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Entwicklung der Corona-ZahlenDelta-Anstieg macht Sorgen

Erstmals wächst nicht nur der Anteil der neuen Coronavariante, sondern wohl auch die absolute Zahl. Warnung vor Reisen nach London.

Fussballfans in London vergessen die Delta-Variante Foto: Kieran Cleeves/dpa

Berlin taz | Insgesamt sinkt die Zahl der gemeldeten Coronaneuinfektionen in Deutschland weiterhin deutlich: Im Schnitt wurden letzte Woche nur noch 836 neue Fälle pro Tag gemeldet. Das sind 40 Prozent weniger als eine Woche zuvor, die 7-Tage-Inzidenz liegt nur noch bei 7. Doch die Sorge wächst, dass dieser rückläufige Trend bald vorbei sein könnte. Denn ein immer größerer Anteil der neuen Fälle entfällt auf die Delta-Variante des Coronavirus, die zuerst in Indien auftrat.

In der vorletzten Woche lag ihr Anteil laut Robert-Koch-Institut bei 15 Prozent und damit fast doppelt so hoch wie eine Woche zuvor. Und während der zunehmende Delta-Anteil bisher aufgrund der gleichzeitig sinkenden Gesamtzahl der Infektionen eher eine gleichbleibende Zahl von Delta-Infektionen bedeutet hat, scheint sich das nun zu ändern: Auch die absolute Zahl ist den – noch vorläufigen – Werten zufolge im Vergleich zur Vorwoche um etwa ein Drittel gestiegen.

Angesichts dieser Entwicklung ist damit zu rechnen, dass Delta in den nächsten Wochen auch in Deutschland zur dominierenden Variante wird. Ob und wie stark die Infektionszahlen dadurch dann wieder ansteigen, dürfte vor allem davon abhängen, wie schnell die Impfungen voranschreiten. Während Erstimpfungen gegen eine Infektion mit der Delta-Variante deutlich schlechter schützen als gegen die derzeit vorherrschende Alpha-Variante, bietet eine vollständige Impfung auch gegen Delta relativ guten Schutz.

Bisher ist in Deutschland gut ein Drittel der Bevölkerung vollständig geimpft; mindestens eine Impfung haben 52 Prozent der Menschen erhalten. Zudem dürfte die weitere Entwicklung davon beeinflusst werden, wie schnell die Coronamaßnahmen noch weiter gelockert werden.

Kanzleramtsminister Helge Braun sagte in der ARD, wenn etwa zwei Drittel der Menschen geimpft seien, müsse man auch im Herbst „nicht über einen neuen Lockdown nachdenken“. Problematisch könne aber die Situation in den Schulen werden, wo es weiterhin viele ungeimpfte Kinder und Jugendliche gebe. Um diese zu schützen, sei es wichtig, möglichst viele Erwachsene in ihrem Umfeld zu impfen. Zudem stelle der Bund Geld für Lüftungsanlagen in Schulen zur Verfügung.

Kritik an EM-Spielen in London

Angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante wächst die Kritik an den EM-Spielen in London. In Großbritannien, wo Delta bereits dominiert, haben sich die Corona-Infektionszahlen trotz einer höheren Impfquote als in Deutschland innerhalb eines Monats mehr als vervierfacht; die 7-Tage-Inzidenz liegt dort jetzt wieder bei rund 120. Trotzdem dürfen in London bis zu 60.000 Zu­schaue­r*in­nen ins Stadion. „Ich halte das für Populismus und kann nur von Reisen zu den Spielen abraten“, sagte der Präsident des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, der Passauer Neuen Presse.

Auch die Zahlen der Co­vid­pa­ti­en­t*in­nen in Krankenhäusern und der ­Coronatoten sind in Großbritannien in letzter Zeit wieder gestiegen – allerdings stiegen sie deutlich weniger stark als die der Neuinfektionen. Das könnte ein Effekt der Impfungen sein, die vor schweren Verläufen besser schützen als vor Infektionen.

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18 Kommentare

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  • > Kanzleramtsminister Helge Braun sagte in der ARD, wenn etwa zwei Drittel der Menschen geimpft seien, müsse man auch im Herbst „nicht über einen neuen Lockdown nachdenken“.

    Mein lieber Herr Braun, das kann man auch so interpretieren, dass die Bundesregierung daran denkt, die Kinder und Jugendlichen eben nicht zu impfen, sondern sie statt dessen absichtlich einer Infektion auszusetzen und sie so zu "immunisieren".

    Das klingt abartig, und wäre auch fies, aber das ist scheinbar etwas, was in Großbritannien von der Regierung Johnson zumindest in Modellrechnungen erörtert wurde:

    bylinetimes.com/20...p-out-of-lockdown/

    Und mal ganz ehrlich, verhält sich die britische Regierung bei Licht betrachtet wirklich anders, als ob sie genau das wollte? Die Verteilung von staatlichen Vergünstigungen für Essen im Pub während der Winterwelle hat sicherlich die Infektionszahlen gesteigert, und man kann den Effekt als vorhersagbar bezeichnen. Die Handhabung der EM Fußballspiele und bevorstehende Aufhebung der Kontaktbeschränkungen spricht nicht dagegen.

    Die Tatsache, dass aus dem G7 Gipfel in Cornwall versehentlich ein regionales Superspreader-Event wurde, auch nicht. Gerade sind diverse europäische Urlaubsziele wie die Balearen für Reisen durch britische Touristen frei gegeben worden. Wirkt salopp gesagt ein wenig so, als wollte Johnson auch gleich Europa noch mit "immunisieren".

    Und auch in Deutschland gibt es ja diverse Industrieverbände, die klar zu erkennen gegeben haben, dass sie kein Fan sind von Maßnahmen, die zwar Individuen vor Infektionen schützen, aber nicht genau geeignet sind, die Gewinne der Industrie zu maximieren.

    So groß ist der Unterschied zwischen der Politik rechter Tories und deutscher Industrielobbyisten also in der Praxis nicht. Und wer die deutsche Geschichte kennt, den wird es nicht unbedingt wundern.

    • @jox:

      Ihr Ansatz ist schief. Man zwingt Jugendliche nicht, sich impfen zu lassen, weil das Risiko, einen schweren Verlauf zu bekommen, bei Kindern und Jugendlichen marginal ist und das Risiko bzw. die Belastung durch die Impfung in den meisten Fällen höher. Das heiß natürlich nicht, dass man ausschließen kann, dass irgendein Junger einen schweren Verlauf haben wird - aber man kann auch nicht ausschließen, dass ein Kind auf dem Schulweg entführt oder überfahren wird.

      Man "setzt" also nicht darauf, dass sie sich infizieren, sondern man nimmt das Risiko hin. Was ich für richtig halte und ich hätte als Vater eines Kindes (inzwischen aber kein Kind mehr) auch Zweifel gehabt, ob man ihn impfen soll.

  • Bei einer EM geht es um Hunderte Millionen Euro Gewinn in Form von Werbeeinnahmen etc. Soviel sind bei uns Menschenleben nicht wert. Der Profit weniger geht schon immer vor wenn das Gemeinwohl auf der anderen Wagschale liegt.



    Wir sehen und auf der Sklavenbaustelle Qatar!

  • " Zudem stelle der Bund Geld für Lüftungsanlagen in Schulen zur Verfügung."

    der bund sollte auch geld dafür zur verfügung stellen,die öffentlichen verkehrsmittel mit lüftungsanlagen oder anderen zur verringerung des infektionsrisikos geeigneten zum teil vielleicht noch zu entwickelnden technischen innovationen auszustatten um sie sicherer zu machen.

    sonst wird sich die pandemie als ein argument gegen die deautomobilisierung der grossstädte erweisen

    Ich erinnere mich an überfüllte schlecht belüftete busse der Kölner Verkehrsbetriebe in denen es unmöglich war das abstandsgebot einzuhalten.



    im bereich der Bundesbahn funktionierte das sicherheitskonzept deutlich besser

    ausserdem sollte der bund auch die pandemiebedingten mehrkosten und mindereinnahmen im öffentlichen nah und fernverkehr kompensieren

  • Es ist unfassbar, dass in Deutschland offenbar absolut nichts gelernt wurde. Wie vor einem Jahr glaubt man, das Land komme schon irgendwie um die Entwicklungen in anderen Ländern herum. Siebzig Prozent der Menschen hierzulande haben keinen oder nur sehr schwachen Schutz gegen Delta. Aber: it can’t happen here!

    Wahnsinn.

    • @Suryo:

      > Wie vor einem Jahr glaubt man, das Land komme schon irgendwie um die Entwicklungen in anderen Ländern herum.

      Das muss wohl an den arischen Genen liegen.

      Genau so krass finde ich die Unfähigkeit, von anderen Ländern zu lernen. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, die wirtschaftlich und sozial wesentlich besser durch die Pandemie gekommen sind. Da könnte man doch mal versuchen, was abzugucken.

      • @jox:

        "Genau so krass finde ich die Unfähigkeit, von anderen Ländern zu lernen. "

        Das trifft in Deutschland auf viele Bereiche zu. Hierzulande möchte man das Rad neu erfinden, statt Bewährtes aus anderen Ländern zu übernehmen. Ich nenne das deutsche Arroganz oder Profilierungssucht.

  • Vielleicht sollte die Stiko mal ihre Impfempfehlungen für Kinder überdenken.

    Für Masern besteht ab 1.7.2021 Impfzwang für Schulkinder - und für Covid gibts nichtmal ne Empfehlung ???

    • @stadtlandmensch:

      Kinder sind durch Masern gefährdeter als durch das Coronavirus, allein die Todesrate ist ca 1 : 1000 :

      de.wikipedia.org/w...ern#Komplikationen

      Außerdem sind Masernimpfstoffe nicht im Schnellverfahren zugelassen - das bedeutet viel weniger Risiko für Experten und Ärzte, Fehlentscheidungen vorgeworfen zu bekommen.

      Das heißt beileibe nicht, dass eine Coronainfektion für Kinder harmlos ist (es gibt ja auch bei Kindern Long Covid) aber das Risikoniveau ist ein anderes und mit der Risikoabwägung tut sich die Impfkomission schwer.

      Und Politiker fordern gern die Impfung für Kinder - aber das ist wohlfeil solange es den nötigen Impfstoff noch gar nicht gibt, und sie auch keine Verantwortung tragen wenn was doch schief geht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Politiker auch ihre eigenen Kinder (oder sagen wir mal Enkel) impfen lassen werden.

    • @stadtlandmensch:

      Es gibt zwei Aspekte:

      1) Man kann die Kinder nicht allein deswegen impfen, weil es für die Allgemeinheit gut ist. Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff und muss dem Individuum nützen.

      Dieses Argument halte ich aufgrund der Tatsache, dass auch Kinder Long Covid bekommen können, nicht mehr für schlüssig. Es spricht alles dafür, dass die Impfung dem einzelnen Kind sehr viel mehr nützt als sie möglicherweise schaden kann.

      Dummerweise haben wir in Deutschland keine Studien zu Long Covid bei Kindern. Wahrscheinlich weil, äh, Schulen keine Treiber der Pandemie sind, wie man bis weit ans Ende des letzten Jahres dachte.

      Nun, man könnte sich Studien und Statistiken aus anderen Ländern bedienen. Vielleicht muss es diesmal nicht eine Habilitationsschrift und ein Dutzend peer-reviewter Artikel in medizinischen Fachjournalen sein. Wir haben einen Notstand, also ist es durchaus ethisch zu rechtfertigen, wenn einfach mal nach bestehender Faktenlage und gesundem Menschenverstand gehandelt wird.

      2) Der zweite Aspekt ist, dass die Impfkomission da eine Verantwortung übernehmen muss, die deren Mitglieder womöglich scheuen. Deswegen wird die Entscheidung den Eltern oder sogar den Kindern zugeschoben.

      Vielleicht geht es teilweise auch einfach darum, dass momentan nicht so viel Impfstoff da ist und es in der Tat (da nach dem was wir wissen, höheres Risiko) sinnvoller ist erst ältere Menschen zu impfen.

  • Das Volk will rumblödeln.



    Das ist nicht klug.



    ES muss weiter gehen mit öffentlich-rechtlichen Anordnungen, keinesfalls Fr.Merz/ Bolsonaros-Denken gewähren lassen.

  • > Und während der zunehmende Delta-Anteil bisher aufgrund der gleichzeitig sinkenden Gesamtzahl der Infektionen eher eine gleichbleibende Zahl von Delta-Infektionen bedeutet hat

    Das kann man aus den Zahlen des Robert-Koch-Instituts nicht nachvollziehen:

    www.rki.de/DE/Cont...ob=publicationFile

    Seite 12, Spalte "B1.617 Anzahl", Fallzahlen aufgeschlüsselt nach Kalenderwochen.

    (Zahlenwerte auch hier : taz.de/Aktuelle-Na...bb_message_4145496 )

  • Kleine Anfrage.

    > Kanzleramtsminister Helge Braun sagte in der ARD, wenn etwa zwei Drittel der Menschen geimpft seien [ ...]

    Herr Braun scheint hier das Konzept der Herdenimmunität anzusprechen. Ist der Bundesregierung bewusst, dass namhafte Virologen und Epidemiologen, wie Christian Drosten und Karl Lauterbach, ausdrücklich erklärt haben, dass es bei Covid-19 *keine* Herdenimmunität geben würde in dem Sinn, dass ein ungeimpfter verbleibender Teil der Bevölkerung vor Infektion geschützt sei.

    > Kanzleramtsminister Helge Braun sagte in der ARD, wenn etwa zwei Drittel der Menschen geimpft seien, müsse man auch im Herbst „nicht über einen neuen Lockdown nachdenken“.

    Wie hoch sind denn die Inzidenzzahlen, welche die Bundesregierung dann hinzunehmen gedenkt? Das ist entscheidend, weil die Infektionszahlen ja ohne Schutzmaßnahmen dann höchstwahrscheinlich stark und ungebremst anwachsen - exponentielles Wachstum endet hier erst dann, wenn es seine Grundlage, und das sind hier nicht-immune Kinder und Jugendliche, weitgehend aufgebraucht hat.

    Wenn es einen exponentiellen Anstieg gibt (womit nach gesundem Menschenverstand absolut zu rechnen ist), wie soll dieser gestoppt werden wenn das vorgenannte Limit erreicht ist?

    Und wenn es keinen Lockdown geben soll, mit was für Maßnahmen will die Bundesregierung Kinder, Jugendliche, und ungeimpfte Menschen schützen?

    Berichten aus Großbritannien zufolge leiden 7% - 8% der Kinder für drei Monate oder länger an Long Covid Symptomen, deswegen wurden 15 Behandlungszentren oder Kliniken für Kinder geöffnet:

    twitter.com/DrZoeH...405418023335305216

    Nimmt eine Strategie des Aufhebens von Schutzmaßnahmen nicht sehr viele solche Fälle in Kauf? Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?

    > Zudem stelle der Bund Geld für Lüftungsanlagen in Schulen zur Verfügung.

    Wie genau soll man realistisch bis zum Herbst die ca. 25000 Schulen in Deutschland mit solchen Filtern ausstatten? Was sind konkrete Pläne und Zeitplan?

    • @jox:

      wenn die Inzidenzen hoch sein werden, es aber kaum schwere Verläufe gibt, weil die Impfung davor eben schützt, wo liegt dann bitte Ihr Problem mit hohen Zahlen? Covid ausrotten wird nicht gelingen, solange nur wenige Menschen schwer erkranken, gibt es keinerlei Grund, erneut das ganze Land herunterzufahren. Dieses Risiko nimmt man bei anderen Krankheiten auch hin.

    • @jox:

      bei den Lüftungsanlagen sind nur festinstallierte gemeint. Bis die eingebaut sind werden wir sicher über die 25-igste Mutation sprechen.



      Abgesehen davon das die Bauverwaltungen bereits die zurückliegenden 50 Jahre es nicht geschafft haben eine für unsere Kinder gesunde "Lehrnluft" in den Schulen bereit zu stellen. Da ist teilweise heute noch die Fensterlüftung die favorisierte Beste Lösung; ein festgeschriebener Baustandard. Noch heute wird privaten Initiativen verboten Filteranlagen in den Schulen zu betreiben, selbst wenn die Schule für die Geräte nichts zahlen muß. Die Schulverwaltung verbietet den Betrieb aus Sicherheitsgründen!



      Es gibt wohl nur eine Lösung für eine bessere Zukunft unserer Kinder - Regierung abwählen.

    • @jox:

      Jetzt stellen Sie mal bitte nicht solche -- noch dazu konkreten -- Fragen. Auf die hat man bereits im letzten Sommer keine Antworten bekommen ... Es wird uns schon gelingen, den Karren wieder ordentlich in den Dreck zu fahren!

    • @jox:

      Hier die aktuellen Inzidenzzahlen in Nordwest-England, nach Alter aufgeschlüsselt - man beachte die hohen Inzidenzwerte von rund 180/100000 in den Altersgruppen 11-16 und 17-18 Jahren.

      twitter.com/DrEric...402069287783878656