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Neue Hilfsstrategie für kaputte WälderAufforstung mit Topfpflanzen

Allein in Niedersachsen müssen 40.000 Hektar Wald gepflanzt werden. Saatgut und junge Bäume sind knapp, deshalb setzen die Förster auf Topfpflanzen.

Aufforstung im zerfressenen Oberharz: Forstwirtschaftsmeister Alexander Frese pflanzt Buchen Foto: dpa / Julian Stratenschulte

Hamburg taz | Zeit spielt in der Holzwirtschaft eine wichtige Rolle. Und momentan hecheln Wald­be­sit­ze­r*in­nen dem Klimawandel ziemlich hinterher. In nur wenigen Jahren haben Dürre, Stürme und Borkenkäfer den Wäldern in Deutschland so kräftig zugesetzt, dass Abholzung und Wiederaufforstung kaum nachkommen. Die Landesforsten Niedersachsen schlagen nun einen neuen Weg ein: Sie setzen auf Topfpflanzen.

Tausende sogenannter Containerpflanzen wurden seit September im Harz eingesetzt. Sie wachsen in einem speziellen Topf und werden mit fertigen Wurzeln in den Boden gebracht. Das Ausfallrisiko unter vergleichbaren Wuchsbedingungen sei deutlich geringer als bei herkömmlichen wurzelnackten Pflanzen ohne Substrate, sagt Michael Rudolph, Pressesprecher der Landesforsten Niedersachsen Region Süd. In den Trockenjahren 2019 und 2020 seien immerhin rund ein Drittel aller gepflanzten Bäume eingegangen.

Die Containerpflanzen sollen das minimieren. Wie die Bilanz ausfallen wird, lasse sich aber jetzt noch nicht sagen. „Es geht auch vor allem darum, den Pflanzzeitraum auszudehnen“, sagt Rudolph. Die Containerpflanzen, vor allem Buchen, Weißtannen, Lärchen oder auch Douglasien können bereits im August und September gesetzt werden. Außerdem müsse jetzt schnell gehandelt und neue Bäume unter abgestorbenen Fichten gesetzt werden, da im nächsten Jahr die Waldabschnitte aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden dürften.

Das größte Problem ist die Verfügbarkeit von Pflanzen. Denn bis Samen geerntet und daraus fertige Bäumchen für die Aufforstung gewachsen sind, vergehen ein bis vier Jahre, so Rudolph. Im vergangenen Jahr sind im Harz 1,6 Millionen Bäume gepflanzt worden. „Die kann man nicht mal ebenso für nächste Woche bei der Baumschule bestellen.“

Bis Samen geerntet und daraus fertige Bäumchen gewachsen sind, vergehen ein bis vier Jahre

Die Nachfrage ist bundesweit sehr hoch. In Niedersachsen allein müssen rund 40.000 Hektar Wald aufgeforstet werden. Davon liegen 25.000 Hektar im Landeswald, die restlichen 15.000 sind Privatwald. Rund 200 Millionen Pflanzen werden allein im Privatwald in den kommenden Jahren benötigt, schätzt Rudolf Alteheld, Leiter des Geschäftsbereichs Forstwirtschaft der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Hinzu kommt, dass die Bäume in diesem Jahr kaum Früchte tragen, was bedeutet: Das Saatgut bleibt knapp. Privatwaldbesitzende müssen deshalb auf Naturverjüngung setzen – sie vertrauen also darauf, dass der Wald sich selbst sät und ergänzen lediglich mit Pflanzen. Mit Containerpflanzen würden Pri­vat­wald­be­sit­ze­r*in­nen schon länger arbeiten, sagt Alteheld. Der Einsatz müsse aber gut kalkuliert werden. Eine Containerpflanze koste etwa doppelt soviel wie eine sogenannte wurzelnackte Pflanze.

Genau wie bei den Pri­vat­wald­be­sit­ze­r*in­nen sind auch die Kassen der Landesforsten leer. Das Geschäftsjahr 2020 wurde laut eigenen Aussagen mit einem Defizit von rund 18 Millionen Euro abgeschlossen. In den Waldumbau flossen im selben Jahr rund 16 Millionen Euro.

Die Aufforstung im Harz sei teuer, aber notwendig, denn allein durch Naturverjüngung würde dort lediglich ein Fichtenwald nachwachsen, sagt Michael Rudolph. „Wir stehen aber in der Verantwortung, die Bevölkerung mit dem Rohstoff Holz zu versorgen und den nachfolgenden Generationen einen klimaresistenten Wald zu hinterlassen.“ Klimaresistent bedeutet, dass auch auf Baumarten gesetzt wird, die in Niedersachsen nicht heimisch sind, wie die Douglasie.

Sowohl Rudolph als auch Alte­held sehen die kommenden Jahre als Chance. „Wir haben nun die Möglichkeit, unseren Wald klimaneutral umzubauen“, sagt Alteheld. Auch Rudolph ist optimistisch, dass durch Eingriffe wie Pflanzungen aus dem Harz ein gesunder Mischwald wird, der der Klimakrise trotzt.

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5 Kommentare

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  • Sorry, vergessen, der Wald im Harz, von dem ich gesehen hatte, wuchs als Mischwald auf. War sehr beeindruckend

  • Ich bekomme jedes Mal nen Föhn, wenn ich lese, Bäume gegen Klimawandel zu pflanzen oder Wald aufzuforsten. Zu den Wälder, es gibt bereits gute Beispiele, auch im Harz oder nach den Prinzipien des Naturwaldes bewirtschaftet, wie es gehen kann, durch eine natürliche Sukzession zu einem gesunden Wald zu kommen. Dauert natürlich etwas, aber nicht viel länger. Hat aber den Vorteil, dass Bäume, ohne Zwei- oder dreimal verpflanzt zu werden, den Pflanzschock nicht verdauen müssen. Zum anderen, die gezogene Baumschulware wird in der Regel, also fast zu 100 % mit Pestiziden und Dünger produziert. Den Oberboden nach dem Verkauf der Containerwaren kannste anschließend auch vergessen, Folien versiegeln den Boden und die sind auf der Kulturfläche danach faktisch tot. Ich weiß, es wird regelmäßig abgestritten, aber Containerpflanzen, in dem Artikel beschönigend Topfpflanzen genannt, sind Intensivkulturen und nicht klimafreundlich hergestellt. Ich würde mich freuen, wenn bei der taz die Pflanzenzucht mal kritisch hinterfragt wird. Helfe gerne mit Infos, auch zu der Grundwasserbelastung durch die konventionelle Baumschulwirtschaft. So hat der Kreis Pinneberg auch nach über 30 Jahren, nach Bekanntwerden der Belastung, noch damit zu kämpfen. Doch das Thema wird bei den sogenannten Klimawälder nicht beachtet. Wäre es nicht klasse, wenn die Bäume bereits von der Anzucht an klimafreundlich hergestellt wird? Ich würde mich jedenfalls freuen!

  • "Klimaresistent bedeutet, dass auch auf Baumarten gesetzt wird, die in Niedersachsen nicht heimisch sind, wie die Douglasie."

    Die Douglasie wird dann in 30-40 Jahren die Fichte 2.0 sein. Schade, wenn man aus seinen Fehlern nicht lernt. Es wäre hilfreich, wenn auf einen stark gemischten Laubwald gesetzt würde, dann auch mit einzelnen ergänzenden Baumarten aus wärmeren Regionen, auch einzelnen Douglasien. Aber bitte Eiche, Winterlinde und Co nicht vergessen!

    • @Popanek:

      Ja, so ist es; Fichte, Weißtanne und Douglasie als "Zukunftsbäume" anzusehen ist doch wirklich von gestern. Vor allem die Douglasie erfreut den Borkenkäfer, dem ich das von Herzen gönne.

      • @Axel Donning:

        Naja, das Problem bleibt einfach das Laubholz schlechter zu verwerten ist als Nadelholz. Klar das geht, aber das gros des verbauten Holzes ist Nadelholz und wird es auch bleiben. Laubholz ist in langen geraden Dimensionen nicht ausreichend vorhanden. Und ja, das lässt sich leimen, wird ja auch gemacht, ist aber teurer und vor allem kein Naturbaustoff mehr und müsste eigentlich als Schadstoff entsorgt werden. Leimholz wird mit Polyurethan verklebt, eine 1A Dioxinquelle wenn`s brennt.



        Die praktische Konsequenz ist aber wenn der deutsche Wald kein Nadelholz liefert, dann kommt es eben aus dem Ausland. Das ist jetzt schon zu großen Teilen so, wenn wir nur noch Buchen pflanzen wirds aber noch mehr....



        Eichen und Winterlinde werden nie Bauholz liefern, bestenfalls Furnierholz. Zu langsam wachsend bzw. zu weich, das wird eine Nische bleiben.