piwik no script img

Zerstörung des Amazonas-RegenwaldsKli­ma­klage gegen Bolsonaro

Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen wollen Brasiliens Präsidenten wegen Umweltzerstörung vor Gericht bringen – und damit einen Präzedenzfall schaffen.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro soll sich vor Gericht verantworten Foto: Adriano Machado/reuters

Berlin taz | Was die Menschheit mit dem Planeten anrichtet, ist für Inger Andersen ein „selbstmörderischer Krieg gegen die Natur“. Das sagte die Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen auf dem Weltnaturschutzgipfel, der diese Woche im chinesischen Kunming stattfindet. Die Erde, schwingt da mit, wird beispielsweise durch die Klimakrise nicht untergehen. Sie wird aber vielleicht unbewohnbar oder zumindest viel weniger lebenswert für alle möglichen Arten, allen voran die Menschen.

Mit dem Verweis auf die Menschheit als Ganzes will sich die neue NGO Allrise aus Österreich aber nicht zufriedengeben. Sie will diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die aus ihrer Sicht persönliche Verantwortung tragen. In einem ersten Schritt haben die Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen deshalb mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe jetzt Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt.

Der schwerwiegende Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Damit stünde die Umweltzerstörung auf einer Stufe mit Kriegsverbrechen und Genoziden.

Konkret geht es um die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds, denn die Abholzungsquote ist seit Bolsonaros Amtsantritt in die Höhe geschossen. Der Wald gilt als grüne Lunge der Erde. Seine Böden und Bäume bieten Lebensraum für Zehntausende Arten und speichern Massen an Kohlenstoff.

Bolsonaros politische CO2-Bilanz nachverfolgt

Immer wieder gibt es Studien, die nahelegen, dass der Wald durch die massive Rodung zur Treibhausgasquelle werden könnte. Dann würde er mehr CO2 abgeben, als er Kohlenstoff bindet. Ein natürlicher Verbündeter beim Klimaschutz würde also zum mächtigen Gegner.

„Die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds betrifft uns alle – die Bevölkerung und insbesondere indigene Gruppen vor Ort, aber durch den Klimawandel auch die Menschen weltweit“, sagte Allrise-Gründer Johannes Wesemann am Dienstag bei der Vorstellung der Klage. „In unserer Klageschrift belegen wir, dass Bolsonaros Handeln in direktem Zusammenhang steht mit den negativen Folgen der Klimakrise.“

Das geht aufgrund der immer besseren Methoden der Attributionswissenschaft, einem Strang der Klimaforschung. Der ist spezialisiert darauf, den Anteil des Klimawandels an bestimmten Ereignissen zu untersuchen. An der Formulierung der Klage waren auch einige der führenden Köpfe der Disziplin beteiligt, vor allem die Klimatologin Friederike Otto, die gerade von der Universität Oxford ans Londoner Imperial College gewechselt ist.

Ihr ebenfalls beteiligter Kollege Rupert Stuart-Smith von der Uni Oxford erklärte bei der Vorstellung der Klage, mit welchen wissenschaftlichen Fakten der Vorwurf untermauert ist. „Wir erwarten, dass die CO2-Emissionen durch die Rodungen weiter steigen, solange Bolsonaro Präsident ist, aber in den bisherigen vier Jahren Amtszeit ist er schon für 1,7 Milliarden Tonnen an zusätzlichen Emissionen verantwortlich.“

Es geht also nicht um Brasiliens Gesamtemissionen, sondern nur darum, was Bolsonaros Regenwald-Politik auslöst. Zum Vergleich: Aufs Jahr heruntergerechnet ist das mehr, als Großbritannien aktuell insgesamt pro Jahr verursacht. Der Klage nach ist zu erwarten, dass Bolsonaros Politik zu Treibhausgasemssionen führt, die letztlich in den kommenden 80 Jahren 180.000 Menschen an Hitze sterben lassen.

Weltgesundheitsorganisation warnt vor Klimakrise

Dass der Klimawandel tödlich ist, zeigt auch eine neue Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die sich dabei allerdings nicht konkret auf Brasilien bezieht. Der Klimawandel ist demnach die größte Bedrohung für die Gesundheit der Menschen. Pro Jahr würden fast sieben Millionen Menschen allein an den Folgen von Luftverschmutzung sterben, heißt es in dem Bericht.

Hitzewellen und Überschwemmungen beschädigten und vernichteten Anbauflächen, Ernten und Viehbestände und führten somit zu Hunger. Zudem führten steigende Temperaturen zu einer weiteren Verbreitung bestimmter Krankheiten wie Malaria. Hohe Temperaturen könnten auch die mentale Gesundheit beeinträchtigen. Menschen litten unter Angst und Depressionen.

Die Klimaklage gegen Brasiliens Präsidenten Bolsonaro wird jetzt erst einmal vom Internationalen Strafgerichtshof geprüft. Auch wenn sie angenommen wird, kann es noch Monate oder Jahre dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. „Das kann dauern“, sagte die Juristin Maud Sarlieve, die die Klage begleitet. Genau wisse man es nicht.

Auch die Konsequenzen für Bolsonaro im Falle eines Klageerfolgs sind noch nicht klar. „Wir wollen einen Präzedenzfall schaffen“, erklärt Johannes Wesemann.

Es gehe nicht unbedingt darum, wie viele Jahre man für das bekommt, was Wesemanns Gruppe als Umweltverbrechen anerkannt sehen will – sondern eben erst einmal darum, ob es denn anerkannt werde, ohne dass vorher extra noch der Straftatbestand des Ökozids geschaffen wird. Das gilt als schwierig, denn dafür müssten zahlreiche Staaten zustimmen – also die Regierungen, die danach auf der Anklagebank landen könnten.

Allrise jedenfalls will es denn auch nicht bei der einen Klage belassen. „Es gibt mehrere Bolsonaros, es gibt mehrere Amazonas“, meint Wesemann. „Wir haben einiges zu tun.“ (mit epd)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    " In einem ersten Schritt haben die Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen deshalb mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe jetzt Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt."

    Ein überfälliger Schritt!!!

  • Eine internationale militärische Koalition sollte Brasilien besetzen und den Regenwald zu einem militärischen Speergebiet machen. Die illegale Abholzung und ebenso die Aufforstung ließe sich mit Drohnen kontrollieren.



    Das Leben in den Großstädten und an der Küste kann ja "normal" unter Führung der nationalen Regierung weiterlaufen. Aber der Regenwald des Amazonas wird enteignet und zu internationalem Besitz erklärt, weil er von globalem Interesse ist.

    • @Paul Schuh:

      Es würde auch reichen wenn Bill Gates, Jeff Bezos, und Elon Musk das Land aufkaufen würden. Letztere könnten sich damit deutlich dienlicher gegenüber d. Weltgemeinschaft machen als durch irgendwelche sinnfreien Weltraumtouristik-Schnapsideen. ;-)

  • Die Frag muss erlaubt sein: Wer hat Señor Bolsonaro eigentlich gewählt? Denn im Grunde hat er vor seiner Wahl nichts anderes versprochen, als er jetzt sagt und tut. Insbesondere, dass Klima- und Umweltschutz ein Luxusproblem für Träumer und Spinner, aber ohne praktische Bedeutung sei!



    Da wäre es doch einfacher gewesen, ihn gar nicht erst zu wählen, statt jetzt zu versuchen, ihn irgendwie aus dem Amt zu drängen (mit zweifelhaften Erfolgsaussichten)!

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Vielleicht sollte man auch die Griechen mal anklagen, wegen unterlassener Aufforstungsprogramme.



      Nirgendwo im Mittelmeerraum sieht es schlimmer aus.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Gewählt hat ihn das dumme Volk, wer sonst. Die haben halt seinen Heilsversprechen geglaubt. Ist das bei uns anders?

    • @Pfanni:

      Wir haben keine Weltregierung. Daher sind die Länder und ihre Bevölkerung für ihr eigenes Land zuständig. Genauso gut könnte man auch die geschichtliche Rodung d. Wälder hier in Deutschland anführen, und auch darauf bestehen wieder aufzuforsten inkl. Moore etc.

      Sprich, warum wählen die Deutschen keine Partei, die für sowas einsteht, sondern irgendwelche SPDs, Unionen, FDPs, oder AFDs ... alles Parteien deren primäre Ziele wenig bis nix mit Umwelt- u. Klimaschutz zu tun hat. ;-)

    • @Pfanni:

      Der Klimawandel und das Artensterben, beides auch durch das Roden des brasilianischen Regenwaldes verursacht, ist ein globales Problem, das betrifft nicht nur die brasilianische Bevölkerung die evtl. Bolsonaro gewählt hat.

  • Finde ich super, das dies angegangen wird.

    Desweiteren ist mir ein Thema wichtig, dass genauso dringend mehr Beachtung verdient.

    Unser Plastikmüll:



    Ich finde es empörend, dass wir einerseits dazu gezwungen werden, Plastikmüll in gelbe (natürlich Plastik) - Säcke zu stopfen unter der Annahme des Recycling, dieser dann aber mit Containerschiffen , betrieben mit besonders giftigen Schweröl, um die halbe Welt geschilppert wird, um dann entweder auf eine Halde gekippt oder verbrannt zu werden...,

    Und die Recycling Firmen verdienen auch noch viel Geld mit diesem Schwachsinn

    Da wäre es sogar Umwelt freundlicher, dass ich mein Müll direkt bei mir im Garten hinterm Haus verbrenne..



    *************

    All diese Geschäftemacher gehören, mitsamt den Politikern, die dies verantworten, bestraft.

    *************"



    Und sicher nicht mit Knast,



    Gefängnisse haben selten gutes bewirkt.

    Sondern sie sollten zum Beispiel dazu gezwungen werden, den Rest ihres Lebens auf einer Mülldeponie zu leben und Abfall zu sortieren....

    So Wie viele Kinder in der sog. Dritten Welt es tun müssen, um sich und ihre Familien vorm verhungern zu bewahren....

    Das Vermögen der Täter wird eingezogen, um damit Umweltschäden zu verhindern oder zu beseitigen.

    Ausgleichende Gerechtigkeit....

  • Kaum zu glauben, exakt so, wie vor ein paar Stunden im österreichischen “Standard”: Dick wird berichtet, dass ein Herr Soundso und seinen neugegründete NGO den juristischen Kampf um die Zukunft der Welt gegen den genozidären und ökozidären Bolsocoronazi aufgenommen haben.



    Und kein Wort davon, dass unsere Indigenen genau das, mit den selben Argumenten und juristischen Mitteln bereits vor Monaten getan haben. Siehe:



    www.france24.com/e...s-against-humanity



    apiboficial.org/20...-genocide/?lang=en

    Eine Spur weniger Eurozentrismus – und ich bemühe mich, kein anderes Wort dafür zu verwenden/unterstellen –, und eine Spur mehr medialer Inklusion indigenem Insider-Wissens und Vor-Ort-Aktionen täte gut. Ja, auch der taz und ihren LeserInnen.