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Verfassungsschutz blickt nach linksMit V-Leuten gegen Die Linke

Niedersachsens Verfassungsschutz hat drei Mitglieder der Linken durch V-Leute ausspionieren lassen. Wann und warum, soll nun ihr Anwalt rausbekommen.

Beobachtungsobjekt: Maren Kaminski (l.) 2010 als neue Linke-Landesgeschäftsführerin Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hamburg taz | Die Schreiben kamen vor Ostern. Der Absender war für die drei Mitglieder der Partei Die Linke aus Niedersachsen keine alltägliche Adresse: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Hannover teilte ihnen mit, dass über sie eine „Informationsbeschaffung mit nachrichtlichendienstlichen Mitteln“ erfolgt sei.

In dem knappen Brief teilt das Landesamt unter Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut mit, dass die Betroffenem nach Paragraf 22 Absatz 1 des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes von einer geheimdienstlichen Überwachung unterrichtet werden müssten. Der Paragraf regelt, dass der „Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 bis 12 nach seiner Beendigung den Betroffenen mitzuteilen“ sei. Es liegt also nahe, dass die Beobachtung mittlerweile eingestellt ist.

Wann, wie und warum sie überwacht wurden? Das würde auch Thomas Goes von der Linken gern erfahren. Aufschluss gibt der in den Schreiben aufgeführte Hinweis auf „Paragraf 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6a“ des Verfassungsschutzgesetzes. Der erlaubt der Behörde zur Erhebung personenbezogener Daten die „Inanspruchnahme von Personen, deren planmäßig angelegte Zusammenarbeit mit der Verfassungsschutzbehörde Dritten nicht bekannt ist (Vertrauenspersonen)“.

Im Klartext: Niedersachsens Verfassungsschutz hat offenbar V-Leute im direkten Umfeld von Mitgliedern der Linken eingesetzt, um sie auszuforschen.

Keine Verbindung zwischen den Ausspionierten

Über den Anlass der Beobachtung können die Betroffenen bisher nur spekulieren. „Wir kennen uns gar nicht persönlich“, sagt Maren Kaminski, die früher Landesgeschäftsführerin der Linken in Niedersachsen war und heute Gewerkschaftssekretärin bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Hannover ist.

Pleiten, Pech und Pannen

2020: Wegen eines Fehlers in der Datenübermittlung hört Niedersachsens Verfassungsschutz über einen längeren Zeitraum irrtümlich die Telefongespräche eines unbescholtenen Mannes ab.

2019: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen einen Verfassungsschutzmitarbeiter wegen des Besitzes von Kinderpornografie und der Erpressung von Vorgesetzten.

2018: Aktivisten enttarnen einen 24-Jährigen, der zwei Jahre lang die Basisdemokratische Linke in Göttingen ausspionierte und sich auch in studentische Gremien wählen ließ. Die Information über den Spitzel stammte aus Unterlagen, die der Verfassungsschutz selbst in einem anderen Verfahren an das Verwaltungsgericht gegeben hatte. In der Folge tritt Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger zurück.

2017: Ein Untersuchungsbericht zur jugendlichen, islamistischen Attentäterin Safia S. enthüllt gravierende Versäumnisse von Polizei und Verfassungsschutz.

2011 bis 2013: Häppchenweise wird bekannt, dass der Verfassungsschutz offenbar unrechtmäßig Menschen überwacht – darunter einen Radiojournalisten aus Göttingen, Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpcke, aber auch Mitarbeiter von Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Innenminister Boris Pistorius (SPD) setzt eine Task Force ein. Am Ende müssen 1937 Datensätze als nicht gesetzeskonform gelöscht werden. Die Betroffenen werden darüber nicht informiert.

Auch Goes, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität in Göttingen, sagt der taz, er stehe in keiner direkten Verbindung zu den anderen Beobachteten, nicht einmal über interne Parteistrukturen oder -plattformen.

In Niedersachsen wird die Linke als Gesamtpartei nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Das Landesamt beobachte jedoch die vermeintlich „extremistischen Zusammenschlüsse“ in der Partei: Kommunistische Plattform, Sozialistische Linke und Antikapitalistische Linke, heißt es auf der Webseite des LfV.

Goes, der an den Forschungsschwerpunkten Arbeitssoziologie und Kapitalismusanalyse arbeitet, betont: „Ich bin demokratischer Sozialist.“ Und er verweist auf einen Grundgesetzkommentar von Wolfgang Abendroth: Der Politologe und Rechtswissenschaftler hatte in dem Kommentar herausgearbeitet, dass das Grundgesetz einen demokratischen Weg zum Sozialismus offen hält. „Dass es einem so vorkommen kann, als nehme es der Verfassungsschutz mit der Verfassung nicht so genau, wissen wir ja spätestens seit dem NSU“, sagt Goes.

Den aktuellen Vorgang hält er trotzdem für „skandalös“. „Diese geheimdienstliche Verfolgung passt mal wieder. Rechts blind, links schauen“, sagt Maren Kaminski der taz. Beide haben gemeinsam den Göttinger Anwalt Sven Adam eingeschaltet. „Ich bin skeptisch, aber vielleicht werden wir durch den Rechtsweg mehr erfahren“, sagt Kaminski.

In Niedersachsen fordert die Linke schon lange die Abschaffung des Landesamts für Verfassungsschutz. Geheimdienste seien wegen der Geheimhaltung nicht demokratisch kontrollierbar, hatte die damalige Fraktionschefin im niedersächsischen Landtag, Kreszentia Flauger, 2010 im taz-Interview gesagt.

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13 Kommentare

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  • Der Verfassungsschutz jagt immer hinter Linken her, egal ob das angebracht ist oder ob es Anhaltspunkte gibt, die Hauptsache, es gibt da in so einem Landesamt 40 Leute, die die UZ und sonstwelche Publikationen lesen und den verfassungsfeindlichen Kern herausarbeiten. Aber seit Jahren fehlen die echten Gewalttaten und Anhaltspunkte für eine Beobachtung, dennoch richtet sich der Geheimdienst auch gegen Parteien, die in Landesparlamenten vertreten sind, richtet sich gegen linke Journalisten. Das soll viel heißen, im Nachbarbundesland Hessen war ein Geheimdienstler an einem NSU-Tatort, klärte bis heute nicht auf, was er dort zu suchen hatte.

    Überhaupt lässt sich ein Inlandsgeheimdienst nicht wirklich kontrollieren, er ist eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Jetzt dieses hier ... wen wundert das noch? In den NSU-Untersuchungsausschüssen konnte nachgewiesen werden, dass V-Leute im direkten Umfeld des NSU waren, aber nicht wirklich berichteten, oder der Geheimdienste verschwieg, was er wirklich wusste. Dass umgekehrt immer gegen Linke gearbeitet wird, überrascht einen. Gerade weil die echte Gewalt und harte Organisationen momentan gar nicht auszumachen sind. Ermittelt wird trotzdem, vielleicht ging es ja hier auch um was anderes, vielleicht war die Partei das Ziel der Operation, ging es darum, diese zu schwächen, die Konkurrenz zu SPD und Grünen zu reduzieren.

  • Klartext:



    de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Witthaut

    Ex-GdP-Chef. Latenter Atomkraftgegner, weil er von Castortransporteinsätzen die Schnauze voll hatte. Bereit zu scharfer Überwachung von rechtsradikalen und christlich-fundamentalistischen Vigilanten.

    Vorgängerin war de.wikipedia.org/w...aren_Brandenburger, die sich aufgrund ihrer Kompetenzen nicht im operativen Bereich sondern in der Öffentlichkeitsarbeit als Fehlbesetzung erwies.

    Brandenburgers Vorgänger war Hans Wargel, über den Wikipedia keinen Artikel hat, aber die Grünen bestanden nach Abwahl der CDU-Landesregierung darauf, ihn so schnell wie möglich loszuwerden, und der CDU-Rechtsaußen Schünemann lobte ihn für seine "Bekämpfung des politischen Extremismus".



    Witthaut und Brandenburger sind SPD-Mitglieder. Wargel ist offenbar parteilos, aber steht seinem Handeln nach zu urteilen der "Werteunion" nahe.

    Dreimal dürft ihr raten, auf Kappe welcher Partei die Zweckentfremdung des VS zur Bekämpfung der demokratischen Opposition ging. Oder vielleicht reicht einmal raten; als kleine Hilfe:



    de.wikipedia.org/w..._Verfassungsschutz

    Chapeau an Herrn Speit für die Erwähnung Abendroths. Allein schon seiner Biographie wegen jemand, den man einfach kennen muss, und ganz allgemein von immenser Wichtigkeit, denn im deutschsprachigen Raum hat wohl niemand so umfassend ausgearbeitet, wie eine freiheitliche Demokratie jenseits des Kapitalismus aussehen müsste, und wie sie ohne Blutvergießen oder Autoritanismus zu erreichen ist - also EXAKT das, was Linke und Progressive in Deutschland (und damit ist insbesondere die Klimabewegung angesprochen) mit vereinten Kräften anstreben und einfordern sollten. Ein freiheitlich-demokratischer Sozialismus wird nicht alle Probleme lösen, aber ohne ihn ist bei den dringendsten Zukunftsproblemen eine nachhaltige *Lösbarkeit* von Grund auf unerreichbar.

  • Es zeigt sich mal wieder, dass der sogenannte „Verfassungsschutz“ mit Verfassung und Demokratie ungefähr soviel zu tun hat, wie das Rind mit dem Eiskunstlauf. Was mich nur wundert, dass immer noch Leute glauben, es könnte auch irgendwie anders sein. Nein - der Laden ist unkontrollierbar, weil er so angelegt wurde. Die wissen meist selbst gar nicht, was sie da tun, weil es ja schließlich geheim bleiben soll.

  • @LOWANDORDER: Danke für -- wie immer -- spannende Links & Hinweise!

    @KAPPERT JOACHIM: Ich glaube, ich weiss, was Sie meinen. Aber... clever?

  • Ach, wäre der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge doch auch so clever.

    • @Kappert Joachim:

      Augen auf und "AfD Gericht Verfassungsschutz" googeln!

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    da gibt es halt ein paar stigmatisierer in Niedersachsen, ob es die gleichen sind wie die die damals ramelow beobachtet haben, wohl nicht ganz aber sicherlich welche aus dieser Ägide. sei treu, bleib treu und du bekommst Aufstiegschancen.

  • Also wenn man bedenkt, wie lange es benötigt hat und bei manchen noch benötigt, dass Politiker der AfD trotz klaren Statements, trotz klarer Mitgliedschaften in so einigen "Gremien" vom VS beobachtet werden, kann man schon langsam Angst bekommen.



    Aber klar wenn man ein 3-Mann-NSU-Trio nicht mit mehr als 40 V-Männer aushebeln kann, dann sucht man sich eben scheinbar einfachere Ziele. Linksextremismus nun, was ebenso in Leipzig im Umfeld von Chemie Leipzig passierte, scheint nun auch hier passiert zu sein.



    Am Ende wird man wieder wie schon so oft bei der Linken, nichts finden, was strafrechtlich relevant wäre. Dabei könnte man beim Rechtsextremismus so dolle fündig werden, doch da steckt man lieber nur Geld, Waffen, Autos und Logistik in die Szene. Sie muss scheinbar noch gedeihen...

  • Diese panische Angst vor allem, was irgendwie "links" ist hat enorme Kosten für unsere Gesellschaft.

    Das war in den Springerstiefel-Jahren der 1990er zu sehen und wieder jetzt, in der Zeit der Covidioten.

    Muss so eine Art Gesellschaftsneurose sein, die gelegentlich auch leider psychotische Züge annimmt.

    • @tomás zerolo:

      Wir haben diverse Bundesländer mit linken Regierungen in DE. Aktuell sehen die Sonntagsfragen so aus, dass wir nach der Bundestagswahl eine RRG-Regierung haben.

      Mit der panischen Angst und der Gesellschaftsneurose ist es also soweit nicht her. Da werden völlig übertriebene Schattenscheinriesen an die Wand geworfen. Wem will man damit Angst machen, das die Linken n DE eine kleine bedrohte und verfolgte Spezies sei?

      Aus den Bundesländern mit RRG Regierungen oder mit MP aus der LP hört man zudem in Sachen VS nüscht. Kein Umbau, keine Skandale, null nada nix. Das gleiche Business as usual wie anderswo auch. Auch da werden nur Scheinriesen aufgebaut.

    • @tomás zerolo:

      anschließe mich.

      Vor allem aber!



      Gerade in der 🐣lichen ☕️☕️Runde:



      “Unbedingt die Texte der Schlapphüte veröffentlichen! Unbedingt!“



      Seit Refi- Richter- & Anwaltszeiten bis heute - aus der Aktenkenntnis:



      Die sich dabei durch die Bank auftuende - Primitivität - rechte Gesinnung & rechtsstaatswidrige Verdrehtheit - ist atemberaubend bodenlos! & Nich to glöben. In echt - 🤮 -

      kurz - Rein tonn katolsch warrn • - 👹 -

      unterm—— btw but not only



      Heinrich Böll & Max Frisch haben dem ja literarische Denkmäler gesetzt.



      Länderübergreifend •



      &



      www.tagesanzeiger....cia/story/21051959



      & auch schön Hans Mayer



      www.spiegel.de/kul...-0000-000042928503



      & himself



      “ . Im selben Jahr erfuhr er im Rahmen der Fichenaffäre, dass er seit seiner Teilnahme am internationalen Friedenskongress 1948 wie viele andere Schweizer Bürger von den Behörden bespitzelt worden war. Am 1. August 1990 erhielt er (zensurierten) Zugang zu den behördlichen Aufzeichnungen und verfasste vor Ende 1990 dazu den Kommentar Ignoranz als Staatsschutz?, in dem er zu einzelnen Aktenteilen Stellung nahm: Seine Fiche sei „ein Dokument der Ignoranz, der Borniertheit, der Provinzialität“.



      Der Text wurde erst 2015 bei Suhrkamp als Buch veröffentlicht.“ Ach was!



      de.wikipedia.org/wiki/Max_Frisch