Konflikt um Draußenstadt-Projekt: Tanzverbot am Sandstrand
Im Strandbad Plötzensee will das Bezirksamt Mitte keine Musikveranstaltungen haben. Der Betreiber will dagegen klagen.
Das Bezirksamt führt in einer Pressemitteilung eine Reihe von Gründen an. Unter anderem sei der Plötzensee mitsamt seiner Uferzonen Teil des Landschaftsschutzgebiets Rehberge, es gäbe „berechtigte Interessen von Anwohnenden“. Aber vor allem wolle man verhindern, dass sich der Plötzensee in eine „Eventlocation“ verwandele. „Unsere Parks, öffentlichen Grünanlagen und Gewässer werden nach der Pandemie umso dringender als gemeinschaftlich nutzbare Flächen von allen Bürgerinnen und Bürgern benötigt“, so die Begründung des Bezirksamts.
Die Entscheidung kam nicht nur für Verhoeven überraschend. Denn die „Plötze“, wie das Strandbad kurz genannt wird ist Teil des vom Senats forcierten Draußenstadt-Programms. Im Vorfeld hatte es bereits ausführliche Gespräche zwischen dem Betreiber, Bezirk und den Koordinator:innen des Draußenstadtprojekts gegeben.
Die Clubcommission, ebenfalls organisatorisch am Draußenstadtprojekt beteiligt, kritisiert das Bezirksamt scharf. Für die Entscheidung habe er „null Verständnis“, so Pressesprecher Lutz Leichsenring gegenüber der taz. „In diesen Zeiten müssen wir unkompliziert Draußenflächen schaffen.“ Außer dem Strandbad hätte der Bezirk keine einzige bespielbare Fläche bereitgestellt.
Das Strandbad Plötzensee ist die einzige legale Badestelle an dem beliebten Weddinger See in der Nähe des Volksparks Rehberge. Der restliche Uferbereich ist zwar abgezäunt, wird aber trotzdem rege genutzt. Das Strandbadgebäude wurde in den 1920er Jahren errichtet und ist denkmalgeschützt. Das Bad ist im Landesbesitz und wird alle 10 Jahre neu an private Betreiber verpachtet.
Draußenstadt heißt das von der Senatsverwaltung für Kultur geförderte Projekt, dass unkompliziert Partys, Kunst- und Kulturveranstaltungen im Freien ermöglichen soll. Insgesamt 13, meist in den Außenbezirken gelegene Flächen hat der Senat dafür bereitgestellt. Am 28. Juli soll bekanntgegeben werden, was auf den Flächen ab August stattfinden wird.
Zukunft des Strandbads ist gefährdet
„Es muss nicht alles in Mitte stattfinden“, antwortet hingegen das Bezirksamt Mitte auf taz-Anfrage.
Die Behörde habe schon seit Mai darauf hingewiesen, dass das Strandbad keine Eventlocation sei, und auch wiederholt bei der für Draußenstadt verantwortlichen Senatsverwaltung für Kultur angefragt, das Strandbad von der Liste der bespielbaren Flächen zu streichen, so Pressesprecher Danilo Hafer. „Die Baugenehmigung untersagt ausdrücklich jegliche Art von Tanzveranstaltungen und Events.“ Schon bei vergangenen Veranstaltungen, so das Bezirksamt, habe es Lärmbeschwerden von Anwohnenden gegeben.
Die unerbittliche Haltung des Bezirksamts sorgt bei Betreiber Verhoeven für Verzweiflung: „So langsam bin ich am Ende“, seufzt er am Telefon. Denn das Veranstaltungsverbot, das mit der Androhung einer Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro oder Gefängnishaft verbunden ist, gefährdet nicht nur das Draußenstadt-Projekt, sondern die Zukunft des gesamten Strandbades.
Seit 2019 ist der Holländer Pächter des über 170 Jahre alten Strandbads in Wedding. Sein Vorgänger ließ das denkmalgeschützte Gebäude langsam verkommen, kassierte Eintritt und investierte ansonsten nichts. Verhoeven hingegen will mit Investitionen und einem neuen Konzept dem Strandbad neues Leben einhauchen.
Kultur finanziert Bad
Die Idee ist, den wenig profitablen Badebetrieb mit Kulturveranstaltungen querzufinanzieren. Tagsüber baden, an den Abenden Konzerte und Theater. Auch können so im Frühjahr und im Herbst noch Einnahmen generiert werden. Die seien bitter notwendig, denn allein die Instandhaltung des Gebäudes und der Grünflächen übersteige die Einnahmen des Badebetriebs. Dazu kämen die fast 130 Angestellten.
Verhoeven ist sich sicher, dass ein Strandbad in der klassischen Form weder attraktiv noch zeitgemäß ist: „Warum sollte ich 3 Euro bezahlen, wenn ich gegenüber auch im gesperrten Bereich baden kann?“ Das Kulturprogramm biete hingegen den entscheidenden Anreiz, den Eintritt zu zahlen.
Auch die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks begrüßt Verhoevens Idee. In einem Beschluss vom 17. Juni forderte das Bezirksparlament das Bezirksamt dazu auf, die Anträge auf Sondergenehmigungen wohlwollend zu prüfen.
Verhoeven hofft nun auf eine einvernehmliche Lösung durch weitere Gespräche. „Ich glaube, es gibt sehr viele Missverständnisse.“
Ansonsten ist er bereit, den Rechtsweg zu gehen: „Die Klage ist bereits vorbereitet“.
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