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taz-Themenwoche zu KulturkampfIm Zeichen des Regenbogens

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Ein kleines Sternchen kann gestandenen Mannsbildern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Die taz widmet dem Kulturkampf eine Themenwoche.

Save our pride: Teilnehmer am Berliner CSD am vergangenen Samstag Foto: AdoraPress/C. Spicker

E s ist dies ein Sommer des Regenbogens in Deutschland. Veranstaltungen zum Christopher-Street-Day zeigen Botschafter einer offenen Gesellschaft. Und nicht wenige waren stolz auf ihr Land, als allüberall Regenbogenfarben zu sehen waren, nachdem die Europäische Fußball-Union es verboten hatte, die Münchner Arena in den Farben der LGBTIQ-Bewegung auszuleuchten. Die deutsche Toleranzgesellschaft zeigte dabei mit dem Finger auf Ungarn, das eine homophobe Gesetzgebung auf den Weg gebracht hat, wie man sie aus Putins Russland kennt.

Was hierzulande wie ein bunter Sommerspaß daherkommt, wird anderswo als existenzieller Kampf ausgetragen. Es ist der Kampf um die Zukunft der offenen Gesellschaft. Die ist auch in Deutschland noch immer eine Utopie. Eine Utopie, die starke Feinde hat. Ein kleines Sternchen kann gestandenen Mannsbildern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Rechtspopulisten wissen, dass sie ein Publikum finden, wenn sie von Genderwahnsinn schwadronieren.

Ihr Gesellschaftsbild kennt nur die traditionelle Familie, ihr Nationalismus treibt Rassisten zur Waffe. Manchmal geht es unter dem Regenbogen um Leben und Tod. In Afghanistan ist der Kampf für gesellschaftliche Teilhabe, den Frauen führen, ohnehin existenziell. Währenddessen finden die Anliegen von Roma in Tschechien kaum Gehör. Doch auch hier verbietet sich der deutsche Fingerzeig aus der Haltung der moralisch Überlegenen.

Der Kampf für die Gleichstellung wird hierzulande an Begriffen wie Care-Arbeit und Vorstandsquote geführt. Religiöse Freiheit mag grundgesetzlich festgeschrieben sein. Die Hassprediger wider den Islam, mit denen die AfD in Wahlkämpfe zieht, scheren sich darum nicht. Auch die Rechte von Menschen mit Behinderung lesen sich besser, als ihre Umsetzung im Alltag ist. Und sozial Benachteiligte werden immer noch als schwach bezeichnet. Ist das schon die offene Gesellschaft?

Diversity ist ein gern verwendeter Begriff in diesem Zusammenhang. Konzerne benutzen ihn und machen ihre Belegschaften bunter. Und manchmal gelingt es sogar trans Menschen, eine erfolgreiche Karriere hinzulegen. Dann wird das Hohelied der Diversity angestimmt, währenddessen andere Menschen schon den kulturellen Untergang herbeireden, wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem nun immer häufiger zu hörenden Klacklaut gegendert wird.

Bei der Bundestagswahl im September, bei der die Themen Klimakatastrophe und soziale Gerechtigkeit gewiss die Hauptrollen einnehmen, steht auch die offene Gesellschaft zur Wahl. Für die taz ist dies Grund genug, sich eine Woche lang intensiv mit diesem Kulturkampf zu befassen. Im Zeichen des Regenbogens – versteht sich.

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Andreas Rüttenauer
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4 Kommentare

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  • "In Afghanistan ist der Kampf für gesellschaftliche Teilhabe, den Frauen führen, ohnehin existenziell"

    Sehr richtig. Gegen das was in Afghanistan den Frauen passiert ist alles was den Frauen in Europa passiert, auch wenn es natürlich auch oft schlimm ist, im Vergleich vernachlässigbar.

    Leider fordern die Leute auf solchen Demos nicht diesen Frauen zu helfen, leider fordern sie keine massive Aufstockung der Mittel für eine Nato die in Afghanistan dauerhaft den Taliban einhalt gebietet. Eine Nato die so große Mittel bekommt, daß sogar die Taliban ihre Morde an LBGTIQ dauerhaft einstellen müssen.

    Nein, sie fordern manchmal sogar genau das Gegenteil.

    Für mich ist das eine politisch motivierte, sehr offensichtliche, Doppelmoral.

  • "Bei der Bundestagswahl im September, bei der die Themen Klimakatastrophe und soziale Gerechtigkeit gewiss die Hauptrollen einnehmen, steht auch die offene Gesellschaft zur Wahl."

    Sehe ich anders. Klima und soziale Gerechtigkeit sollten die Hauptrolle spielen, tun sie aber nicht. Entscheidend wird der Kulturkampf sein.

    Dieser Kulturkampf sorgt dafür, dass wir in einem Land, in dem sich die Mehrheit als links identifiziert, weiterhin von Konservativen regiert werden, es keine Chance für einen dringend notwendigen Politikwechsel gibt.

    Die Grünen stehen sich selbst mit einem nicht mehr zeitgemäßen Frauenstatut im Weg, die ehemalige Arbeiterpartei SPD hat sich in eine woke Hipsterpartei verwandelt, in der jemand wie Tierse als Faschist gilt. So wird das nichts mit linken Träumen.

    Das alles vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der die CDU ganz selbstverständlich schwule Minister ernennt, die CSU Wahllisten paritätisch besetzt und in konservativen Medien Trans-Themen offen und informiert diskutiert werden, statt auf stumpfe Ablehnung zu stoßen.

    Nicht falsch verstehen, der Kampf für die Rechte queerer Menschen muss und wird weitergehen, genauso wie der Kampf für Frauenrechte. Aber die Borniertheit und Arroganz der von Frau Wagenknecht als Lifestyle-Linke titulierten sorgt für soviel Ablehnung, dass der nächste Kanzler Laschet heißt.

  • Vielleicht würde es helfen, das korrekte Gendern selbst nicht so symbolisch aufzuladen, um die Sprache nicht nicht zum stellvertretenden Schlachtfeld für Vielfalt verkommen zu lassen. Die Zornesröte treibt mir nur ins Gesicht, wenn mir unterstellt wird, dass ich gegen eine vielfältige Gesellschaft bin, weil ich nicht gendere und gegenderte Texte ungern lese.

    • @Swen Sobeck:

      Völlig richtig. Insbesondere weil man damit auf ein Nebenfeld abgleitet auf dem man es den Gegnern einer vielfältigen Gesellschaft sehr einfach macht diese Idee zu diskreditieren.