Rechtsextreme Anschlagsserie in Sachsen: Freital-Urteil, zum Dritten
Rechtsextreme attackierten 2015 in Freital Asylunterkünfte und Linken-Projekte: Nun wurden drei weitere Unterstützer verurteilt.
Über Monate wurden damals in der Stadt bei Dresden Asylunterkünfte mit präparierten Böllern angegriffen, teils 130-fach stärker als Silvesterfeuerwerk. Ein Geflüchteter erlitt durch Glassplitter Verletzungen im Gesicht. Attackiert wurden auch ein Linken-Büro, das Auto eines Linken-Stadtrats und das alternative Wohnprojekt Mangelwirtschaft in Dresden.
Die Polizei brauchte lange, bis sie die Täter:innen fasste: eine Gruppe Rechtsextremer, die sich konspirativ über einen Chatkanal koordinierte und zuvor eine Bürgerwehr gegründet hatte. Am Ende übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen.
Schon 2018 wurden dafür sieben Männer und eine Frau wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung zu Haftstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt. Sie hätten die Geflüchteten und Linken vertreiben wollen und auch Tote in Kauf genommen, so das Gericht. Im Februar dieses Jahres erhielten drei weitere Mittäter:innen, darunter ein früherer NPD-Mann, und eine Helferin der Gruppe Haftstrafen bis zu zweieinhalb Jahren.
Verurteilte waren an Angriff auf linkes Projekt beteiligt
Nun folgt das Trio: ein 34-jähriger Verkäufer, ein 51-jähriger Monteur und ein 56-jähriger Altenpfleger. Das Gericht zeigte sich am Donnerstag überzeugt, dass auch die Drei Teil der konspirativen Chatgruppe der Rechtsextremen waren – und verurteilte sie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung oder Beihilfe beim Angriff auf das Wohnprojekt Mangelwirtschaft.
Der 51-jährige Torsten L. soll sich direkt an dem Angriff auf die Mangelwirtschaft in Dresden beteiligt haben. Die Freitaler Gruppe hatte mit Dresdner Kameradschaftlern das Haus damals mit Steinen, Pyro-Sprengsätzen und Buttersäure attackiert. Ein präparierter Böller explodierte in der Küche des Wohnprojekts, zwei Meter neben einem Bewohner. Simone S. habe den Angreifer:innen zuvor einen Vorwand für die Attacke geliefert, indem sie über einen linken Angriff auf ein Anti-Asyl-Protestcamp in Dresden berichtete.
Das Trio hatte die Vorwürfe eingeräumt, gab sich sonst aber eher wortkarg. Die Anwältin von Torsten L. betonte jedoch, ihr Mandant bereue die Tat und habe die rechte Szene verlassen. Tatsächlich hatte der 51-Jährige 2015 mit für das Auffliegen der Freital-Gruppe gesorgt: Er hatte bei der Polizei ausgepackt, Chatprotokolle überreicht und dafür anfänglich Vertraulichkeit zugesichert bekommen. Die Gruppe konnte dennoch einen weiteren Anschlag begehen, dann erfolgten die Festnahmen. Torsten L. war zuvor schon im Visier der Ermittler: Er hatte sich an einem Baseballschläger-Angriff auf den PKW des Sohnes von Wirtschaftsminister Martin Dulig beteiligt.
Opferanwälte beklagten die lange Verfahrensdauer
Torsten L. erhielt nun die höchste Strafe der Verurteilten, mit zwei Jahren Haft auf Bewährung. Auch die Generalstaatsanwaltschaft hatte Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren gefordert. Anwälte der Opfer der Freitaler Anschläge hatten die lange Dauer der Ermittlungsverfahren beklagt, die zu Strafrabatten geführt hätten.
Ganz beendet ist die juristische Aufarbeitung jedoch weiter nicht. Die Verurteilten können noch Revision einlegen, dies taten auch einige der Angeklagten im zweiten Freital-Prozess. Bis heute sitzen zudem drei der im ersten Prozess Verurteilten in Haft.
In Freital selbst hat sich die Lage wieder beruhigt. Die Gegner:innen der Geflüchteten sind nun aber über die AfD im Stadtrat vertreten, die dort seit 2019 die zweitgrößte Fraktion hält. Auch Bürgermeister Uwe Rumberg verließ 2020 die CDU, ist nun parteilos. Er hatte die Anschläge anfangs kleingeredet, später „extremistische Gewalt“ verurteilt. Zu den Anschlägen wollte sich Rumberg zuletzt nicht mehr äußern. Er habe dies bereits „hinreichend“ getan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Streitgespräch über den Osten
Was war die DDR?