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Studie über rechtsextreme EinstellungenDie Mitte wankt

Die Neuauflage der „Mitte-Studie“ konstatiert eine hohe Zustimmung zur Demokratie – in Detailfragen aber sind viele Deutsche für Ressentiments offen.

Die Gesellschaftsmitte ist mehrheitlich demokratisch – aber sie muss auch für ihre Werte aufstehen Foto: Stefan Zeitz/imago

BERLIN taz | Es klingt zunächst beruhigend. Für 88 Prozent der Befragten der neuen „Mitte-Studie“ steht die Würde und Gleichheit aller Menschen an erster Stelle. 72 Prozent bezeichnen sich selbst als „überzeugte Demokrat_in“. Und 70 Prozent erklären, man müsse sich „stärker für eine vielfältige und offene Gesellschaft engagieren“.

Die Mitte der Gesellschaft ist stabil, so wirkt die Botschaft. Geht man aber ins Detail, dann bröckelt dieser Eindruck. Denn dann erklären immerhin 18 Prozent, Deutschland brauche „eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“. 16 Prozent finden: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“ Und für 23 Prozent ist es an der Zeit, „mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik zu zeigen“.

Es sind daher ambivalente Befunde, mit denen die am Dienstag veröffentlichte Neuauflage der „Mitte-Studie“ aufwartet. Seit 2006 untersucht die Langzeitstudie Einstellungen der deutschen Gesellschaft, aktuell mit einem Team um die Konfliktforscher Andreas Zick und Beate Küpper und im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Befragt wurden 1.750 Menschen im Januar und Februar per Telefon. Der Studientitel diesmal: „Die geforderte Mitte“.

„Die Mitte ist aufgewacht“

Im Ergebnis ist erneut ein Rückgang offener rechtsextremer Einstellungen zu verzeichnen. Nur noch 1,7 Prozent der Befragten wird ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild attestiert. Lag die Zustimmung zu „fremdenfeindlichen“ Positionen 2019 etwa noch bei 8,7 Prozent, sind es jetzt nur noch 4,5 Prozent. Mehr noch: 70 Prozent der Befragten halten den Rechtsextremismus heute für die größte Bedrohung für die Gesellschaft, knapp sogar vor dem Klimawandel.

„Die Mitte ist aufgewacht“, erklärt Küpper. Viele Menschen seien offenbar erschrocken über die jüngsten rechtsextremen Anschläge oder eine Trump-Politik, andere seien womöglich ermüdet von einer „populistischen Dauerbefeuerung“.

Aber: Bei konkreten Fragen bleibt die Mitte durchaus offen für antidemokratische Positionen. So bezweifelt immerhin jeder fünfte Befragte, dass die Demokratie zu sachgerechten Entscheidungen führt. 16 Prozent erklären, die Regierung betrüge das Volk – weitere 20 Prozent sehen das „teils/teils“ so. Und 23 Prozent finden, dass man „im nationalen Interesse“ nicht allen Personen die gleichen Rechte gewähren könne – weitere rund 25 Prozent finden das „teils/teils“.

Gerade dieser hohe und gestiegene Anteil der indifferenten Antworten beunruhigt die Forscher:innen. Denn einiges deute darauf hin, dass sich dahinter „latente Zustimmung“ verberge. Küpper spricht von „Schlierspuren des Rechtspopulismus“, die bis in die Gesellschaftsmitte reichten. So könne man 13 Prozent der Befragten ein rechtspopulistisches Weltbild nachweisen, das sich gegen „die Eliten“ richte und Menschen ihre Gleichwertigkeit abspreche.

Ressentiments gegen Geflüchtete und Schwarze

Das ist zwar ein Rückgang, aber weiter äußern sich 40 Prozent der Befragten negativ über Asylsuchende, 25 Prozent über Langzeitarbeitslose. 16 Prozent erklärten, schwarze Menschen seien „zu empfindlich, wenn von Rassismus in Deutschland die Rede ist“. Auch nahmen klare Ablehnungen des Antisemitismus ab.

Zudem steigen rechtsextreme Einstellungen dort, wo auch die AfD 2017 bei der Bundestagswahl erfolgreich war. In Ostdeutschland sind rechtspopulistische Meinungen und Abwertungen von als „fremd“ Markierten höher als im Westen. Dazu erklärten insgesamt 21 Prozent der Befragten, es sei sinnlos, sich politisch zu engagieren. Auch das hält das Forscherteam für gefährlich: Denn wer sich politisch machtlos fühle, neige eher zu demokratiegefährdenden Einstellungen.

Zudem erfreuen sich Verschwörungsmythen breiter Beliebtheit. 20 Prozent erklärten, Po­li­ti­ke­r:in­nen seien „nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte. Für 24 Prozent stecken Politik und Medien „unter einer Decke“. Und immerhin noch 5,4 Prozent finden, Po­li­ti­ke­r:in­nen hätten es verdient, wenn Wut gegen sie auch in Gewalt umschlage.

Chance auf demokratische Erneuerung

Für Zick zeigen die Ergebnisse, das sich nach Jahren der Polarisierung und Radikalisierung in Teilen der Mitte „Demokratiedistanz verhärtet“. Wichtig sei, dass die Gesellschaft nun klar für die Demokratie Position beziehe und sich den Ressentiments in ihren Reihen stelle. Gerade die Solidarität in Coronazeiten biete da die Chance einer demokratischen Erneuerung. Zick appellierte aber auch, zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte und die politische Bildung vor Ort zu stärken.

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3 Kommentare

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  • 16 Prozent finden: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“ Und für 23 Prozent ist es an der Zeit, „mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik zu zeigen“.

    Also ich würde ersteres zwar nicht so sagen, aber wir leben ganz klar in einem Land, in dem ganz offensichtlich die oberen gewaltigen Einfluss auf die Politik ausüben und man nach Abweichungen von ökonomischer Dogmatik von den Medien entweder als dummer Traumtänzer oder gleich in die Linkgsextreme Schublade gesteckt wird. Egal ob SPD, Grüne, CDU, FDP an der Macht sind, an gewissen Grundsätzen wird sich nichts ändern. In Gesprächen mit meinen Mitmenschen habe ich aber nicht den Eindruck das würde die Bevölkerung wiederspiegeln, denn selbst konservative Wähler sind in bestimmten Bereichen oft erstaunlich offen für radikale Ideen. Sonderlich Demokratisch ist das offensichtlich nicht (Demokratie für die oberen 10.000 vielleicht).

    Letzterem stimme ich 100 %ig zu. Die deutsche Politik ist eine Sauerei, wer da nicht der Meinung ist, da müsse mehr Widerstand geleistet werden, dem ist echt nicht mehr zu helfen. Einerseits so tun als wäre die EU die zivilisatorische Erungenschaft schlechthin, andererseits die EU benutzen um jegliche Veränderung zu blockieren. (wir können ja leider nichts machen, das ist Vorgabe der EU) Und gleich noch andere Länder dank der Gemeinschaftswährung in Grund und Boden ruinieren.



    Schämen sollten wir uns!

  • Wie sieht es denn bei unseren Nachbarn aus ? Zum Beispiel in Dänemark, Polen, Österreich oder Tschechien?



    Mein persönliches Gefühl sagt, daß Deutschland im Vergleich da besser dasteht.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ja - aber wo ist die Neuigkeit - nachdem ja auch die Dringlichkeit offenbar abhanden kam: taz.de/Neue-Heitmeyer-Studie/!5131105/