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Streit um Kurs gegen AfDSachsens CDU im Clinch mit sich

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt dem der Ostbeauftragten Marco Wanderwitz Mitschuld am schlechten Abschneiden der CDU.

Michael Kretschmer und Dirk Wanderwitz gemeinsam im Bundestagswahlkampf in Taucha Foto: Jan Woitas/dpa

Vor zwei Wochen sind Marco Wanderwitz, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretmscher noch gemeinsam in einem Museum im Oelsnitz im Erzgebirge gewesen, um über die Kulturhauptstadt Chemnitz zu diskutieren. Dazu war für die beiden sächsischen Christdemokraten Polizeischutz notwendig. Denn vor der Tür hatten sich die rechtsextremen „Freien Sachsen“ postiert, insgesamt mehr als hundert Leute. Wanderwitz hat davon ein Foto gepostet. „Vor der Tür blanker Hass“, hat er dazugeschrieben.

Am Tag danach hatte er der taz von seiner Sorge erzählt, dass das Land kippen könnte. Und berichtet, dass Kretschmer und er beim Umgang mit Rechtsradikalen von der AfD und anderen „zu 99 Prozent auf einer Linie“ seien. Nur liege die Schmerztoleranz des Ministerpräsidenten höher – und dessen Herangehensweise sei eine andere: „die Gesprächsangebotsdauerschleife“. Er selbst dagegen sei „in den Kampfanzug“ gestiegen. Soll heißen: Wanderwitz ist für klare Abgrenzung und geht alles Rechtsradikale hart an. Was ihm eine Menge Hass der Rechten einbringt.

Seit der Bundestagswahl aber, bei der die AfD in Sachsen stärkste Kraft geworden und die CDU nur auf Platz drei gelandet ist, ist es mit der vermeintlichen Einigkeit zwischen Kretschmer und Wanderwitz vorbei. Der Ministerpräsident hat nicht nur Kanzlerkandidat Armin Laschet, sondern auch Wanderwitz, dem Spitzenkandidaten der sächsischen CDU, eine Mitschuld an dem schlechten Abschneiden der CDU in Sachsen gegeben.

Wanderwitz hatte vor einem halben Jahr gesagt, die Ostdeutschen seien teilweise so „diktatursozialisiert“, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen seien. Ein Teil der Bevölkerung, konstatierte er, habe „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“, der größte Teil der AfD-Wähler:innen sei für die Demokratie verloren.„Das war sicher nicht hilfreich“, sagte Kretschmer jetzt der Leipziger Volkszeitung mit Blick auf den Wahlausgang. Menschen hätten sich stigmatisiert gefühlt.

Direktmandat ging an AfD

Auch soll Kretschmer nach Medieninformationen verhindert haben, dass Wanderwitz wieder Chef der sächsischen Landesgruppe im Bundestag wird, in das Amt wurde am Montagabend der Zwickauer Carsten Körber gewählt. Damit ist Wanderwitz, der wie andere sächsische Christdemokraten sein Direktmandat an die AfD verlor, deutlich geschwächt.

Wanderwitz hatte gesagt, viele Ostdeutsche seien noch nicht in der Demokratie angekommen

Während manche in der CDU der Ansicht sind, Wanderwitz habe alle Ostdeutschen beleidigt und der Partei geschadet, gibt es in der Zivilgesellschaft auch viele, denen Wanderwitz als einer der wenigen in der Ost-CDU gilt, der einen ganz klaren Abgrenzungskurs zur AfD und anderen extrem Rechten fährt – und damit die Demokratie verteidigt.

„Wenn die CDU in Thüringen und Sachsen wieder Boden gutmachen und die Demokratie stärken will, muss sie sich wie Wanderwitz gegen Rechtsextreme in der AfD und Co. und deren antidemokratische Ressentiments klar abgrenzen“, schrieb zum Beispiel der Historiker Jens-Christian Wagner, der die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar leitet, auf Twitter.

Anbiedern, so Wagner weiter, helfe der AfD und schade der CDU – „siehe Maaßen“. Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der genau diesen Anbiederungskurs verfolgt, war bei seiner Kandidatur um ein CDU-Direktmandat in Südthüringen gescheitert – und auf Platz drei hinter SPD und AfD gelandet.

„Wanderwitz spricht in seinem politischen Resonanzraum aus, was in der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Ostdeutschland seit langem Konsens ist“, meint auch David Begrich, Rechtsextremismusexperte vom Verein Miteinander in Magdeburg. Und schrieb weiter auf Twitter: „Dafür wird er politisch bestraft. Zu Unrecht.“

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8 Kommentare

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  • Das Problem in Deutschland ist, daß man zu schnell in politischen Schablonen denkt.



    Ich glaube nicht, daß der Anteil der AfD Wähler in Sachsen gleichbedeutend ist mit dem Anteil an Rechtsradikalen in der Bevölkerung.



    Richtig dürfte aber sein, daß man dort ein andere Meinung zu der Frage hat wie ethnisch und kulturell homogen die eigene Gesellschaft sein sollte.

    Wenn man das aber z.B. mit der Meinung in Japan vergleicht, so wären die Sachsen, in diesem Vergleich, noch sehr liberal. In Japan sieht man es z.B. noch viel strikter.



    Weder Japaner noch Sachsen aber sind per se "rechtsradikal".

    Wie wählen aber leider rechtsradikal, wenn man sie in diese Ecke drückt, ich denke da ist auch ein gutes Stück Trotz dann im Spiel.

    • @Paul Rabe:

      Trotz ist das Verhalten eines Kleinkindes, nicht das eines erwachsenen, mündigen Bürgers, der sich als gleichberechtigter Teil eines demokratischen Gefüges wahrnimmt. Wer aus Trotz wählt (wem gegenüber eigentlich? Dem Staat, der Politik, den Medien, der Wissenschaft?), der sieht sich als Untertan, der gegenüber der Obrigkeit das Verhältnis hat, das Kleinkinder zu ihren Eltern haben. Das ist genau das Verhältnis zum Staat, das Diktaturen ihren Bürgern vermitteln. Da kommt genau die von Wanderwitz erwähnte Diktatursozialisierung ins Spiel.

      Übrigens finde ich den Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft im Europa des 21. Jahrhunderts schon einigermaßen faschistoid, Homogenität bedeutet, dass alle die anders sind aussortiert werden.

  • Beifall bekommt Wanderwitz nur von Menschen, die ohnehin nicht die CDU wählen. Insofern glaube ich schon, dass er mit seinen Äußerungen mehr Schaden als Nutzen verursacht hat. Gerade in seiner Funktion als Ostbeauftragter der Bundesregierung sollte er versuchen zu einen und keinen zusätzlichen Keil zwischen die Menschen zu treiben mit pauschalen Beurteilungen, die ich mir so zuletzt vor 20 Jahren von „Wessis“ anhören musste.

    • @Carl Albert Rotwang:

      Inwiefern ist die Aussage von Wanderwitz, dass Menschen in Ostdeutschland, die rechtsradikale Parteien wählen, teilweise diktatursozialisiert und nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen seien, eine "pauschale Beurteilung" der Ostdeutschen? Da muss man doch schon nach Gründen suchen, sich in seiner Eigenschaft als Ostdeutscher beleidigt und zurückgesetzt zu fühlen, wenn man sich dadurch (von einem anderen Ostdeutschen!) pauschal verunglimpft fühlt.



      Da es im Osten keine besonderen Probleme mit Migranten gibt, ist eigentlich klar, dass die Stärke der AfD im Osten, insbesondere bin Sachsen und Thüringen, strukturelle Ursachen haben. Es ist naheliegend und auch wissenschaftlich untersucht, dass die Diktatursozialisierung (und die Diktatursozialisierung der Eltern) dabei eine Rolle spielt.



      Daneben hat sicher auch die große Abwanderung aus dem Osten Einfluss, weil dies überdurchschnittlich viele gut gebildete, eigeninitiative und weltoffene Menschen betrifft, so dass deren Anteil in der verbleibenden Bevölkerung geringer ist.



      Wahrscheinlich wird man mir mit etwas Fantasie aus diesem Satz auch die Aussage drehen können, der böse Wessi sagt, alle Ossis sind dumm. Aber so kann ein ernsthafter politischer Diskurs nicht funktionieren.

      • @Ruediger:

        Die Story klingt gut, läßt sich aber nicht verifizieren (war übrigens bei Trump genauso)



        Die AfD wird in Sachsen auch von gebildeten Menschen gewählt, insbesondere wenn man anerkennt, daß eine nicht-akademische, berufliche Bildung eben auch "Bildung" ist.

        • @Paul Rabe:

          Deswegen habe ich geschrieben "gut gebildete, eigeninitiative und weltoffene Menschen".

  • Wanderwitz’ These, die Ostdeutschen seien „diktatursozialisiert“ mag dem CDU-Wahlkampf in Sachsen geschadet haben, falsch ist sie deshalb aber nicht … der Kandidat legt lediglich seine Finger in die Wunden der deutschen Einheit.



    Nun wird die CDU in den ostdeutschen Bundesländern zunehmend bedeutungslos, auch aufgrund ihrer mangelnden Abgrenzung gegen Rechts. Der Part, die AfD zu jeder Zeit und an jedem Ort als die demokratieverachtende Partei zu stellen, die sie ist, kommt jetzt der wiedererstarkten SPD sowie den anderen zivilgesellschaftlichen Kräften zu … wenn die Einheit der Deutschen nicht nur auf dem



    Papier steht, muss der Westen diese im Osten unterstützen.

  • Ich sach's mal so: Die Rumeierei von Michael Kretschmer war offensichtlich für die CDU auch nicht hilfreich.