Consulting in der Entwicklungsarbeit: Geschäft mit dem Wasser

Aus dem deutschen Staatshaushalt fließen Milliardensummen in die Wasserversorgung des globalen Südens. Viel landet auf Konten deutscher Beraterfirmen.

Kinder auf einem Holzsteg über einem Bach.

Gangeszufluss im indischen Rishikesh Foto: Bhrigu Khandelwal

Berlin taz | Ein Projekt bei der Sanierung des Ganges in Indien gäbe es da. Oder Beratung in einem Covid-19-Nothilfe-Programm im Naturschutzgebiet Maasai Mara in Kenia, Angebotsabgabe bis 10. November möglich. In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden viele Beratungsleistungen ausgeschrieben – wie die genannten von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Dabei ist die GIZ selbst so was wie eine Consultingfirma – eine bundeseigene. Das zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beauftragt die GIZ, Vorhaben des Ministeriums umzusetzen. Oft sind das eben Beratungsleistungen – zum Beispiel, wie ein Partnerland der Entwicklungszusammenarbeit seine öffentlichen Finanzen gestaltet. Und dafür heuert die GIZ ihrerseits Beraterfirmen an.

Klar: Die Entwicklungszusammenarbeit braucht oft sehr spezialisierte Fachkräfte von außerhalb. Doch das Consultinggeschäft hat System: Ex­per­t*in­nen aus der Branche sprechen von einer Consulting- oder Beraterquote, die der freien Wirtschaft seit Jahrzehnten von vornherein einen Anteil an den Aufträgen der GIZ sichere. Die Rede ist von 12 bis um die 25 Prozent. Ohne sachlichen Grund, sondern nur, weil ein Verband vor Jahrzehnten gut lobbyierte. Eine Geldmachquote?

Anonymer Entwicklungsexperte

„Die deutsche Con­sultingwirt­schaft hat Druck gemacht, die wollten was vom Kuchen abhaben“

In den jährlichen Beschaffungsberichten der GIZ stehen die Consultingverträge mit unter „Dienstleistungen“. Ein Blick auf die Liste der 100 größten Auftragnehmer zeigt, dass Beratungsfirmen einen Großteil davon ausmachen. 2019, vor dem Covidjahr 2020, erreichten die Dienstleistungen mit 766,7 Millionen Euro einen Höchststand und im Vergleich zu 2018 eine Steigerung um 71 Millionen Euro (10,2 Prozent).

„Sowohl die weltweit vergebenen Dienstleistungsverträge als auch die weltweit vergebenen Finanzierungen sind somit deutlich überproportional zum Geschäftsvolumen angestiegen“, schreibt die GIZ im Beschaffungsbericht von 2019. Zum Vergleich: Alle deutschen öffentlichen Entwicklungsgelder (ODA) betrugen im selben Jahr rund 21,6 Milliarden Euro.

Ein Bürogebäude mit dem Logo GIZ.

GIZ-Zentrale in Bonn Foto: Jörn Wolter/imago

Die GIZ sei zu dieser Praxis gezwungen, schreibt eine Unternehmenssprecherin: Ihr Generalvertrag mit der Bundesrepublik verpflichte sie, „sich bei der Erfüllung ihrer Aufträge geeigneter Unternehmen der privaten Wirtschaft, staatlicher Stellen und Fachinstitutionen zu bedienen, wenn und soweit dies zweckmäßig und wirtschaftlich erscheint“.

Das ist die offizielle Erklärung. Wer lange genug in der Branche arbeitet, hat aber oft noch eine andere parat: „Die deutsche Consultingwirtschaft hat Druck gemacht, die wollten was vom Kuchen abhaben“, sagt ein Experte mit Jahrzehnten Erfahrung. Namentlich will er nicht genannt werden – die GIZ ist eine zu wichtige Arbeitgeberin, als dass man es sich mit ihr verscherzen wollte.

Die Quote soll auf die 1970er Jahre zurückgehen, als die „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ), Vorläuferin der GIZ, als GmbH gegründet wurde. Sie sollte nicht schwerfällig sein wie eine Behörde, sondern wie ein Unternehmen arbeiten – sehr zum Leidwesen der gerade erblühenden privaten Consultingwirtschaft in Deutschland.

Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser

„Wehmütig denken wohl manche Alteingesessenen – Anfang der 70er Jahre gab es einen Gründungsboom von Consultings – an das 'unglückselige Jahr’ 1974 zurück“, schreibt Jochen Köhler im Buch „Mittler zwischen den Welten: GTZ – Ein Unternehmen in Entwicklung“. „Damals plädierten sie dafür, ‚keine große Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit‘ zu errichten, sondern nur eine kleine, unbürokratische ‚Vergabefirma‘ für lohnende Aufträge. Es hat nicht sollen sein.“

Von dieser Konkurrenzsituation spricht auch Helmut Asche. „Die Consultingquote ist eigentlich Ausdruck eines langjährigen politischen Kompromisses“, sagt er. „Der damalige Verband unabhängig beratender Ingenieurfirmen, VUBI, war außergewöhnlich gut organisiert und politisch sehr einflussreich. Er hat seit Gründung der GTZ schon immer gesagt: ‚Aber wieso macht das überhaupt eine staatliche Stelle?‘ “, erklärt er. In dieser Situation habe sich die Beratungswirtschaft die Quote ausgehandelt. „Diese Consultingquote lag über lange Jahre immer so bei 25 Prozent“, sagt Asche – bei wie viel sie jetzt liege, könne er aber nicht sagen.

Eine Geldmachquote?

Den politisch so einflussreichen Verband VUBI gibt es in seiner ursprünglichen Form nicht mehr – er verschmolz erst mit einer anderen Organisation und dann mit dem Verband Beratender Ingenieure (VBI). Auf Anfrage stellt der VBI den Kontakt zu seinem Mitglied Bernhard Amler her, Geschäftsführer von Ambero Consulting. Ambero arbeitet häufig für die GIZ, im Beschaffungsbericht steht das Unternehmen auf der Liste der „Top 100 Auftragnehmer von zentral vergebenen Dienstleistungsverträgen“ auf Platz neun.

„Ich habe nie etwas dazu gefunden, es gibt kein Schriftstück, auch nicht im Verband“, sagt Amler. „Tatsächlich höre ich aber auch seit Jahrzehnten immer von einer Quote, die um die 15 Prozent sein soll.“ Dass es die Quote formal gebe, könne er sich aber nicht vorstellen, sagt Amler. Es sei dennoch bemerkenswert, dass das Volumen der reinen Consultingverträge seit Jahren eher zwischen 12 und maximal 14 Prozent pendele. „Ich weiß von keiner Quote, aber es ist schon auffällig, dass wir immer bei diesen Werten herumkrebsen.“

Also eher ein Hemmschuh als eine Geldmachquote?

Hande im Wasser eines Baches.

In einem Naturschutzgebiet bei den Massai in Kenia Foto: Karim Kara

Sowohl Amler als auch Asche könnten recht haben. Betrachtet man den Anteil der weltweiten Vergaben von Dienstleistungsverträgen am gesamten GIZ-Geschäftsvolumen, schwankt dieser zwischen rund 21 und etwas mehr als 25 Prozent. Rechnet man nur mit Verträgen, die die GIZ-Zentrale vergibt, finden sich Werte zwischen aufgerundet 18 Prozent (2015) und 15 Prozent (2020). Allerdings sind „Dienstleistungen“ auch andere Dinge wie etwa Gutachterverträge. Der taz sagt die GIZ, sie könne die einzelnen Leistungen nicht aufschlüsseln.

Wichtig ist all dies deshalb, weil mit jeder Einschaltung eines Auftragnehmenden Geld, das offiziell als Entwicklungszusammenarbeit in ein Partnerland fließt, tatsächlich bei einer Firma in Deutschland hängenbleibt. Ein erheblicher Teil der deutschen Entwicklungsgelder geht somit an deutsche Consultingfirmen.

Keine Frage der Kosten

Auch wenn diese Firmen oft Mitarbeitende aus den jeweiligen Entwicklungsländern beschäftigen: die Firmen selbst sitzen meist in Deutschland, wie der Blick auf die Top 100 der Auftragnehmer von zentral vergebenen Dienstleistungsverträgen zeigt. Einige wenige kommen aus dem europäischen Ausland, nur sehr wenige aus Entwicklungsländern. Die Länderbüros dürften häufiger Leistungen vor Ort vergeben – die dezentralen Vergaben machen aber nicht einmal die Hälfte am Vergabevolumen der Dienstleistungen aus.

In die Berechnung von Projektkosten fließt das alles mit ein. „Das BMZ beauftragt die GIZ oder die KfW mit etwas – Abwasserprogramm und so weiter“, erklärt der Entwicklungsexperte. „Und dafür gibt es dann vom BMZ auf den Auftrag hin ein bestimmtes Finanzvolumen, und wenn die GIZ einen 10-Millionen-Auftrag selbst komplett durchführt, dann bekommt sie davon einen bestimmten Prozentsatz Verwaltungsgemeinkosten, die VGK.“

Wenn die GIZ dagegen einen Teil an externe Be­ra­te­r*in­nen auslagere, sei es weniger. „Deswegen gibt es da immer einen leisen, unausgesprochenen Widerstand – aber sie müssen es und sie tun es ja auch.“

Der allgemeine Verwaltungskostensatz der GIZ lag im Zeitraum 2016 bis 2020 bei durchschnittlich 12,4 Prozent, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Dieser Satz werde aber auf das jeweilige Projekt aufgeschlagen. Auch wenn die GIZ Aufträge extern vergebe, würden diese Kosten fällig, weil Aufgaben wie „Koordination und Gesamtverantwortung“ bei der GIZ verblieben. Aber sie seien dann niedriger.

Was sagt die GIZ selbst zu einer Consultingquote? Auf eine erste Anfrage heißt es: „Eine unternehmensweit verbindliche, auf Auftragsvolumen basierende Consultingquote gibt es nicht.“ Auch das BMZ verneint eine solche Quote im Ministerium.

Offizieller Bericht wirft Fragen auf

Doch neben den Aussagen von Experten weist auch ein ziemlich offizielles Schriftstück auf die Existenz einer solchen Quote hin: ein Bericht des Evaluierungsinstituts DEval über die Arbeit der GIZ. Namentlich tauchen hier eine „Consultingquote“, eine „Vergabequote an die Consultingwirtschaft“ und eine „Vergabepflicht an die Consultingwirtschaft“ auf, und zwar auch in kritischem Kontext.

So wird an einer Stelle berichtet, worauf Auftragsverantwortliche der GIZ in Fallstudieninterviews hinwiesen: „Insbesondere die Consultingquote sei ein Problem und den Partnern schwer vermittelbar. Diese bekämen Zusagen über eine bestimmte Summe und seien dann oft erstaunt, wenn davon Consulting- oder auch HCD-Dienstleistungen (Human Capa­city Development, Anm. d. Red.) in Deutschland eingekauft würden, die im Land selbst vorhanden sind.“

Auf Nachfrage, was denn mit „Consultingquote“ im DEval-Bericht gemeint sei, erklärt eine GIZ-Sprecherin schließlich: „Der DEval-Bericht bezieht sich wahrscheinlich auf einen unternehmensinternen Orientierungswert zur Vergabe von Leistungen an Dritte. Anders als im Bericht dargestellt, ist dieser Orientierungswert jedoch nicht verpflichtend, sondern bietet – wie der Name sagt – eine Orientierung.“ Eine vorgegebene Consultingquote gebe es also nicht.

Ganz glaubwürdig ist das nicht. Die Evaluierung beruhe auf etlichen Interviews und auch auf Onlinebefragungen „aller aktiven Auftragsverantwortlichen der GIZ“, heißt es im Bericht. Lutz Meyer, einer der Autoren, antwortet auf Anfrage der taz: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die GIZ in einer der Referenzgruppensitzungen (die werden vom DEval während einer Evaluierung in bestimmten Stadien mit allen Stakeholdern durchgeführt) oder nach Vorlage der Endversion des Berichts Einspruch gegen die Formulierung „Consultingquote“ eingelegt hätte. Hätte die GIZ das getan, so hätte ich nach den Vorschriften des DEval die Begrifflichkeit ändern (oder sehr umfangreich begründen) müssen.“

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Die GIZ mag zwar von „Orientierungswert“ sprechen. Aber, wie Meyer weiter erklärt: „Was bleibt, ist die gelebte Praxis. Und die kennt jeder, der in diesem EZ-Geschäft tätig ist.“

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