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Linken-Politiker zu Klima„Der CO2-Preis ist kontraproduktiv“

Wer zahlt für den Klimaschutz? Der Politiker Lorenz Gösta Beutin fordert, die soziale Gerechtigkeit bei Klimafragen nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Linkspartei fordert Solaranalagen auf jedem Neubau Foto: Uli Deck/dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Herr Beutin, die Linke fordert, die Erhöhung des CO2-Preises auszusetzen. Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht sogar von Abzocke. Warum ist die Linke so strikt dagegen?

Lorenz Gösta Beutin: Der CO2-Preis hat kaum Lenkungswirkung und ist kontraproduktiv für soziale Gerechtigkeit. Über das Heizen beispielsweise werden vor allem Mieterinnen stark belastet.

Momentan liegt der CO2-Preis bei 25 Euro pro Tonne. Um wirksam zu sein, müsste er mindestens 180 Euro betragen. Müssten Sie als Klimapolitiker nicht einen viel höheren Preis fordern?

Wir stehen vor einer sehr grundsätzlichen Entscheidung, ob man Klimapolitik vor allem über Preispolitik macht oder über Ordnungsrecht und allgemein verbindliche Regelungen. Und wir haben gesehen: Bei den Versuchen in den letzten Jahren und Jahrzehnten, Klimapolitik über Preispolitik zu regeln, war immer der Effekt, dass große Konzerne, also diejenigen, die eine gute Lobby haben, sich rauskaufen konnten und dass die Belastungen auf die Verbraucher umgelegt worden sind. Auch jetzt beim CO2-Preis hat die Bundesregierung massive Kompensationen vorgesehen gerade für die am stärksten CO2 verursachenden Industrien wie die chemische Industrie.

Im Interview: Lorenz Gösta Beutin

ist Mitglied im Vorstand der Linkspartei und Sprecher der Linken Schleswig-Holstein. Von 2017 bis 2021 war er Mitglied des Bundestags und klimapoli­tischer Sprecher der Linksfraktion.

Nur weil es Lücken gibt, soll man auf das Instrument ganz verzichten?

Wenn man sich Studien anschaut, beispielsweise aus den skandinavischen Ländern, sehen wir dort, dass ein Preis ein begleitendes Instrument sein kann, bei klaren ordnungspolitischen Maßnahmen. Vor solchen ordnungspolitischen Maßnahmen scheut sich die angehende Ampelkoalition aber in ihrem Sondierungspapier.

Was schlägt die Linke als Alternative zum CO2-Preis vor?

Wir fordern klare ordnungspolitische Regelungen, zum Beispiel eine Pflicht zur Photovoltaik bei Neubauten. Und zwar nicht nur für Gewerbebauten, wie es die zukünftige Ampelkoalition vorsieht, sondern eben für sämtliche Neubauten.

Auch das ist teuer und die Kosten werden voraussichtlich auf die Mie­te­r:in­nen umgelegt.

Deshalb wollen wir die Förderung bei der energetischen Sanierung um mindestens 10 Milliarden Euro jährlich steigern und zum Schutz der Mie­te­r:in­nen einen Mietendeckel einführen. Aber klar: Die Frage ist, wer die Kosten trägt für den notwendigen Klimaschutz. Es wird nur funktionieren, wenn man wirklich das sozial gerecht macht, wenn man es richtig erklärt und eben auch aufzeigt, wie unsere Gesellschaft dadurch anders und besser werden kann. Das sehe ich bei der Ampel nicht.

Die Linke fordert auch ein Ende des Verbrennungsmotors bis 2030. Bis dahin gibt es nie und nimmer einen funktionierenden ÖPNV.

Wir sprechen auch nicht davon, dass wir bis 2030 flächendeckend überall aus dem Individualverkehr aussteigen. Aber wir müssen jetzt massiv einsteigen, wir brauchen massive Investitionen in Bus und Bahn. Im Sondierungspapier ist von einem solchen massiven Einstieg nicht die Rede.

Die Linke steckt doch in einem Dilemma: Konsequenter Klimaschutz einerseits, der die Verbraucher aber nichts kosten soll. Sahra Wagenknecht kritisiert, dass viele Forderungen der Linken auf Verteuerung hinausliefen, die Menschen mit kleinen Einkommen besonders träfen. Deshalb müsste man auch weiterhin auf die Gaspipeline Nord Stream 2 setzen. Hat sie nicht recht?

Eigentlich sind fossile Energien schon längst unbezahlbar, wenn man nämlich die Folgekosten einrechnet, die durch die weitere Erhitzung der Erde anfallen, und in ihrer sozial verheerenden Wirkung. Denn Menschen, die sich am wenigsten schützen können, sind am ehesten von Unwetterkatastrophen, Hitzewellen und Ähnlichem betroffen.

Unter den Wäh­le­r:in­nen der Linken sind viele Menschen, die ein geringes Einkommen haben, kein eigenes Auto besitzen, aber dann an Straßen wohnen, wo die Verkehrsbelastung hoch ist, weil dort die Mieten niedrig sind. Und deswegen muss die Linke sich immer konsequent für den Kampf gegen den Klimawandel und für die Menschen einsetzen, die unter den Folgen der Umweltzerstörung leiden. Beides hängt miteinander zusammen.

Warum lehnt die Linke dann nicht auch Nord Stream 2 ab?

Aus klimapolitischer Sicht bräuchten wir tatsächlich weder Nord Stream 2 noch andere Zubauten. Ich glaube, dass wir als Linke, was Klimapolitik angeht, noch an einigen Punkten nacharbeiten müssen. Man sollte klimapolitische Maßnahmen nicht abhängig machen von geopolitischen Erwägungen, wie in diesem Fall. Und ich bin sehr froh darüber, dass wir in unserem Wahlprogramm bereits einen Plan für einen Erdgasausstieg gefordert haben.

Wie stellt sich denn die Linke klimapolitisch künftig auf: als Kritikerin der Ampel oder gibt’ s auch eigene Initiativen?

Die große Herausforderung wird sein, dass die Linke nicht nur als Geist, der stets verneint, wahrgenommen wird, sondern wir viel, viel stärker die eigene Gesellschaftskonzeption, die eigenen Ideen in den Vordergrund stellen.

Gerade steht aber vor allem der Streit um die impfskeptischen Äußerungen von Sahra Wagenknecht im Vordergrund. Droht die Auseinandersetzung über Wagenknecht wieder andere Themen zu überdecken?

Die Linke wird sich entscheiden müssen, welchen Weg sie geht. Wird sie in Zukunft eine Politik machen, die auf Ressentiments setzt, die mit Fake News arbeitet. Dann ist sie keine linke Partei mehr. Oder will sie eine Politik machen, die konsequent auf der Seite derjenigen steht, die von Ausbeutung und rassistischer und sexistischer Unterdrückung betroffen sind, von Umweltzerstörung. Wir müssen aufhören, das gegeneinanderzustellen.

Muss sich die Linken für oder gegen Sahra Wagenknecht entscheiden?

Es wäre verkürzt, das auf eine Person zu fixieren. Aber man muss bei einigen Auftritten einfach klar und deutlich sagen, Sahra Wagenknecht spricht nicht für die Linke. Sie ist auch in der Partei mittlerweile nur noch ein Phantom, weil sie sich keinen innerparteilichen Debatten stellt, weil sie in der letzten Legislaturperiode kaum in der Fraktion zu sehen war und stattdessen versucht, über Medien die Position der Partei zu verschieben. Das hat uns in den vergangenen vier Jahren geschadet. Die Linke sollte da schon sehr klar und deutlich sprechen.

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16 Kommentare

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  • @WARUM_DENKT_KEINER_NACH?

    Das stimmt nicht: bisher wurde Geld üppig verteilt. Leider oft an die Falschen (Subventionen für Hybride; Entschädigungen für die Kohlewirtschaft... noch mehr gefällig?)

  • "Eigentlich sind fossile Energien schon längst unbezahlbar, wenn man nämlich die Folgekosten einrechnet (...)"

    Wenn das tut, ist man beim CO2-Preis. Und dann kommt diese nicht nachvollziehbare, verbohrte Ablehnung eines CO2-Preises. Bzw. "Akzeptanz" nur dann, wenn es schon alles durchreguliert ist. Dabei ist es nicht so schwer: CO2-Preis rauf, Einnahmen ans ärmerste Dritten zurück. Aber dieser Schwachsinn der Linken, allein die großen Unternehmen knechten zu wollen und am Ende wird nichts auf die Konsument:innen umgelegt, der kommt aus der planwirtschaftlichen Mottenkiste. Bin froh, dass ich die nicht gewählt hab, obwohl ich es für zentral halte, Ökologie und Soziales zu versöhnen. Aber in Sachen Umweltpolitik sitzen die Linken leider noch im "weltanschaulichen Mußtopf"

  • Jo jo, die Linke. Alles haben wollen, Mieten deckeln und andere Zahlen lassen. Ist auch ein Konzept die heiße Kartoffel immer weiterzugeben und hoffen das es den anderen erst aus der Hand fällt.

  • Sanktionen sind nicht immer der beste Weg zum Ziel. Oft lässt sich menschliches Verhalten leichter durch positive Impulse und Belohnungen ändern. So wäre es doch denkbar, dass Menschen, die vom Auto aufs Fahrrad umsteigen oder ihre Wohnung nicht mehr heizen, einen monatlichen Gutschein für gesundes Essen bekommen, einzulösen im Biomarkt eigener Wahl.

  • Ein CO2 Preis ist erst wirksam wenn er hoch genug ist.

    Ohne eine vernünftige Umverteilung, die zu mehr verfügbaren Geld, bei niedrigen, bis mittleren Einkommen, führt, ist eine wirksame Umweltpolitik nicht machbar.

    Nur wenn wir erst dafür sorgen das die Menschen 3-500€ mehr verfügbaren haben im Monat kann man die Haushalte entsprechend belasten. Spare ich Strom und Heizkosten oder nutze ich weniger das Auto, lohnt sich das plötzlich ordentlich finanziell. Ich kann das Geld für das teurer gewordene Fleisch nutzen oder Geld sparen mit umweltfreundlicheren Alternativen, die noch dazu besser für die Gesundheit sind.

    Das Problem der heutigen Politik ist, das Ursache und Wirkung vertauscht werden. Es gibt Berufe in der Stadt die müssen in der Stadt gemacht werden und werden jedoch nicht gut genug bezahlt um arbeitsnah zu leben. Weil es keinen vernünftigen Nahverkehr gibt, muss die Arbeitnehmerin zur Arbeit mit dem Auto pendeln. Weil das Benzin so günstig ist macht sie das auch. Wäre das Benzin nicht so günstig müsste der Arbeitgeber mehr bezahlen oder der Nahverkehr verbessert und Betriebszeiten nach diesem gerichtet werde.

    Passiert weder das eine, noch das andere, wird die Arbeitnehmerin, mit einer anderen Tätigkeiten, mehr Geld, verdienen können.

    Weil Benzin, Diesel so günstig sind gibt es noch viele Tätigkeiten, die im Büro gemacht werden aber auch zu Hause erledigt werden können. Das hat die Corona Pandemie eindrucksvoll gezeigt. Wer will kann ja ins Büro fahren und dann aber auch 3.5-5.0€ pro liter Benzin zahlen.

  • Bisher hatte ich es so verstanden, dass für die Leute mit geringem Einkommen die höheren Kosten kompensiert werden müssten. Diese Kompensation müsste dann von den Reichen und Superreichen getragen werden.



    Allerdings: Welchen Anreiz hätten dann Leute mit geringem Einkommen, sich klimaschonender als bisher zu verhalten, wenn sie dafür keinen (finanziellen) Anreiz haben? Wenn sich nur die Handvoll von Angehörigen der oberen Gehaltsklassen klimaschonend verhält (weil sie zahlen müssen), wird das kaum genügen. Denn die Anzahl Geringverdiener ist bekanntlich wesentlich höher!

    • @Pfanni:

      Na ja. Die Armen fliegen seltener zum shoppen nach New York :-)

  • Ich denke, ohne CO2-Bepreisung kommen wir da nicht durch. Kontraproduktiv scheinen mir eher die Geräusche, die die Linke derzeit macht. Bloss, um sich von den Grünen zu differenzieren? Ich halte Euch für intelligenter als das, ey. Deshalb wähle ich Euch auch.

    Die Kompensation ist absolut notwendig: die Menschen, die an der Kante sind werden die erhöhten Energiekosten zu spüren bekommen, obwohl sie gleichzeitig den niedrigsten CO2-Fussabdruck haben.

    Der SUV-Fahrer? Der merkt es erst ab 180EUR die Tonne.

    Die Kompensation sollte aber nicht so gestaltet sein, dass sie zu höherem Verbrauch anregt.

    Eher so etwas wie Bürger*innengeld, das es den Menschen erlaubt, selbst Energiesparmassnahmen vorzunehmen (Wohnung besser isolieren; mir einen anderen Job suchen, bei dem ich das Auto nicht brauche).

    Bei den Heizkosten sollten die Hauseigentümer*innen mit /beteiligt/ [1] werden; Gemeinsame Lösungsansätze mit Mieter*innen und Vermieter*innen sollten noch mal extra gefördert werden.

    [1] Ich hör' schon das Geschrei AAAHHH! AAAHHH!

    • @tomás zerolo:

      "Die Kompensation ist absolut notwendig..."

      Ja. Aber kommt sie auch? Da liegt doch das Problem. Bis jetzt wird einfach nur Geld eingesammelt. Und das trifft natürlich die am meisten, die nicht über die Mittel verfügen, auszuweichen.

      So wird das nichts. Weil dann bei den nächsten Wahlen die gewinnen, die keinen Klimaschutz wollen.

  • "Ich glaube, dass wir als Linke, was Klimapolitik angeht, noch an einigen Punkten nacharbeiten müssen." ...na, dann aber husch, husch!! Im Gegensatz zu den Grünen habt ihr da mindestens 15 Jahre schlichtweg verpennt. Und Konzepte, wie der CO2-Preis auch für Geringverdiner gerecht gemacht werden könnte, dürft ihr gern auch mal selbst entwickeln, anstatt immer nur Forderungen aufzustellen. Z.B. in dem man in 2 Stufen ein wöchentlich zu erstattendes Bedarfskontingent an Heizwärme und Strom vom Finanzamt hälftig bzw. voll CO2-steuerbefreit befreit. Ist zwar ein erheblicher Verwaltungsaufwand, schafft aber Arbeitsplätze und friedensstiftende Gerechtigkeit.

  • Viele Menschen sind tatsächlich der Meinung dass etwas getan werden muss zum Thema Klimaschutz. Wenn es an Verzicht, Geldbeutel oder gar Arbeitsplatzrisiko geht ist damit aber sehr schnell Schluss. So meine Erfahrungen. Was für mich nur normal ist. Also, fangen wir doch statt mit COs Steuer und dergleichen erstmal bei den großen CO2 Erzeugern an. Und zwar weltweit. Und jeder Bürger leistet seinen Anteil im Rahmen seiner Möglichkeiten. Ohne auf Urlaubsreisen etc. verzichten zu müssen. Ich glaube, die Realität wird nicht kommuniziert und/oder verdrängt: wir werden die 1,5 nicht schaffen. Wir werden akzeptieren, dass hunderte von Millionen Menschen am Klimawandel sterben und hunderte Millionen in Bewegung sein werden. Wir haben doch bisher auch immer gut weggeschaut, und akzeptiert - und tun es noch - bei Hungerkatastrophen, Hungertoten, Epedemien, Kinderarbeit, Ausbeutung, Sklavenhalterei etc.

  • Treffende Antworten, schauen wir mal ob es auch politisch gesehen dahin dann geht..

  • Zitat:



    "Lorenz Gösta Beutin: Der CO2-Preis hat kaum Lenkungswirkung und ist kontraproduktiv für soziale Gerechtigkeit. Über das Heizen beispielsweise werden vor allem Mieterinnen stark belastet."

    So ein Unsinn. Der Besitzer einer Immobilie bezahlt den gleichen Preis wie der Mieter für das Heizen, der über Verbrauch abgerechnet wird.

    • @Puky:

      Irrtum. Es geht darum, den Vermieter an den CO2 kosten des Mieters zu beteiligen, damit er motiviert wird, moderne Heizungen und Wärmedämmung einzubauen. Das kann der Mieter nämlich nicht entscheiden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aha, wie soll diese Idee bei einer Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus umgesetzt werden ? Haben Sie eine Ahnung in welchem Zeitraum sich solche Investitionen rentieren ? Warum sollte diese Idee nicht auch für Stromkosen gelten, denn der Vermieter kann ja auch stromsparende Haushaltsgeräte zur Verfügung stellen....

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        habe ich gemacht und dann natürlich auf die miete umgelegt.