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Entschädigung für den AtomausstiegKritik an die falsche Adresse

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Laufzeitverlängerung spielt bei der Entschädigung fast keine Rolle. Faktisch war der schwarz-gelbe Atomausstieg verbindlicher als der rot-grüne.

Statt zu qualmen, kann Vattenfall bald sein Geld zählen Foto: dpa/ Armin Weigel

D ass die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke für deren Abschaltung jetzt noch 2,4 Milliarden Euro Entschädigung bekommen, ist ohne Frage ärgerlich. Schließlich gäbe es viele Dinge, wofür dieses Geld besser eingesetzt wäre. Doch die Kritik, die Teile von Grünen, SPD und Linken in diesem Zusammenhang an Union und FDP üben, ist unfair.

Denn darin wird meist der Eindruck vermittelt, dass die Entschädigung vor allem deshalb fällig wird, weil die konservativ-liberale Koalition 2010 die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert hatte, bevor sie dann nach Fukushima wieder verkürzt wurde. „2,4 Milliarden Euro sind der Preis für die wenige Monate währende Laufzeitverlängerung der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung“, kommentierte etwa Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Doch das ist schlicht nicht wahr.

Tatsächlich spielt die Laufzeitverlängerung bei der Entschädigung fast keine Rolle. Von den zu zahlenden 2,4 Milliarden Euro entfallen ganze 142 Millionen auf Investitionen, die aufgrund der angekündigten Laufzeitverlängerung getätigt wurden. 2,3 Milliarden Euro werden dagegen fällig, weil die AKWs nach dem schwarz-gelben Post-Fukushima-Ausstieg deutlich weniger Strom produzieren durften – und zwar ausdrücklich nicht im Vergleich zur vorherigen Laufzeitverlängerung, sondern im Vergleich zu dem, was die rot-grüne Regierung den Konzernen beim ersten Atomausstieg im Jahr 2002 vertraglich zugesichert hatte. Denn faktisch war der schwarz-gelbe Ausstieg mit der Sofortabschaltung von 8 AKWs und den festen Abschaltdaten für die verbliebenen schneller und verbindlicher als der rot-grüne.

Tatsächlich kritikwürdig ist eine andere Ursache für die Entschädigungen: Dass sie schon jetzt und in dieser Höhe fällig werden, dürfte am internationalen Energiecharta-Vertrag liegen. Die Klage, die Vattenfall auf dieser Grundlage vor einem internationalen Schiedsgericht einreichen konnte, hat die Verhandlungsposition der Konzerne verbessert. Wenn es also eine Konsequenz aus der Milliardenentschädigung gibt, sollte es die Kündigung oder eine Reform dieses Vertrags sein.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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9 Kommentare

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  • Vielen Dank an Malte Kreutzfeldt für diesen sachlichen Kommentar! Es tut gut diese Zeilen in der TAZ zu lesen.



    Schmerzen bereitet mir allerdings der Populismus den hier O.Kirschner als führender Grüner mal wieder raushaute; „2,4 Milliarden Euro sind der Preis für die wenige Monate währende Laufzeitverlängerung der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung“



    Ein bischen mehr Faktenwissen und kritische Selbstreflexion bei den umweltrelevanten Themenbereichen und dafür weniger twitterkompatible verkürzte

    • @niko:

      "Ein bischen mehr Faktenwissen und kritische Selbstreflexion bei den umweltrelevanten Themenbereichen und dafür weniger twitterkompatible verkürzte " ... Schlagzeilenkommentare würden der grünen Partei aktuell ganz gut tun .

      Sollte es heissen... da ist wohl ein teil des gewollten Kommentars nicht mit rüber gekommen.

      PS: @taz ! eine editierfunktion der eigenen Komentare würde meines erachtens der Kommune ganz gut tun!

  • Der Grundstein für die Entschädigungszahlungen wurde durch die ungeeignete und falsche Begründung im Atomausstiegsgesetz geliefert. Damals wurde bereits von vielen kritisiert, dass hierdurch der Entschädigungsanspruch geradezu provoziert wurde. Die Regierung hätte damals auch eine Begründung anführen können, welche Entschädigungsansprüche praktisch ausgeschlossen hätte. Waren die Juristen in den Ministerien zu dumm oder war der Entschädigungsanspruch gewollt. Derartige Fragen stellen sich nicht nur beim Atomausstiegsgesetz.

  • Danke.

  • Seien wir ehrlich. Der Atomaustieg ist jeden Penny wert! und 2,5 Milliarden klingt viel. Legt man es auf die Bevölkerung um sind das um die 30€ pro Person.



    Das zahle ich doch gerne.

    Rückbau und Endlagerung werden uns alle noch ein Vielfaches Kosten!

  • Was passiert wohl wenn Akelius und Heimstadten vor Internationalen Gerichten gegen Enteignungen in Berlin Klagen ?

  • Es sind alle ISDS enthaltenden Verträge zu kündigen oder neue (z.B. CETA) zu verhindern. Aber grün(mit-)regierte Länder wollen augenscheinlich zustimmen...

  • Danke für eine faktenbasierte Darstellung. Sicher muss man das Ergebnis nicht mögen, aber das sollte die Tatsachen nicht ändern.

  • Ohne den „Ausstieg vom Ausstieg“ gäbe es doch gar keinen irgendwie durchsetzbaren Klagegrund der Betreiber auf Entschädigung - vor welchem Gericht auch immer. Mit Fukushima änderte sich die Risikobewertung, auf deren Grundlage Betriebserlaubnisse erteilt wurden. Die 8 AKW's die sofort abgeschaltet wurden, hatten spätestens damit auch gar keine Betriebserlaubnis mehr. Die meisten davon waren zu dem Zeitpunkt doch ohnehin schon nicht mehr am Netz, weil defekt bzw. unrentabel.