piwik no script img

Zukunft der MobilitätAntiquiertes Denken

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Regierungskommission „Zukunft der Mobilität“ hat ihren Abschlussbericht vorgestellt. Er zeigt, wie wertvolle Zeit vergeudet wurde.

Ab in die Zukunft: In Hannover entsteht im Rahmen der Verkehrswende ein Velorouten-Netz Foto: Julian Stratenschulte/dpa

E s ist ein frappierendes Dokument antiquierten Denkens: Der Abschlussbericht der Regierungskommission „Nationale Plattform der Zukunft der Mobilität“ dokumentiert auf ernüchternde Weise, wie die Große Koalition wertvolle Zeit für die Verkehrswende vergeudet hat.

Statt Formen der Fortbewegung jenseits des Autos zu fördern oder neue zu entwickeln, ist der individuelle Pkw der bisherigen Regierung und ihrer Mobilitätskommission immer noch heilig. Wer allen Ernstes unter „Zukunft der Mobilität“ einzig und allein den Antriebswechsel weg vom benzin- oder dieselbetriebenen Fahrzeug sieht, steuert geradezu in den Verkehrskollaps.

Dabei gibt es mehr als genug Ideen für eine neue Mobilität. Wissen­schaf­tler:innen, Organisationen und Bür­ge­r:in­­nen­in­itia­ti­ven arbeiten daran, den Autoverkehr zurückzudrängen und so Städte lebenswerter und Fortbewegung klimafreundlicher zu machen, und haben vielversprechende Konzepte entwickelt.

Aber Bundesverkehrsminister Scheuer hat sich für die Regierungskommission vor allem Ex­per­t:in­nen ohne die nötige Fantasie für eine andere Mobilität geholt. Scheuers Wis­sen­schaft­le­r:in­nen konnten sich nach eigener Aussage vor drei Jahren, also zu Beginn ihrer Kommissionstätigkeit, nicht vorstellen, dass der Absatz von E-Autos so stark steigen würde, wie derzeit zu beobachten ist.

Es braucht Weitblick

Diese Leute sind offensichtlich die falschen, um Mobilität nach vorne zu denken. Ihr Abschlussbericht ist nichts wert, denn er offenbart einen Tunnelblick, vom dem sich selbst manche Au­to­mana­ge­r:in­nen inzwischen befreit haben.

Wer etwas für die Mobilität der Zukunft tun will, braucht Weitblick. Dabei geht es auch um technische Fragen, denn ohne Modernisierung ist der Ausbau öffentlicher Verkehrssysteme nicht möglich. Aber vor allem geht es um den Verteilungskampf von Flächen und Ressourcen, den die Autofahrenden zu lange für sich entschieden haben. Wie dieser Kampf weitergeht, darauf wird die Durchsetzungsfähigkeit der Autofahrerpartei FDP in der kommenden Bundesregierung einen Hinweis geben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es braucht nicht nur Weitblick sondern v.a. auch gute Leute! Wo sind die?

    Nach dem BER-Desaster nun das:



    Mit den öffentlichen benötigt man aus dem Südwesten Berlins ca. 2 Stunden zum Flughafen!!!!! (Von Potsdam aus nur 1 h).



    Man fährt also erstmal in die entgegengesetzte Richtung zum Zoo, dann nach Osten und im großen Bogen zum BER. Der Zug fährt nach Rudow teilweise in Schrittgeschwindigkeit! Warum?

    Geht es noch bekloppter?



    Der Bux X10 (z.B. ab Z-Eiche) fährt ja bereits nach Teltow- also Richtung Flughafen. Von hier aus könnte er theoretisch weiter zum BER fahren - Ein paar Busse mehr müsste man halt einsetzen. Ansonsten sind ja alle Haltestellen bereits vorhanden. Zeitersparnis: Wenigstens 1 Stunde!!!



    Der/die Verantwortliche bei der BVG sollte meiner Ansicht nach entlassen werden, wegen Untätigkeit und Unfähigkeit. Politikerversager ebenso.

    Genauso unsinnig ist das nach wie vor ungelöste Problem der Berliner und Brandenburger Taxis am BER. Auch Betrüger und Abzocker tummeln sich innerhalb des Flughafengebäudes und versuchen zu doppelten Preisen Kunden abzuwerben.



    DAS ALLES WÄRE EINFACH ZU LÖSEN !



    Übrigens der BER ist alles andere als ein großer Wurf (im Gegensatz zum Berliner Hauptbahnhof).



    Zu verschachtelt, zu unübersichtlich, wenn man an Bord will, bilden sich Schlangen auf den Durchgängen - das behindert den Durchgang! Völlig irre! Wer plant so einen Quatsch?



    Ja Brandschutz, das war offenbar das einzige Thema, mit dem man sich monatelang befasst hat.



    Warum müssen die Preise in den "Restaurants" und Freßständen völlig überteuerert sein? Wer genehmigt sowas? Das ist eine Gelddruckmaschine (wenn der Flughafen geöffnet hat).

    Auch die Parkplätze um den BER haben kräftig angezogen (nur wenige Anbieter).



    Das macht alles keinen Spaße mehr. Vieleicht ist es einfacher mit dem Auto zum Flughafen Leipzig-Halle zu fahren und von dort abzufliegen. Ca. 1,5 h mit dem Auto. Parkplätze dort ab 41 Euro für 10 Tage! Hier 80 bis über 100 €.

  • Auf dem Land braucht echt niemand eine Verkehrswende. Schön wäre aber, wenn mehr gegen Ortsdurchfahrten und Raser unternommen werden würde.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Nobodys Hero:

      Ortsumfahrungen ja gerne. Die Politiker brauchen Jahre für so etwas!

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Noch mehr Straßen, noch mehr Versiegelungen? Ist nicht Ihr Ernst oder?

  • @CHINAMEN:

    Ich sehe das anders: wenn wir aus dieser Krise einigermassen rauswollen, dann wird es nicht reichen, die vorhandenen Verbrenner 1:1 durch e-Autos zu ersetzen.

    Es müssen deutlich weniger werden.

    Stadt und Land über einen Kamm zu scheren ist da absolut kontraproduktiv. Das grösste (und früheste, es ist ja nicht so, dass wir hier viel Zeit hätten) Reduktionspotenzial bieten natürlich die Ballungszentren [1]. Also müssen wir da mit anderen Bewegungsformen anfangen.

    Es ist also höchste Zeit, den Autos das Leben in der Stadt schwerer zu machen -- und gleichzeitig den Menschen dort bessere Alternativangebote zu machen.

    Das heisst nicht, dass das Land vergessen werden soll, dort wird aber das Tempo gemächlicher sein müssen.

    [1] Aus verschiedenen Gründen: kleinere Distanzen, mehr vorhandene ÖPNV-Infrastruktur, etc.

    • @tomás zerolo:

      Was Sie beschreiben, halte ich für den richtigen Ansatz.



      Wer den Autoverkehr fördert, wird Autoverkehr ernten. Eine alte Binsenweisheit der Stadtplaner.

      Die Substitution der Verbrenner durch E-Fahrzeuge löst weder das Flächenproblem, noch das Verkehrsflusssystem und schon garnicht das Ressourcenproblem, d.h. den Raubbau an Rohstoffen. Lediglich die CO2-Emissionen kommen besser weg, nicht aber der Energieverbrauch.

      Auf dem Land ist es übrigens so, dass selbst in den kleinsten Dörfern immer mehr Neubaugebiete ausgewiesen werden. Ist ja auch wirtschaftlich billiger. Da raten wir mal, wo die Bewohner arbeiten, einkaufen etc. und wie sie dort hinkommen.

      Ja, ja, die Transformation ist von hinten bis vorne nicht durchdacht, oder man könnte sagen, es gibt keine Transformation, lediglich mehr Windräder und Greenwashing.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Es den Autofahrern schwerer zu machen ist kein wirklich praktikabler Vorschlag. Ich meide wo ich kann, die Fahrt mit dem PKW in die Innenstadt. Da kauf`ich lieber hier am Stadtrand ein oder bestell übers Netz. Da freuen sich die Geschäftsleute in der Innenstadt.

      Mehr P&R Parkplätze sowie mehr Parkhäuser in der Innenstadt ist konkret und praktikabel. Wenn dies klappt, kann man über eine höhere Beteiligung der Firmen an den Parkgebühren nachdenken (Pendler!)



      Wie es mit dem ÖPNV wirklich nicht geht, habe ich beschrieben in Sachen Zugang zum BER.



      Alles Versager und Dummschwätzer und leider fast immer an der Lösung vorbei.



      Fröhliches Malen auf den Hauptverkehrsstraßen, wie etwa die Kantstraße. Dort gibt es ja auch so wahnsinnig viele Radfahrer.

    • @tomás zerolo:

      Ich habe eine Angabe gefunden, dass 77% der Bevölkerung in Deutschland in Städten lebt. Die verbliebenen 23% sind Landeier. Und das bietet Chancen. In Städten ist ein Nahverkehr einfacher und kostengünstiger zu gestallten als wie auf dem Land. Zum Nahverkehr zählen, Zug, Bus, S-Bahn, U-Bahn, Fahrrad, Car-sharing, Taxi, zu Fuss gehen. Das alleine sind schon acht Variablen die in einer Nahverkehrsgleichung viele unterschiedliche Lösungen ermöglichen würden. Individuelle Lösungen für die verschiedenen Städte und Gemeinden. Da würde ich gangbare Wege sehen, in individuell zugeschnittenen Nahverkehrs Lösungen. Die eine noch verbliebene und sehr wichtige Variable ist der Mensch. Der sollte diese Lösungen annehmen, Geduld lernen auch wenn mal Wartezeit entsteht und überhaupt etwas cooler werden.

    • @tomás zerolo:

      Wieso soll es fürs Klima auf dem Land gemächlicher werden? So groß wäre eine Sprit/Strom Einsparung durch reduzierte Geschwindigkeit nicht.

      Und wenn, warum dann mehr ÖPNV Ausbau in Ballungszentren? Die Nutzer könnten doch auch morgens eine Bahn früher und abends eine später fahren, oder mit dem Rad. Wird dann halt dort auch gemächlicher, was als Synonym für längere Wegzeiten steht.

      Alles entschleunigen.

  • "und so Städte lebenswerter und Fortbewegung klimafreundlicher zu machen"



    Das ist meines Erachtens eine sehr beengte Betrachtungsweise, da Mobilität hauptsächlich im Zusammenhang mit der Stadt besprochen wird. Ich weiß, die taz ist eine Berliner Zeitung, also eine Stadt Zeitung. Dennoch wenn sie sich an solche bundesdeutsche Themen versucht, dann sollte sie nicht vergessen, dass Deutschland nicht nur aus Städten besteht. Mobilität auf dem Land ist was anderes als Mobilität in einer Großstadt. Im Grunde genommen gibt es da nicht "DIE" Lösung für alle. Und ich muss leider der Autorin recht geben, wenn sie nur Spott für so eine Kommission übrig hat da diese wahrscheinlich von Lobbyisten, 'share holdern' und Verharmlosern geprägt ist. Scheuer halt ....

  • "Antiquiertes Denken" in der Tat. Ich möchte noch vorschlagen: "Magisches Denken".

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Yeah! Magnetschwebebahn vom BER in die City in weniger als 20 Minuten! Keine alten Bummelzüge (R7)!



      In Santjago de Chile bedient man sich innerstädtisch sogar der Seilbahn (von Schweizern gebaut?).



      Aber eben nicht in Berlin - die Stadt der Versager!