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Nachhaltige Mode„Das Kernproblem ist Fast Fashion“

Annabelle Homann leitet ein faires Modelabel. Um nachhaltig zu sein, müsste die Industrie sich vom Wachstumsparadigma verabschieden, sagt sie.

Alles nachhaltig und fair produziert: Kollektion von Lanius auf der Fashion Week in Berlin Foto: Britta Pedersen/dpa/picture alliance
Interview von Lukas Nickel

taz: Frau Homann, Ihre Modemarke Lanius hat als eine der ersten in Deutschland auf nachhaltige Mode gesetzt. Warum?

Annabelle Homann: Meine Mutter ist Schneiderin und hat sich früh selbstständig gemacht. Für sie war immer klar: Wenn wir etwas verkaufen möchten, dann muss es das bestmögliche Produkt sein. Da gehört auch dazu, dass es nachhaltig und fair produziert ist.

1999, als Lanius gestartet ist, war nachhaltige Mode noch etwas für Ökos und Hippies. Wie bewerten Sie den aktuellen Hype um grüne Kleidung?

Wir freuen uns natürlich, dass Unternehmen ihre Produktionsweise umstellen und umweltschonende Materialien an Bedeutung gewinnen. Das Kernproblem der Textilindustrie ist aber die Fast Fashion. Es ist nicht nachhaltig, wenn man jeden Monat eine Kollektion herausbringt und Mode zum Wegwerfartikel wird. Von einer Abkehr davon sind die großen Marken weit entfernt.

Kann die Modeindustrie überhaupt nachhaltig werden?

Das ist die große Frage, und darauf weiß ich leider keine Antwort, außer dass es eine Herausforderung wird. Wir müssen weg von der Überproduktion und lernen, wieder weniger zu produzieren und zu konsumieren. Es sollten dafür Arbeitsplätze geschaffen werden, etwa im Repairing oder Recycling. Außerdem brauchen wir mehr Kreislaufwirtschaft. Textilien sollten so konzipiert werden, dass sie lange halten und gut recycelt werden können.

Lanius ist eine Marke, die sich nicht alle leisten können. Wie kann klimafreundliche Mode für alle verfügbar werden?

Wir müssen vom Wachstums­paradigma wegkommen, das ist der Schlüssel. Es ist nicht normal, dass ein T-Shirt zwei Euro kostet und nach einem Jahr weggeschmissen wird. Es gibt auch einen nachhaltigen Weg für Mode. Der Secondhandmarkt wächst stark, und auch Leihkleidung ist im Kommen. Das sind gute Entwicklungen.

Im Interview: Annabelle Homann Biokasten

Annabelle Homann, 28, ist Unternehmensführerin und die Tochter von Claudia Lanius, die 1999 das faire Modelabel Lanius gegründet hat.

Haben Sie Angst vor der Klimakrise?

Auf jeden Fall. Je mehr man sich darüber informiert, desto bedrohlicher wirken Szenarien wie weltweite Flüchtlingskrisen und Ressourcenknappheit. Wir haben in der Coronapandemie gesehen, wie schlecht wir mit Krisen umgehen können.

Was haben Sie heute schon für den Klimaschutz getan?

Ich bin mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, werde noch Kleidung in den Secondhandladen bringen und trinke meinen Kaffee mit Hafermilch.

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Grundsätzlich versuchen wir immer positiv zu bleiben und zu glauben, dass alles möglich ist, wenn man es will. Aber es ist schwer, wenn man die Nachrichten schaut und sieht, wie rigoros die Natur ausgebeutet wird, um Rohstoffe zu beschaffen.

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5 Kommentare

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  • Am spannendsten fand ich die Antwort auf die Anmerkung, dass sich nicht alle die Marke von Frau Homann leisten können.

    Genau deshalb wird sich auch nichts daran ändern.

    Und Frau Homann trägt durch ihre Preispolitik ihren Teil dazu bei, dass es so bleibt.

  • "Es ist nicht normal, dass ein T-Shirt zwei Euro kostet und nach einem Jahr weggeschmissen wird."

    Es ist auch nicht normal, dass Menschen von 446 Euro im Monat leben müssen.

    • @Jim Hawkins:

      Man muss auch nicht immer alles neu kaufen. Das ist ein Mythos, dass ein nachhaltiges Leben teurer ist und es sich nur die finanziell Bessergestellten leisten können. Das Gegenteil ist der Fall. Um beim Bespiel Kleidung zu bleiben: Es gibt heute so viele Möglichkeiten, schöne Kleidung in tadellosem Zustand gebraucht einzukaufen. Das schont die Umwelt und den Geldbeutel. Und so geht es weiter: Radfahren ist günstiger als Autofahren. Leitungswasser trinken ist günstiger als Flaschenwasser, das abgefüllt und transportiert werden muss. Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Wir müssen lernen unseren Konsum einzuschränken, um die Umwelt zu schützen.

    • @Jim Hawkins:

      Für grob geschätzt knapp über 50% der Weltbevölkerung wäre das schon ein Schritt nach vorn. Und einige davon die weniger haben als das, die nähen sogar T-shirts, die wir dann hier für 2 € kaufen.

      • @Tom Farmer:

        Das ist schon richtig, aber man sollte zuerst die Einkommensverhältnisse in einem Land betrachten.

        Sonst haut der Vergleich ja nicht hin. Natürlich sind die meisten Menschen in den entwickelten Gesellschaften im Durchschnitt reicher als die in den armen.

        Claudia Schiffer sagte einmal auf die Frage, was sie sich mit 100,- DM zum Anziehen kaufen würde:

        "100 Mark? Dafür bekommt man ja nicht einmal ein T-Shirt."