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Urteil gegen NawalnyDas Verdikt aus der Schublade

Kommentar von Barbara Oertel

Moskau musste Alexei Nawalny hinter Gitter schicken, um sich nicht lächerlich zu machen. Der Kreml trägt sein Gewaltmonopol zur Schau.

Wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen: dreieinhalb Jahre Haft für Alexei Nawalny Foto: Moscow City Court Press Service/imago

K urzer Prozess: Dreieinhalb Jahre Haft für Alexei Nawalny wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen aus einem Verfahren von 2014. Die zwölf Monate, die er bereits in Hausarrest abgesessen hat, werden ihm freundlicherweise erlassen. Es wird ein Geheimnis des Kremls bleiben, wie der vergiftete Oppositionspolitiker, der komatös in einem Berliner Krankenbett lag, seiner Meldeverpflichtung hätte nachkommen sollen.

Wann immer Re­gime­geg­ne­r*in­nen in Russland vor Gericht stehen, ist davon auszugehen, dass die Urteile schon vorher fertig in der Schublade liegen. Das dürfte auch im Falle Nawalnys nicht anders gewesen sein. Zu schrill war bereits die Begleitmusik vor dem Verfahren, als dass die Staatsmacht ein anderes Verdikt hätte fällen können, ohne sich vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.

Nach den beiden vergangenen Protestwochenenden war auch am Dienstag wieder eine Armada von Sicherheitskräften aufmarschiert, um, im wahrsten Sinne des Wortes, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Nur verbal attackiert wurden westliche Diplomat*innen, die sich zum Gericht aufgemacht hatten. Die Einlassung der Sprecherin des Innenministeriums Marina Sacharowa, der Westen habe sich selbst entlarvt und wolle Russland „eindämmen“, folgte dem bekannten Narrativ.

Dabei ist der politische Niemand Nawalny doch unwichtig. Ja, so bedeutungslos, dass sich Präsident Wladimir Putin an diesem Tag lieber dem Gewinner des Wettbewerbs „Lehrer des Jahres 2020“ widmete. Man muss eben Prioritäten setzen. Das werden wohl auch Nawalnys Un­ter­s­tüt­ze­r*in­nen tun. Es ist zu erwarten, dass viele ihren Unmut, der über die Kausa Nawalny hinausgeht, weiter auf die Straßen tragen werden – wohl wissend, welche Risiken damit verbunden sind. Nawalny-Unterstützer*innen haben noch für Dienstagabend zu landesweiten Protesten aufgerufen.

Und die EU? Die wird in Gestalt des Außenbeauftragten Josep Borrell am Ende der Woche in Moskau erwartet. Der Kreml wolle sich um eine Normalisierung der Beziehungen zu Brüssel bemühen, die völlig ungerechtfertigt eingefroren seien, heißt es. Ungerechtfertigt? Vielleicht kann Herr Borrell da ein wenig Aufklärungsarbeit leisten.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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13 Kommentare

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  • Nur zwei Worten dazu: Assange und Biggoterie.

    • @yurumi:

      Free Assange!

      • @Rainer B.:

        👍

  • Das südafrikanische Regime hat sich auch den eigenen Sargnagel gesetzt als es Mandela ins Gefängnis gesteckt hat....

  • Ich sach's mal so: Moskau macht sich doch restlos lächerlich, indem es Alexei Nawalny hinter Gitter schickt. Einen blöderen Strafvorwurf als „er hat sich aus dem Koma nicht bei der Polizei gemeldet“ hab ich jedenfalls noch nie gehört.

  • Ich frage mich jedoch, wo war diese Reaktion und Aufregung, als der saudische Journalist zersägt wurde. Öl nimmt man auch weiter gerne von dort, oder liegt es einfach daran, dass die Saudis mit den USA im Bunde stehen und man deshalb nicht so eskaliert ist?



    Frankreich, gerade wegen massiver Polizeigewalt wieder in aller Munde gewesen, verurteilt die russische Polizeigewalt gegen Demonstranten, kann man sich nicht ausdenken. Assange deckt Kriegsverbrechen der USA auf und wird dafür von Europa behandelt wie der letzte Terrorist, die Haftbedingungen erfüllen alle Kriterien von Folter, in England nicht Russland oder einer andere Diktatur.

    Ich bin kein Freund von Putin und seiner präsidialen Diktatur, die westlichen Staaten sollten jedoch massiv an ihrer eigenen Rechtsstaatlichkeit arbeiten und dieses bigotte Spiel lassen, damit machen sie sich selbst lächerlich.

    • @christoph ganter:

      leider wahr

  • Hätten unsere Medien was drauf hätte man über das Urteil berichtet bevor es verkündet wurde - gefällt worden war es schon vor Monaten.

  • Alexei Nawalny hat das Krankenhaus am 22. September verlassen, und wurde in einer Publikation in der Zeitschrift "Lancet" von seinen Ärzten im Dezember 2020 für vollständig genesen erklärt.



    Die daraufhin folgende Aufforderung der russischen Gefängnisbehörde, sich zu melden, hat er ignoriert, um vor der Abreise noch sein Anti-Putin-Video fertig stellen zu können.



    Es ist nur schwer vollstellbar, dass irgendeine Justiz irgendwo in der Welt anders entschieden hätte als die russische: Wenn ein verurteilter Krimineller seine Bewährungsauflagen nicht einhält, muss er ins Gefängnis.



    Man mag mit Alexei Nawalny sympathisieren, man mag das Urteil von 2014 kritisieren. Tatsache bleibt aber, dass Herr Nawalny rechtskräftig verurteilt wurde, und dass er seine Bewährungsauflagen nicht eingehalten hat.

    • @Peter_:

      Nein, Nawalny wurde nicht rechtskräftig verurteilt. Der Europäische Menschengerichtshif hat festgestellt, dass das Urteil rechts(staats)widrig ist.

      In keinem demokratischen Rechtsstaat wäre solch ein Urteil denkbar und gäbe es also auch keine Bewährungsstrafe, keine Verhaftung und keine Strafe. Nawalny ist disbezüglich KEIN Krimineller!

      Wie jeder ordentliche Diktator ignoriert Wladimir "Nowitschok" Putin natür das Urteil des Europäischen Menschengereichtshof genauso wie Menchenrechte und Rechtsstaat.

  • Und was macht Deutschland? Nichts. Es gibt in Deutschland kein Gesetz analog zum Magnitsky Act in den USA, das Putins Umfeld sanktioniert. In sieben Länder gibt es das Gesetz bereits, nicht in Deutschland. Die Verbrecher in Putins Umfeld und deren Familien dürfen weiterhin einreisen, Immobilien erwerben und die geraubten Milliarden bei EU-Banken bunkern. Ein erster Schritt wäre es, diesen Leuten das süße Leben in Europa zu verderben. Sehr lange würde sich Putin dann nicht mehr an der Macht halten können. Ein Riss in der russischen Elite wäre der schnellste Weg, dieses faschistoide Regime zu beenden. Aber lieber bauen die Schwesigs, Schröders, Merkels dieser Republik Pipelines und vermeiden Alles, was Putin und seinem Umfeld die Laune verderben könnte.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Putin ist da goldene Kalb um das rechte und linke Deutsche Arm in Arm tanzen, völlig egal das seine Luftwaffe zusammen mit der von Assad Krankenhäuser bombardiert, seine Rebellen Zivilmaschinen abschießen, seine Mordkommandos durch Europa ziehen, etc. Auf ihren geliebten Führer lassen sie nichts kommen.

  • "...als dass die Staatsmacht ein anderes Verdikt hätte fällen können, ohne sich vollends der Lächerlichkeit preiszugeben."



    Ist es nicht ehr absolut lächerlich ein solches Gehabe um einen angeblich vollkommen unbedeutenden Mann zu machen, bei dem man sämtliche Gesetze mit Füßen tritt, nur um ihm eine auszuwischen?



    Wenn er jetzt in Haft umkommt ist absolut sicher nachgewiesen, wer hier die wirklichen Verbrecher sind!