen und Linken ist die Streichung von Paragraf 218 Teil des Programms, bei FDP und Union nicht.

„Ethisch untragbar“

In einer Bundestagsdebatte im März dieses Jahres hatte die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr die Streichung als „ethisch wie politisch untragbar“ bezeichnet. Bisher sieht es entsprechend nicht danach aus, dass der künftige Koalitionsvertrag einer Ampel die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen beinhalten könnte.

Demgegenüber stehen die Chancen gut, den Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, der es Ärz­t:in­nen verbietet, auf ihren Webseiten darüber zu informieren, ob und wie sie Abbrüche vornehmen. Schon in der vergangenen Legislatur hatten sich SPD, Grüne und FDP gemeinsam für die Streichung ausgesprochen.

Der derzeitige „Kompromiss“, den SPD und Union zum Paragrafen 219a geschlossen hatten, hat sichtlich nicht funktioniert: Weiter werden Ärz­t:in­nen wegen des Paragrafen von Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen angezeigt. Zwei Beschwerden liegen deshalb derzeit beim Bundesverfassungsgericht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Es war doch schon immer klar. Frauen im gebärfähigen Alter können Ihre eigenen Entscheidungen treffen. Deshalb gibt es nur eine Konsequenz, die Abschaffung des §218 und der nachfolgenden §§. Und bei etwaigen Abstimmungen zu diesem Thema im Bundestag erwarte ich von allen Männern und nicht gebärfähigen Frauen einfach eine Enthaltung. Denn es kann nur das Selbstbestimmungsrecht der Frau gelten.



    Und natürlich bekommen Frauen, die ihr Kind austragen wollen, jede erdenkliche Unterstützung.

  • @E.A.N.

    Kommt natürlich darauf an, welche "Mehrheit" [1] Sie befragen. Wenn Sie natürlich das Parlament fragen, dass heute (!) noch zu zwei Dritteln [2] aus Männern besteht (historisch ist das Ungleichgewicht noch krasser!), dann... ja dann.

    [1] www.t-online.de/na...verbot-kippen.html



    [2] de.wikipedia.org/w...undestag_seit_1949

  • Eine ersatzlose Streichung wäre hochproblematisch. Denn was würde passieren? In der Konsequenz wären Abbrüche dann nämlich bis ganz kurz vor der Geburt denkbar.

    Wann beginnt das menschliche Leben und seine Würde? Ab wann hat das Kind eigenständige Rechte - allen voran das Recht auf Leben? Auf diese grundlegenden Fragen geben diejenigen keine Antwort, die jetzt einfach den 218 ersatzlos abschaffen wollen.

    • @Winnetaz:

      Das ist nicht die Intention der Petition und übrigens auch nicht der größten Gruppe derjenigen, die sich gegen §218 einsetzen. Dieses Argument immer wieder heranzuziehen ist typisch und dient nur dazu, ein legitimes Anliegen zu delegitimisieren. Das ist ähnlich wie das Argument, dass Frauen dann als nachträgliche Verhütung abtreiben und das immer wieder. In beiden Bereichen mag es Einzelfälle geben, die diese Argumente scheinbar bestätigen, aber dies sind Einzelfälle. Damit der Mehrheit der Frauen das Recht der Bestimmung über den eigenen Körper abzusprechen ist ähnlich adäquat wie allen Autofahrer*innen zu unterstellen sie sind Raser*innen und deswegen das Autofahren zu verbieten oder allen Männern zu unterstellen, sie seien Vergewaltiger und müssten vorsorglich eingesperrt werden. Und ja, ich weiß, Vergleiche sind schräg. Allerdings zeigen sie manchmal auch, wie schräg wir in anderen Bereichen denken und handeln.

  • Ist denn wirklich allen die den §218 ersatzlos streichen wollen wirklich klar, daß dann Schwangerschaftsabrüche bis kurz vor der Entbindung erlaubt sind?

  • Ein gutes Ziel, das final vor dem BVerfG ausgetragen wird. Das hat ja vor langen Zeiten bereits die Fristenlösung gekippt und es ist interessant zu sehen, wie es heute urteilt.

  • Ohne „C“ in der Koalition wäre jetzt die Chance, diesen ideologischen Gängelparagraphen loszuwerden. Ich erwarte jedoch auch von der Ampel in diesem Punkt keinen Fortschritt.

  • Oh, FDP. Freiheit. Für Bänker (nicht -innen).

    Wird Zeit, dass §§218, 219 verschwinden.

    Bei allem Respekt vor Christinnen und Christen: sollen sie das doch unter sich ausmachen. Aber nicht versuchen, der ganzen Gesellschaft qua Gesetz ihre Vorstellungen aufzudrücken. Wir haben ja schliesslich auch keine Scharia.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Man muss kein Christ sein um zu glauben das auch ungeborenes Leben schützenswert ist. Ich bin Atheist und finde die derzeitige Regelung gut.

    • @tomás zerolo:

      Es wäre ein einfaches, eine entsprechende Gesetzesvorlage ins Parlament zu bringen, eine Mehrheit abzuholen und das Gesetz außer Kraft zu setzen. Aus dem Umstand, dass dies bis jetzt nicht erfolgt ist, kann man ableiten, dass deine Position offensichtlich nicht mehrheitsfähig ist. Es ist vielleicht nicht die ganze Gesellschaft, aber immerhin die Mehrheit.....

      • @e.a.n:

        Naja, daraus lässt sich höchstens ableiten das der politische Wille innerhalb der Parteien fehlt. Eine Mehrheit in der Bevölkerung erschließt sich daraus nicht.

  • Es gibt diverse Argumente für die Abschaffung des 218er, aber das man durch Gesetze Gesetzesbrüche nicht verhindern kann, ist KEINS.