Nachhaltige Mode: „Das Kernproblem ist Fast Fashion“
Annabelle Homann leitet ein faires Modelabel. Um nachhaltig zu sein, müsste die Industrie sich vom Wachstumsparadigma verabschieden, sagt sie.
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taz: Frau Homann, Ihre Modemarke Lanius hat als eine der ersten in Deutschland auf nachhaltige Mode gesetzt. Warum?
Annabelle Homann: Meine Mutter ist Schneiderin und hat sich früh selbstständig gemacht. Für sie war immer klar: Wenn wir etwas verkaufen möchten, dann muss es das bestmögliche Produkt sein. Da gehört auch dazu, dass es nachhaltig und fair produziert ist.
1999, als Lanius gestartet ist, war nachhaltige Mode noch etwas für Ökos und Hippies. Wie bewerten Sie den aktuellen Hype um grüne Kleidung?
Wir freuen uns natürlich, dass Unternehmen ihre Produktionsweise umstellen und umweltschonende Materialien an Bedeutung gewinnen. Das Kernproblem der Textilindustrie ist aber die Fast Fashion. Es ist nicht nachhaltig, wenn man jeden Monat eine Kollektion herausbringt und Mode zum Wegwerfartikel wird. Von einer Abkehr davon sind die großen Marken weit entfernt.
Kann die Modeindustrie überhaupt nachhaltig werden?
Das ist die große Frage, und darauf weiß ich leider keine Antwort, außer dass es eine Herausforderung wird. Wir müssen weg von der Überproduktion und lernen, wieder weniger zu produzieren und zu konsumieren. Es sollten dafür Arbeitsplätze geschaffen werden, etwa im Repairing oder Recycling. Außerdem brauchen wir mehr Kreislaufwirtschaft. Textilien sollten so konzipiert werden, dass sie lange halten und gut recycelt werden können.
Lanius ist eine Marke, die sich nicht alle leisten können. Wie kann klimafreundliche Mode für alle verfügbar werden?
Wir müssen vom Wachstumsparadigma wegkommen, das ist der Schlüssel. Es ist nicht normal, dass ein T-Shirt zwei Euro kostet und nach einem Jahr weggeschmissen wird. Es gibt auch einen nachhaltigen Weg für Mode. Der Secondhandmarkt wächst stark, und auch Leihkleidung ist im Kommen. Das sind gute Entwicklungen.
Haben Sie Angst vor der Klimakrise?
Auf jeden Fall. Je mehr man sich darüber informiert, desto bedrohlicher wirken Szenarien wie weltweite Flüchtlingskrisen und Ressourcenknappheit. Wir haben in der Coronapandemie gesehen, wie schlecht wir mit Krisen umgehen können.
Was haben Sie heute schon für den Klimaschutz getan?
Ich bin mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, werde noch Kleidung in den Secondhandladen bringen und trinke meinen Kaffee mit Hafermilch.
Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?
Grundsätzlich versuchen wir immer positiv zu bleiben und zu glauben, dass alles möglich ist, wenn man es will. Aber es ist schwer, wenn man die Nachrichten schaut und sieht, wie rigoros die Natur ausgebeutet wird, um Rohstoffe zu beschaffen.
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