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Forderungen von UmweltschützernAmpelkoalition soll Tiere schützen

Bauern müssten Geld für bessere Ställe bekommen, raten Umweltschützer SPD, Grünen und FDP. Ähnlich äußert sich der Bauernverband.

Schweine liegen in der Bucht eines „Tierwohl“-Schweinestalls in Baden-Württemberg Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Ökoverbände fordern von den künftigen Ampelkoalitionären, die Landwirtschaft zu mehr Umwelt- und Tierschutz zu drängen. Die Ergebnisse der Kommission unter dem ehemaligen Bundesagrarminister Jochen Borchert zum Umbau der Tierhaltung müssten umgesetzt werden, schreiben Naturschutzbund, BUND, WWF, Naturschutzring, Verbraucherzentrale Bundesverband, Tierschutzbund, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in einem Brief an die Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Ernährung bei den Koalitionsverhandlungen.

Die Borchert-Kommission hat empfohlen, dass künftig alle Ställe mindestens der Stufe 2 der im Handel üblichen „Haltungsform“-Kennzeichnung entsprechen. Sie verlangt etwa in der Schweinemast 10 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben.

Nötig sei ein „sinnvolles Finanzierungssystem“, so die Verbände weiter. Für den Umbau der Ställe sollen die Landwirte laut Borchert-Kommission eine Tierwohlabgabe erhalten, die pro Kilogramm Fleisch berechnet wird. Außerdem sprechen sich die Umweltschützer für eine verbindliche Haltungskennzeichnung aus. Zudem müssten die Vorschriften für die Tierhaltung „schrittweise“ verschärft werden. Das Emissions- und Baurecht solle geändert werden, „um einen tiergerechten Umbau der Tierhaltung zu ermöglichen.“

Zusätzlich verlangen die Organisationen, die Zahl der Tiere pro Fläche und pro Bestand zu begrenzen. Denn auch für den Klimaschutz sei es wichtig, die Viehzahlen zu senken, so das Schreiben. 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland kommen laut Umweltbundesamt aus der Landwirtschaft, die meisten davon aus der Tierhaltung.

Pflanzliche Lebensmittel dagegen wollen die Organisationen verbilligen, „um Ver­brau­che­r:in­nen kurzfristig zu entlasten“ und eine gesunde Lebensmittelauswahl zu fördern. Dafür „sollte die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf den niedrigstmöglichen Satz gesenkt werden“.

Mehr Umweltschutz für Agrarsubventionen

Die neue Bundesregierung soll nach dem Willen der Naturschützer auch für die EU-Agrarsubventionen mehr Umweltleistungen verlangen. Der Anteil der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen, für die ab 2023 geplanten „Öko-Regelungen“ soll bis 2027 auf 30 Prozent steigen und nicht wie von der amtierenden Regierung vorgesehen bei 25 Prozent verharren. Dieses Geld werden Bauern nur erhalten, wenn sie zum Beispiel besonders viele Brachen haben oder weniger chemisch-synthetische Pestizide einsetzen.

Zudem wollen die Umweltschützer, dass 2027 25 statt nur 15 Prozent der Direktzahlungen in die zweite Säule des EU-Agrarbudgets umgeschichtet werden, die zum Beispiel die Extraprämien für Ökobauern finanziert.

Weiterhin verlangen die Verbände eine Stickstoffüberschuss-Abgabe für Landwirte, die zu viel düngen. Die Umweltschützer fordern auch einen Plan, damit Deutschland das EU-Ziel erreicht, bis 2030 den Einsatz von Pestiziden zu halbieren. Die Zulassung von „Glyphosat und weiteren gefährlichen Stoffen“ müsse Deutschland ablehnen. Die Landwirtschaft trägt auch mit Pestiziden und zu viel Dünger dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Die Organisationen wenden sich gegen Bestrebungen der EU-Kommission, die Regeln für Pflanzen der neuen Gentechnik zu lockern. Produkte von Methoden wie der Genschere Crispr/Cas müssten weiterhin auf ihre Risiken überprüft und gekennzeichnet werden, so die Umweltschützer.

Bauernverband will laxere Regeln für Gentechnik

Damit widersprechen sie dem Bauernverband und mehreren anderen Organisationen der Branche. Diese fordern in einem Brief an die Vorsitzenden von SPD, Grünen und FDP „differenzierte Regelungen“, um die neue Gentechnik nutzen zu können.

Statt „pauschaler Reduktionsziele“ für Pestizide wollen sie die auf Technik basierende „Präzisionslandwirtschaft“ gefördert wissen. Die Verbände wollen auch einen vom Bund initiierten Naturschutz-Fonds „zur Umsetzung und Förderung von praxistauglichen und wirtschaftlich tragfähigen Naturschutzmaßnahmen“.

Einig sind sich Agrar- und Umweltverbände aber in einem: Auch der Bauernverband spricht sich dafür aus, die Borchert-Empfehlungen für die Tierhaltung zügig zu verwirklichen.

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8 Kommentare

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  • Tierhaltung, die auf Tötung der Tiere abzielt, ist kein Tierschutz. Tierschutz hieße Schutz der Interessen der Tiere. Dies bedeutet bspw. das Schützen des Interesses der Tiere nach Leben und die Vermeidung von Schmerz. Das ist mit Tierproduktion aber nicht vereinbar. Fleisch bedeutet töten von Tieren. Tierprodukte wie Milch und Eier bedeuten das Inkaufnehmen von Tiertötungen der Tiere, die nicht bzw. nicht mehr genug Milch und Eier produzieren können.

  • Die Mindestanforderungen für Tierhaltung zu erhöhen würde ich begrüßen, allerdings sehr ich nicht ein dass dafür die Gemeinschaft blechen soll, von mir aus können morgen alle Ställe zumachen. Die höheren Preise bitte an die Verbraucher weitergeben.

  • Mit solchen Forderungen, natürlich nur für ( gegen ) Deutsche Landwirte und nicht dem Rest von Europa, der Welt, wird sich das Sterben der Höfe nochmals Exorbitant beschleunigen. Aber ist ja egal, das Ausland versorgt uns dann schon mit Lebensmitteln. Wie erzeugt ist dann uninteressant, weil aus dem Auge, aus dem Sinn !!



    WARUM wird diese Problematik nur auf den Rücken der Landwirte abgewälzt und nicht der Verbraucher durch höhere Preise für die Lebensmittel mit ins Boot genommen ?

    • @Günter Witte:

      Viele Verbraucher können bei steigenden Mieten und Energiepreisen kaum höhere Lebensmittelpreise zahlen. Sie weichen eher zu preiswerteren Lebensmitteln aus. Für viele Menschen bleibt am Ende des Geldes noch zuviel Monat übrig.

  • Wieso müssen die Bauern mehr Geld für bessere Ställe bekommen? Versteh ich nicht. Wenn die Mehrkosten für artgerechte Haltung nicht über den Preis an die Verbraucher weitergegeben, sondern der dieser durch Subventionen künstlich niedrig gehalten wird, wie soll dann jemals ein Umdenken bei den Verbrauchern stattfinden und der, nicht nur für die Umwelt schädliche, Fleischkonsum zurückgehen? Kontraproduktive Steuergeldverschwendung!

    • @tri:

      Vermutlich weil nichts gewonnen ist wenn wir hier hohe Standards einführen, die Lebensmittel dann im günstig produzierenden Ausland eingekauft werden und die hiesige Schweinemast ins Ausland zu alten Bedingungen verlegt wird.

  • "Die Borchert-Kommission hat empfohlen, dass künftig alle Ställe mindestens der Stufe 2 der im Handel üblichen „Haltungsform“-Kennzeichnung entsprechen. Sie verlangt etwa in der Schweinemast 10 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben."

    Das ist ja wohl der Hohn schlechthin! Die Tiere können sich nicht umdrehen oder gar hinlegen - und dann bekommen sie !!! 10% !!! mehr Platz?

    Lächerlicher geht es ja wohl kaum.

    • @Mitch Miller:

      "Bundesagrarministerin Julia Klöckner verspricht seit Amtsbeginn, die Nutztierhaltung umzubauen. Für diesen Zweck hat sie 2019 die sogenannte Borchert-Kommission eingesetzt, deren offizielle Bezeichnung „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ lautet."

      Quelle: gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org

      Julia Klöckner...

      Noch Fragen?