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Widerstand gegen Tagebau Garzweiler IIDer neue Hambi heißt Lützerath

RWE will das nordrhein-westfälische Dorf Lützerath abreißen, um dort Braunkohle fördern. Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen machen es zum Kampfplatz.

Öffentlichkeitswirksame Unterstützung: Bauer Heukamp (l.) mit Neubauer und Thunberg (r.) Foto: Henning Kaiser/dpa

Hamburg taz | Noch 1 Tag, 13 Stunden und 55 Minuten zeigt der Countdown auf der Homepage der Initiative „Lützerath lebt“ kurz an, bevor er weiter runterzählt. So lange dauert es an diesem Mittwochmorgen, bis in Deutschland die Rodungssaison beginnt. Und die könnte das Ende des Dorfs Lützerath in Nordrhein-Westfalen besiegeln.

Der Energiekonzern RWE will dort den Tagebau Garzweiler II vergrößern und dafür sechs Dörfer abreißen, als nächstes Lützerath. Die meisten Häuser sind schon weg, die Be­woh­ne­r*in­nen umgesiedelt. Nur ein Bauer hält die Stellung: Eckhard Heukampf hat als einziger Bewohner nicht an RWE verkauft. Allein ist er trotzdem nicht: An seiner Seite steht die Klimabewegung, die Lützerath zur „ZAD“ erklärt hat – zur „Zone a defendre“, also zur Zone, die es zu verteidigen gilt.

„Es gibt wenige Orte im deutschsprachigen Raum, an denen die lokale und globale Zerstörung der Umwelt so sichtbar wird wie hier“, sagt Jësse Dittmar. Die 36-jährige Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ wohnt seit über einem Jahr nahe der Abbruchkante des Tagebaus in einem umgebauten Schäferwagen aus Holz. Sie sei hergezogen, um der Klimakrise entgegenzuwirken, sagt sie. „Die Grenze zur Einhaltung des Pariser Abkommens verläuft direkt unter unseren Füßen.“

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag der Initiative „Alle Dörfer bleiben“ ausgerechnet, dass das Treibhausgasbudget, das Deutschland zur Verfügung steht, wenn es mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit das 1,5-Grad-Ziel erreichen will, noch die Abbaggerung von 200 Millionen Tonnen Braunkohle erlaubt. RWE will aber bis 2038 noch 780 Millionen Tonnen aus Garzweiler I und II holen.

Die Prominenz war schon da

Um das zu verhindern, versuchen Dittmar und andere, möglichst viele Menschen nach Lützerath zu mobilisieren. Am Wochenende war die schwedische Aktivistin Greta Thunberg hier und hat sich mit ihrer deutschen Mitstreiterin Luisa Neubauer an der Abbruchkante fotografieren lassen. „Defend Lützerath, defend 1,5° C“ stand auf den Schildern, die sie in die Kameras hielten. Die Seawatch-Kapitänin und Politaktivistin Carola Rackete ist ebenfalls vor Ort und mobilisiert. Lützerath soll der neue Hambi, der neue Danni werden.

Die heiße Phase der Räumung könnte jeden Moment losgehen: Wenn ab 1. Oktober die Schonzeit für Bäume in Deutschland vorbei ist, wird RWE große Grundstücke absperren und alles abreißen, was dort noch steht, befürchten die Aktivist*innen: verlassene Häuser, Scheunen und einige Bäume drum herum.

Ab diesem Mittwoch laden sie deshalb zu einer Skillshare-Woche ein, in der alle Interessierten lernen können, was man wissen muss, um ein Dorf zu besetzen: Baumhäuser bauen, klettern, Knoten machen, sich irgendwo einbetonieren oder festketten, Erste Hilfe.

Showdown ab Allerheiligen

Ernst wird es vermutlich am 1. November. Dann wird die sogenannte Grundabtretung gültig, also die Enteignung von Bauer Heukamp, die RWE bei der Bezirksregierung Arnsberg beantragt hat. Die Bezirksregierung, die für Bergbaugenehmigungen in der Region zuständig ist, gab dem Antrag statt. Heukamp klagt noch dagegen, aber eine aufschiebende Wirkung hat das nicht. Die Ak­ti­vis­t*in­nen fürchten, dass RWE Fakten schafft, bevor ein Gericht entschieden hat. Ab dem 29. Oktober laden sie deshalb zu einem „Unräumbar-Festivall“ ein. Anschließend sollen alle vor Ort bleiben, solange das nötig ist. Auch Ende Gelände mobilisiert nach Lützerath.

Was Heukamp macht, wenn der Protest nicht erfolgreich ist, dem er eine große Wiese zum Zelten und ein Mietshaus zur Verfügung gestellt hat, wisse er noch nicht, sagt er. „Es gibt keinen Plan B.“ Der Kampf gehe an die Substanz, aber aufgeben werde er deshalb nicht. „Es geht hier um mehr als mein Haus und Hof. Es geht um das Leben zukünftiger Generationen.“

Auch Dittmar und andere Ak­tivs­t*in­nen wollen mehr, als das Dorf zu erhalten – sie wollen dort etwas Neues aufbauen: „Eine solidarische Gemeinschaft, die nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist und nicht nach der Wirtschaft“, sagt sie. Das müsse sich auch nicht auf Lützerath beschränken. RWE will fünf weitere Dörfer in der Nachbarschaft abbagern: Keyenberg, Berverath, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich. Auch dort wohnen noch Menschen, die sich gegen eine Umsiedlung wehren.

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11 Kommentare

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  • Es wäre denkbar, das Giga Potenzial der RWE Bahn zu nutzen um in der Region, den größten Huckepack Container Verschiebebahnhof Europas zu bauen…



    Auf der kargen Scholle wächst die Distell ganz gut. Könnte man Maschinenöl und Nahrung gewinnen.



    Oder doch lieber Golfplätze mit Hurrican on top, Also RWE, so what?



    Keep thinx simple

  • Der neue Hambi heißt Lützerath

    ...und der neue Danni heißt Wuhlheide!

    TVO verhindern!

    www.bund-berlin.de...ld-tvo-verhindern/

  • Auch wenn er kämpft, der letzte Lützerather heißt nicht Heukampf, sondern Eckardt Heukamp.

  • Also, dass der Bauer einen Eilantrag auf Wiederherstellung der Aufschiebenden Wirkung stellen kann, das haben ihm seine Anwälte hoffentlich auch gesagt...

  • > "Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag der Initiative „Alle Dörfer bleiben“ ausgerechnet, dass das Treibhausgasbudget, das Deutschland zur Verfügung steht, wenn es mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit das 1,5-Grad-Ziel erreichen will, noch die Abbaggerung von 200 Millionen Tonnen Braunkohle erlaubt. RWE will aber bis 2038 noch 780 Millionen Tonnen aus Garzweiler I und II holen."

    Das ist alles eigentlich alles, was man wissen muss. Es geht da nicht um ein paar Ökos oder die Interessen von Grünen-Wählern, es geht um uns alle, und die Leute brauchen eine ganz ganz breite Rückendeckung von allen gesellschaftlichen Gruppen.

    Landwirte müssen sich klar machen, dass es bei einem ungebremsten Klimawandel keine Landwirtschaft mehr gibt. Die Klimawissenschaftler warnen ja schon vor einem Zerfall des Golfstroms. Damit bekämen wir Sommer wie in Südspanien oder Arizona und Winter wie in Kanada. Beides keine Gegenden, wo Kartoffeln, Wein oder Mais gedeihen.

    Kirchen müssen sich klar machen, das es dann auch keine Schöpfung mehr gibt, und keinen Garten Eden, den die Erde wie wir sie heute haben, darstellt.

    Wirtschaftsfreunde müssen sich klar machen, dass es am Ende auch keine Wirtschaft geben wird, wie wir sie heute haben.

    Vertreter der von der Automobilindustrie beglückten derzeitigen Wohlstandsregionen müssen realisieren, dass wir die Kohle schleunigst beerdigen müssen, um überhaupt noch Zeit zu haben für eine Umstellung, die Arbeitsplätze erhält.

    Und wer Angst vor hilflosen geflüchteten Menschen hat, oder auch Mitgefühl, darf sich meinetwegen klar machen, dass der Klimawandel globale Flüchtlingsströme auslösen wird, welche die des zweiten Weltkriegs bei weitem übertreffen.

  • Nur das es den meisten weniger um Heimat , also um ein paar abgelegene Dörfer, geht. Von den jungen Aktivisten zieht da keiner hin.

    Der Heimat Begriff ist auch bedenklich, da zb die bayerischen Dörfer damit gerne gegen wka argumentieren.

    Aber ja, die Braunkohle sollte in der Erde bleiben.

    • @fly:

      Das Wendland hat durchaus von den Gegnern des Endlagers, vielfältigem Engagement und kulturellen Aktivitäten, und auch Menschen die sich da nieder gelassen haben, profitiert.

      Und so abgelegen ist Lützerath nicht.



      Erkelenz ist 11 Kilometer entfernt, und es ist keine 20 Kilometer von Mönchengladbach, das immerhin 260000 Einwohner hat, und keine 50 Kilometer von Köln entfernt.

  • Man kann das Engagement dieser jungen Menschen nicht genug ehren. Es ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit, Menchen ihrer Heimat zu berauben. M. E. eines der schlimmsten vom deutschen Staat genehmigten, der Nachkriegsgeschichte. Wie 2021 ernsthaft noch jemand ein Dorf abreißen will wegen Kohle. Da greiftmer sich doch ande Kopp

    • @Nobodys Hero:

      Auch ein Verbrechen an zahllosen Menschen anderswo. Diese Kohle- und Klimapolitik führt völlig vorhersagbar zu Millionen Toten durch Hunger, Hitzewellen und Flüchtlinge. Sie ist nicht besser als Krieg.

      Gerade führen schlechte Ernten schon dazu, dass die Preise für Hartweizen auf das Dreifache gestiegen sind:

      www.n-tv.de/wirtsc...ticle22811129.html

      > "Der Grieß aus Hartweizen hält Nudeln beim Kochen in Form und gibt ihnen den gewünschten Al-dente-Biss. Dafür sorgen hohe Anteile von Gluten und Protein. Durum ist auch der Rohstoff, aus dem die Körner von Couscous und Bulgur gewonnen werden. Die Türkei, der Nahe Osten und Nordafrika sind wichtige Verbraucherländer."

      Man erinnert sich, stark steigende Lebensmittelpreise waren 2008 einer der wichtigsten Auslöser des Arabischen Frühlings.

      Was die Verknappung solcher elementarer Grundnahrungsmittel in Zukunft für die Menschen des globalen Südens bedeuten wird, mag man sich gar nicht vorstellen.

    • @Nobodys Hero:

      Wegen "Kohle" sind einige zu allem fähig. ;-(

    • @Nobodys Hero:

      Das sehe ich aber auch so. Unmöglich diese Abbaggerei samt Häusern, Gärten und Heimat. Diese Braunkohleverklappung könnte relativ schnell durch den Bau von Gaskraftwerken beendet werden. Zwar auch nicht ideal, aber Man hätte dann zumindest Zelt gewonnen und die Dörfer blieben erhalten.