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Inhaftierung eines RappersPutinisiertes Spanien

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Spaniens rigoroses Vorgehen gegen den Rapper Pablo Hasél trägt russische Züge. Und das obschon Sozialisten und Linksalternative regieren.

Eine Schaufensterpuppe in Barcelona hält die Stellung nach einer Solidaritätsdemonstration mit Hasél Foto: Nacho Doce/reuters

E in Rapper, der gegen das Staatsoberhaupt ansingt, wird wie ein Schwerverbrecher in einer Universität festgenommen, weil er sich weigerte, eine neunmonatige Freiheitsstrafe anzutreten. Kaum ist er in Haft, legt ein anderes Gericht nach und verurteilt ihn zu weiteren zweieinhalb Jahren, da er Polizisten bedroht haben soll. Putins Russland? Erdoğans Türkei? Das Marokko von Mohammed VI.? Nein, weit gefehlt. All das geschieht dieser Tage im Spanien von König Felipe VI.

Das – man kann es kaum glauben – von einer Koalition aus Sozialisten und Linksalternativen regiert wird. Als Grundlage für dieses Vorgehen dient ein Antiterrorgesetz, das 2015 nach dem Anschlag in Paris auf die Zeitschrift Charlie Hebdo verschärft wurde. Dem besagten Rapper Pablo Hasél wurde „Beleidigung Seiner Majestät“ und „Verherrlichung des Terrorismus“ vorgeworfen.

Dass er den ehemaligen König Juan Carlos I. als „mafiös“ und als „Dieb“ bezeichnete, ähnelt heute eher einer Tatsachenbeschreibung als einer Majetätsbeleidigung. Juan Carlos, Vater des jetzigen spanischen Königs Felipe VI., hält sich in den arabischen Emiraten auf. Gegen ihn wird wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt – zuerst in der Schweiz und dann, wenn auch zögerlich, zu Hause in Spanien.

Es geht hier um eine nicht enden wollende Serie von Nachrichten über die Korruption in Spanien, aber nicht um Majestätsbeleidigung. Jemanden dafür einzusperren, dass er auszusprechen wagte, was lange sogar für Medien und Politik ein Tabu war, ist mehr als verurteilenswert. Sicher gehen mit Hasél hin und wieder die Gewaltfantasien durch, wenn er über korrupte Politiker rappt. Schön ist das sicher nicht. Es schockiert. Aber Kunst muss nicht immer jedem gefallen.

Die Meinungsfreiheit und die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks sind dazu da, solche Werke und ihre Verfasser dennoch zu schützen. Ein Land, in dem der König in der Verfassung „unantastbar“ ist, die Grundfreiheiten aber nicht, hat ein Problem: Es ist keine allumfängliche Demokratie.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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14 Kommentare

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  • Sehr geehrter Herr Wandler, Zitate aus Pablo Haséls poetischer "Kunst":



    “no me da pena tu tiro en la nuca, pepero” - "Dein Schuss in den Nacken tut mir nicht leid, Pepero." (“Pepero” = Politiker der Partido Popular)



    “que alguien clave un piolet en la cabeza de José Bono” – “Möge jemand José Bono einen Eispickel in den Kopf schlagen!" (José Bono = Politiker der PSOE)



    “donde muchos comunistas ni conocen a los Grapo, yo sí respeto a quien más de un cerdo mató” – “Viele Kommunisten kennen die Grapo nicht einmal, ich hingegen respektiere, wer mehr als ein Schwein getötet hat.” (Grapo = Terrororganisation, 84 Morde)



    “Gora ETA” – “Es lebe ETA!”



    “merece que explote el coche de Patxi López” – “Patxi López verdient, dass sein Auto explodiert!” (Patxi López = ehem. Präsident des Baskenlandes)



    “mira los puercos del PSOE comiéndosela a la Monarquía, los dispararía uno a uno, sería oportuno, algo mejoraría” - "Sieh dir die PSOE-Schweine an, die die Monarchie fressen. Ich würde sie einzeln erschießen. …”



    “es un error no escuchar lo que canto, como Terra Lliure dejando vivo a Losantos” - "Es ist ein Fehler, nicht auf das zu hören, was ich singe, so wie es ein Fehler ist, dass Terra Lliure Losantos am Leben lässt." (Terra Lliure = Terrororganisation, über 200 Attentate, mehrere Entführungen, u.a. Herrn Losantos, dem sie als Warnung ins Knie schossen)

    Kleines Gedankenexperiment, Herr Wandler: Stellen Sie sich vor, die Texte stammten von einem Nazi-Rapper, der rechten Terror verherrlicht, und singt, dass namentlich genannte (linke) Politiker ermordet werden sollten. Dieser Nazi-Rapper, wegen solcher Gewaltaufrufe und -verherrlichungen bereits mehrfach verurteilt, käme nun in Haft. Im Anschluss randaliert ein Mob von Rechtsextremen tagelang auf den Strassen. Rechte Politiker applaudierten und stellten die Demokratie in Frage.



    Würden Sie dann auch schreiben: “Die Meinungsfreiheit und die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks sind dazu da, solche Werke und ihre Verfasser zu schützen.” ?

    • @MaPi:

      “There is no such thing as a moral or an immoral book.



      Books are well written, or badly written. That is all.”

      ― Oscar Wilde, Preface to "The Picture of Dorian Gray"

    • @MaPi:

      Ihr kleines Gedankenexperiment, Mapi, hinkt insofern, dass Rechtsextreme den besonderen Schutz des spanischen Regimes (siehe Fall Blanquerna!) geniessen.



      Es gehen dort in der Regel nur linke und sogenannte "Separatisten" wegen "Meinungsdelikten " in den Knast, daher auch die überschäumende Wut jetzt.

      Der Artikel von Rainer Wandler beschreibt den ganzen Fall "Spanische Schein-Demokratie" trefflich. Es wird Zeit, dass noch mehr Europäische Politiker und Entscheigungsträger Klartext reden.

    • @MaPi:

      Danke.

      Und ich ergänze: Der Putinvergleich hinkt gewaltig.

      Pablo Hazel hetzt gegen die Monarchie und verherrlicht die ETA. Er ruft regelmäßig zu Gewalt auf, und seine Anhänger kommen und randalieren. Und ganze 17 (oder waren es 20?), von Ihnen, denen man diese Gewalt nachweisen kann, wurden dabei nun festgenommen.

      In Russland kämpft die Opposition seit vielen Jahren völlig gewaltfrei für ihre legitime politische Teilhabe. 250.000 Menschen in ganz Russland sind dafür im Januar völlig friedlich auf die Straße gegangen, sie wurden mit Gummiknüppeln auseinander gejagt und und über 11.000 von Ihnen wurden festgenommen.

      Unterschied verstanden?

      • @Barbara Falk:

        Ihr Satz " Und ganze 17 (oder waren es 20?), von Ihnen, denen man diese Gewalt nachweisen kann, wurden dabei nun festgenommen.", Frau Falk, ist sehr voreilig, denn eine Festnahme ist in der spanischen Monarchie leider oft ein politisches Mittel und trifft regelmässig Unschuldige, wie die beiden Jordis oder auch Sandro Rosell, welcher 2 Jahre in U-Haft sass, bis sein Fall wegen eben nicht vorhandener "Nachweise" fallengelassen wurde.

      • @Barbara Falk:

        Die russische Opposition ist zweifelsfrei bewundernswert, aber warum schmälern Sie die pazifischtischen Demostrationen der Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens, welche Jahr für Jahr Milionen Menschen mobilisierte und am 1. October 2017 (ähnlich wie im putinisierten Rusland) von spanischer Polizei und paramilitärischer Guàrdia Civil verprügelt wurde. Mehr als 1000 Verletzte damals am Tag des unilateralen Referèndum.

  • Das turbo-putinisierte Vereinigte Königreich nicht vergessen.

    Da sitzt Julian Assange seit über einem Jahr wegen konstruierter Anschuldigungen in verschärfter Einzelhaft, die Folter gleichkommt.

  • Na, Merkel Maaß und Co haben doch sicher schon in höchster Empörung ein Statement abgegeben, das totalitäre Regime Spaniens angeprangert, die sofortige Freilassung gefordert und angekündigt man müsse unter diesen Umständen auch über den Stopp des Betriebs der Obst-und Gemüsepipeline reden...

  • Der Vergleich mit Marokko ist angebracht, ein Vergleich mit Thailand wäre noch angebrachter, denn ausschlaggebend für diesen Skandal ist nicht das Antiterrorgesetz (das ist nur das Werkzeug), sondern das Majestätsbeleidigungsgesetz von 1995, und das Strafverfahren gegen Hasél geht noch in die Zeit der Regierung Rajoy zurück. Die "Koalition aus Sozialisten und Linksalternativen" hat damit exakt gar nichts zu tun, solange die spanische Justiz von der Regierung unabhängig ist. Und das ist sie meines Wissens der Fall; im Gegenteil, sie ist organisatorisch fast schon ein Staat im Staate.

    An Putins (oder Trumps) Methoden erinnert eher die geballte antichinesische Hetz- und Lügenkampagne, die seit einigen Tagen durch die Springer-Presse rollt. Erst Verbreiten von Wiesendangers Youtube-"Recherche" in der BILD, jetzt Zero Covid als chinesischer Geheimdienst-Trick, um Europa kommunistisch zu machen in der WELT. Und die "Klimakanzlerin", die natürlich niemals auf die Idee kommen würde, mit der Freien Presse[TM] dieses Landes irgendwelche Absprachen zu treffen um ihr Handeln propagandistisch einzurahmen, zieht ganz plötzlich und ohne Ankündigung einen detaillierten Durchseuchungs-Stufenplan aus der Tasche, der ihr vermutlich letzte Nacht durch den Blitzstrahl göttlicher Eingebung zugeflogen ist... die Regierungsstrategie, ZeroCovid totzuschweigen und allenfalls daran beteiligte Wissenschaftler*innen zu im Bundeskanzlerinnenamt unerwünschten Personen zu erklären, hat nicht funktioniert, und jetzt geht man halt mit Trump/Bannon-Methoden gegen diese subversiven Intellektuellen vor... er hat ein wissenschaftliches Fachbuch gelesen und die chinesische Containment-Strategie gelobt, klarer Fall, das muss ein Agent der rotfaschistischen Weltverschwörung sein!



    Sind Scheuer, Spahn und Seehofer eigentlich immer noch Bundesminister, und wenn ja, wessen Protektion schützt sie vor Entlassung und strafrechtlichen Konsequenzen? Ein Rätsel, ein Rätsel.

    Nothing to see here. Move on.

  • Das Verhalten der spanischen Regierung steht in gerader Linie mit der Politik der PP und der Francistischen Tradition in der Spanischen Justiz (und der PP).

    Es hatnicht mit Putin zu tun, sondern mit der nicht aufgearbeiteten faschistischen Vergangenheit Spaniens.

    Solch fehlgeleitet und ahistorische Titel sind bösartige Verdrehungen der Realität.

  • Strafverschärfend für Pablo Hasél kommt hinzu, dass er für die staatliche Unabhängigkeit Kataloniens eintritt. Wie wir alle wissen, sitzt ein großer Teil der politischen Elite Kataloniens wegen Meinungsdelikten im Kerker. Der Skandal ist, dass die regierende sozialistische Partei zu feige ist, ihren Ankündigungen Filfe zu leisten, das vom postfranquistischen Rajoy-Regime eingeführten Knebelparagraphen zu streichen.

    • @Kunz:

      Ich kann Ihren Worten, Kunz, nur zustimmen.



      So ist es leider!

  • "Sicher gehen mit Hasél hin und wieder die Gewaltfantasien durch, wenn er über korrupte Politiker rappt."

    Eine Untertreibung, zumal er solche Kommentare auch in Interviews oder in sozialen Medien loslässt.

    Sonst echauffieren sich die Medien doch, wenn Politiker bedroht, beleidigt und mit Hass überschüttet werden - immer wieder wird hierzulande härteres Durchgreifen auch im Internet gefordert.

    Da darf man in so einem Fall jetzt nicht alles mit "Meinungsfreiheit und die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks" verteidigen und kleinreden.

  • "Sicher gehen mit Hasél hin und wieder die Gewaltfantasien durch,"



    Fällt Gewaltverherrlichung neuerdings unter Kunst?