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Deutschlands neues KlimaschutzgesetzEin epochaler Fortschritt

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die neuen Klimaziele sind ein riesiger Erfolg der Umweltbewegung. Den sollte sie – trotz mancher Unzulänglichkeiten – nicht kleinreden.

Die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes wird einen gewaltigen Umbau des Landes zur Folge haben Foto: Contrast/Behrend/imago

D ass Klimabewegung und progressive Opposition mit der Verschärfung des Klimaschutzgesetzes unzufrieden sind, ist aus ihrer Rolle heraus nachvollziehbar – schließlich müssen sie immer mehr fordern, als die Regierung vorschlägt. Und tatsächlich reichen die nun vorgestellten Ziele nicht aus, um den deutschen Anteil am 1,5-Grad-Ziel zu erfüllen, und konkrete Maßnahmen zum Erreichen der Ziele fehlen vorerst noch.

Trotzdem wäre es ein Fehler, den Erfolg kleinzureden, den das verschärfte Klimaschutzgesetz bedeutet, auf das sich die Bundesregierung nun geeinigt hat. Die neuen Ziele – eine Reduktion der deutschen Emissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 und eine komplette Klimaneutralität spätestens im Jahr 2045 – bringen Deutschland zumindest auf einen 2-Grad-Pfad und entsprechen weitgehend dem, was Grüne und viele Umweltverbände vor Kurzem noch gefordert haben.

Eine Weichenstellung

Die Große Koalition übernimmt diese Ziele zwar nicht freiwillig, sondern aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und der anstehenden Verschärfung der EU-Klimaziele. Trotzdem ist diese Entscheidung epochal – und wird einen gewaltigen und schnellen Umbau des Landes zur Folge haben. Dass Union und SPD jetzt noch nicht festlegen, wie die neuen Ziele erreicht werden sollen, kann man natürlich kritisieren. Aber das schmälert den großen Fortschritt nur wenig.

Denn immerhin steht jetzt schon vor der Wahl fest, wie stark die Einsparungen mindestens ausfallen müssen. Dahinter kann keine neue Koalition mehr zurückfallen. Der Wettstreit der Parteien geht jetzt nur noch darum, ob die Ziele reichen – und wer die besten Konzepte hat, sie umzusetzen.

Doch auch wenn über die Details noch gestritten wird: Ohne einen weitgehenden Kohleausstieg bis 2030, einen deutlich höheren CO2-Preis und ein schnelles Aus für neue Verbrennungsmotoren werden sich die neuen Ziele nicht erreichen lassen. Auch wenn es noch unvollständig ist, bedeutet das neue Gesetz darum eine Weichenstellung, die niemand unterschätzen sollte.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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4 Kommentare

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  • Das Gesetz beginnt erst mal mit einer Erhöhung der Emissionen, weil es mit einer fiktiven Zahl von 35% Minderung gegenüber 1990 im Jahr 2020 beginnt. Das Ziel für 2020 war aber 40% Minderung, durch Corona wurde die Emission sogar etwas niedriger.



    Naneben stehen 88% Minderung bis 2040 auch noch im Gesetz.



    Das wäre mit 5,5% p.a. Reduzierung (vom erhöhten Wert ausgehend) im Zeitraum 2020-2030 und 11% p.a. von 2030 bis 2040 zu erreichen. Der Rückgang von dem erhöhten Wert ist aber nicht mal linear, sondern nimmt erst gegen Ende der 2020er Fahrt auf. So viel schon mal zur Generationengerechtigkeit. Schneller reduzieren wäre in der Gesamtsicht wesentlich preiswerter bei gleicher Gesamtemissionsmenge.

  • Das BVerfG ist jetzt zum wiederholten Male in der früheren Rolle eines "sehr wachsamen Libero" (Ausputzers) in Erscheinung getreten u. hat mit großem Verständnis für Realität und richtige, da unabdingbare Strategiewechsel die Parteien-Kombo in der falschen Vorwärtsbewegung ins Abseits gestellt. Dabei waren SPD und CDU als Koalition auf gleicher Höhe, aber im gleichen Dress. Die Spielzeit wird ablaufen und eine Verlängerung ist ausgeschlossen. Das gilt für diese Koalition durchaus nicht so bedrohlich wie für das Klima, das bekanntlich nicht verhandelbar ist, mit - u.U. tödlichen - Folgen. Die Chancen, Ressourcen zu schonen und Energie einzusparen stecken nicht nur im Heizen und in der Mobilität. Auch moderne Industrie kann effektiv zum Klimaschutz beitragen, mit "Technology made in Germany". Bei Impfstoffen haben wir in Deutschland gezeigt, dass nicht die Pharma-Riesen, sondern Startups essenziell sind. Förderung v. guten Ideen, im Interesse der Gesellschaft u. der Wirtschaft. Dafür braucht es kooperative (soziale!) Banken u. auch einige priv. SponsorInnen. Als wir unlängst einen Energiewirt aus dem Bereich der Landwirtschaft, der Bioenergie erzeugt mit einer selbst entwickelten Anlage, besuchten u. befragten, hat er die Suche n. Unterstützung als Problem geschildert. Sicherheiten waren die Seite der zunächst ungläubigen Kreditgeber, mangelndes Vertrauen und später im Erfolg Missgunst die Ambivalenz der bäuerlichen Nachbarn. Kooperation auf hohem Niveau ist ein Erfordernis der 4.0 Welt, global zur Rettung der Mitwelt innerhalb der "natürlichen" Frist. Der Ball ist im Spiel nach vorne geblieben durch den Steilpass nach Balleroberung wegen Pressing. Ob der Vollstrecker (m,w,d) vorne in vollem Lauf annimmt oder volley abzieht? Im anderen Tor steht seit kurzem der Ersatz der Amateure. Nur wer farbenblind ist, hat nicht erkannt, welche Farbe das Trikot der Erfolgreichen hat. Schwarz-Rot stand soeben abseits, gelb ist es aber hier und heute auch nicht. The Final Countdown.

  • "...ist aus ihrer Rolle heraus nachvollziehbar – schließlich müssen sie immer mehr fordern, als die Regierung vorschlägt"

    Nee. Das isses nicht.

    "Und tatsächlich reichen die nun vorgestellten Ziele nicht aus, um den deutschen Anteil am 1,5-Grad-Ziel zu erfüllen..."

    ...das ist schon näher dran!

    "... und konkrete Maßnahmen zum Erreichen der Ziele fehlen vorerst noch"

    Treffer!

    Also: käme die Regierung *endlich* im hier-und-jetzt an, dann wäre das ganze Genörgel überflüssig. Der erste Satz liest sich, mit Verlaub, so, als wären mit der Klimaerwärmung Kompromisse zu machen, in guter alter Politik-Manier.

    Das geht schief. Und das wissen wir.

  • Danke, das ist ja schon mal toll. Jetzt aber nicht nachlassen. Bitte die nächsten Schritte bald einläuten.