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Wald von Rodung bedrohtNach dem Hambi nun der Kasti

Nahe München wächst der Protest gegen Rodungen für den Kiesabbau. Die Bevölkerung bringt den Aktivisten Moskitonetze und Linsensuppe.

Freizeit im Forst Kasten: Es wird jongliert Foto: Thomas Vonier/imago

Forst Kasten taz | Nach 20 Minuten Fußweg durch den Wald erreicht man die Transparente, auf denen „Jeder Baum zählt“ oder „Kies ist mies“ steht. Ein paar Meter weiter ist das Lager der Aktivisten – rechts ein Schlafzelt, links Tisch und Stühle für den Tag. Bärchen und Leo, so nennen sich die beiden jungen Menschen, sind noch ziemlich durchnässt von der Nacht, als es wie aus Kübeln gegossen hat. Sie haben hier ein ständiges Lager errichtet, eine „Mahnwache“ gegen die geplante Rodung dieses Teil des Waldes im Forst Kasten südwestlich von München.

Hier soll Kies abgebaut werden, und das im großen Stil: 42 Hektar Wald sollen fallen, etwa 59 Fußballfelder, wie die Initiative „Rettet den Würmtaler Wald“ ausgerechnet hat. Schon lange protestieren sie gegen das, was sie als Raubbau ansehen. Knapp 15.000 Unterschriften haben sie Landesforstministerin Michaela Kaniber (CSU) übergeben.

Nun sind die Leute von der Mahnwache hinzugekommen mit ihren Baumhäusern, die immer wieder aufgebaut werden. Seit Ende Mai besteht das Camp – „ich hänge hier fast seit dem Beginn“, erzählt Bärchen, 20 Jahre alt, die gerade ihr Abitur gemacht hat. Sie war auch im Hambacher Forst, um gegen den dort geplanten Kohleabbau zu protestieren.

Ein Ort der Erholung

Nach „Hambi“ nun „Kasti“, wie das Waldstück immer häufiger bezeichnet wird. Forst Kasten gehört zum großen Forstenrieder Park, das geplante Gebiet für den Kiesabbau liegt zwischen den Umland-Gemeinden Neuried und Planegg. Die Gegend im Würmtal gilt als wohlhabend, die Grünen feiern hier große Erfolge.

Für viele ist der Forst im Münchner Grüngürtel ein Ort der Erholung, der auch für gutes Stadtklima sorgt. Bis zu zehn Aktivisten sind immer an der Mahnwache, sagt der 21-jährige Leo. Insgesamt zählen 35 Personen zum festen Kreis der Forstfreunde, die von 350 weiteren hauptsächlich logistisch unterstützt werden. Um Essen und Trinken müssen sie sich kaum kümmern, das bringen die Bürger aus Neuried und Planegg vorbei. Wie auch Moskitonetze.

Wie jeden Tag kommt auch an diesem Vormittag der Lieferant mit den Butterbrezn angeradelt. Es ist Michael Samay, Musiker und Musiklehrer aus Neuried. Bärchen hat ihre Klarinette bei ihm daheim abgestellt. „Sie spielt wunderbar“, weiß Samay. „Bei der nächsten Baumbesetzung“, so sein Plan, „stellen wir uns rauf und jammen Mozart.“

Nur ÖDP und Linke gegen Rodung

Warum der Forst überhaupt abgeholzt werden darf, ist hier niemand so richtig begreiflich. Der „Stiftungswald“ gehört der Heiliggeistspital-Stiftung, die damit ein Pflegeheim finanziert. Für die Stiftung wiederum ist der grün-rot dominierte Münchner Stadtrat zuständig. Dieser ist angeblich verpflichtet, für die Abholzung zu stimmen – auch wenn die Volksvertreter anderer Meinung sind. Ansonsten würden sie angeblich persönliche Schadenersatzklagen erwarten. Einzig die Stadträte von ÖDP und Linken ließen sich nicht schrecken – und votierten gegen die Rodung.

Abholzung für Kies in Zeiten des Klimawandels? Massive Eingriffe in den Münchner Grüngürtel? Und ein Stadtrat, der nicht frei abstimmen darf? Das finden die Leute immer empörender. Und so erfahren die Aktivisten, wie Bärchen sagt, „eine Welle der Solidarität, die ich so noch nie erlebt habe“.

Das Landratsamt genehmigte die Mahnwache, aber keine Baumhäuser. Wird eines errichtet, holen frühmorgens um fünf Uhr Einsatzkräfte samt Sondereinsatzkommando (SEK) die Aktivisten wieder runter. Auch sonst werden sie von der Polizei gut bewacht – jede Stunde kommt ein Fahrzeug vorbei. Wie es aussieht, wenn der Kasti gerodet ist, zeigt sich an einer Grube direkt nebenan, die derzeit ausgekiest wird: Es eröffnet sich der Blick auf einen gigantischen grauen, tiefen Krater, mehrere hundert Meter lang wie breit.

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10 Kommentare

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  • Euch gilt meine 100 Prozentige Solidarität. Das ist aus meiner Sicht die beste Form des Protestes.



    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ihr von der Grünen Lobby und den Schönwetter Aktivistinnen verraten und verkauft werdet. Die gehen lieber in Talkshows und träumen von einer Koalition mit der CDU. Pfui!

  • Danke für den Bericht! Solidarische Grüße an Aktivistis/Unterstützer*innen/Demonstrant*innen!

  • "Um Essen und Trinken müssen sie sich kaum kümmern, das bringen die Bürger aus Neuried und Planegg vorbei. Wie auch Moskitonetze."



    Ihr seid prima! toll.

  • Bei dem Wohnungsmangel bin ich eindeutig für Kiesabbau.

    Es müssen neue Wohnhäuser gebaut werden, und der Kies dazu kommt nicht aus dem Baumarkt.

    Es freut mich für die Aktivisten, wenn Sie sich keine Sorgen machen müssen, eine Wohnung zu finden. Anderen Menschen geht es anders.

    • @rero:

      Außerdem bedeutet Klimaschutz auch Schutz des Waldes. Und dass man den Klimaschutz nicht der nächsten Generation aufbürden und alles noch mal verschieben kann, hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.

    • @rero:

      Mir ist neu, dass man für Kiesabbau unbedingt Wälder abholzen muss.

      Außerdem ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor allem eine Folge der Einstellung des sozialen Wohnungsbaus. Das hat auch eine Ungleichverteilung zur Folge: Leute die Geld haben, wohnen auf ziemlich großen Flächen, Leute die keins haben können sich keine Wohnung leisten.

      Dazu kommt gerade in München die starke Zentralisierung mit dem Zuzug von Menschen in die Städte, die auch Folge von Fehlentwicklungen in der Verkehrspolitik sind.

    • @rero:

      Wann hört endlich dieser Blödsinn vom Neubauen auf. Bauen ist nicht die Lösung. Leerstand verbieten, Altbau sanieren. Flächen und Gebäude sind vorhanden. Der Wohnungsmangel ist ein Problem des Kapitalismus, das nicht nur immer mehr und mehr Neubau gelöst werden kann.

      • @Mrs.V:

        Ist sachlich einfach falsch.

        Das sagt in Berlin selbst der Mieterbund.

      • @Mrs.V:

        Naja, ein wenig simpel ist es schon.



        Dann müssen wir Menschen auch von den begehrten Regionen in diejenigen mit Leerstand verteilen.



        Die reale Welt ist halt doch ein wenig komplizierter.

        • @J_CGN:

          Die Urbanisierung der vergangenen zwei Jahrzehte geht eindeutig auf massive Versäumnisse in der Raumordnungspolitik zurück.

          Auch mit noch so viel Kies lassen sich in den jetzt schon überfüllten Großmetropolen wie Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München keine preisgünstigen Wohnungen in nennenswerter Zahl erstellen.

          Gäbe es jedoch in der Provinz, die schon bei den kleineren Großstädten, Mittel- und Kleinstädten anfängt, wieder vernünftige ÖPNV-Infrastruktur, Bildungs- und Kulturangebote etc., ist damit schon viel zur Entspannung der Wohnsituation getan. Lebensqualität in Form von halbwegs intakter Natur wäre ein weiterer Pluspunkt der Provinz. Wenn diese Natur allerdings zugunsten des Baubooms in den Städten und teilweise auch zugunsten erneuerbarer Energien zerstört wird, kennt diese Entwicklung am Ende nur Verlierer!