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Wahlen in UgandaRote Karte für den ewigen Herrscher

Nach 35 Jahren an der Macht will sich Präsident Museveni wiederwählen lassen. Doch der 38-jährige Politrapper Bobi Wine stiehlt ihm die Show.

Schweiß und Staub. Bobi Wine unterwegs mit Wahlkämpfern im Osten Ugandas Foto: Sumy Sadurni

Kampala taz | Rot, Gelb, Blau: Diese Farben beherrschen Kampalas Straßen. Überall in der ugandischen Hauptstadt kleben Plakate mit Politikern, es gibt Covid-19-Masken mit Parteisymbolen, Straßenhändler verkaufen Regenschirme, Kleidung und Aufkleber in den Farben der Parteien.

Uganda steht vor einer Schicksalswahl am Donnerstag. Präsident Yoweri Museveni, der mit seiner „Nationalen Widerstandsbewegung“ (NRM) seit 1986 regiert, bewirbt sich nach 35 Jahren an der Macht um eine sechste gewählte Amtszeit. Dem 76-Jährigen macht erstmals ein Vertreter der Generation Konkurrenz, die unter seiner Herrschaft groß geworden ist: Robert Kyagulanyi, besser unter seinem Künstlernamen Bobi Wine bekannt, ein zum Politiker mutierter 38-jähriger Reggaestar mit vielen Fans vor allem unter Jugendlichen und Arbeitslosen.

Musevenis Parteifarbe ist Gelb, Bobi Wines NUP (Partei der Nationalen Einheit) kämpft in Rot. Blau steht für die früher wichtigste Oppositionspartei FDC (Forum für Demokratischen Wandel), die diesmal mit ihrem Kandidaten Patrick Amuriat nur noch eine Nebenrolle spielt.

„Ich sehe mich als Vertreter der Mehrheit“, sagt Bobi Wine der taz beim Frühstück in seinem Haus am vergangenen Wochenende. „85 Prozent der Ugander sind jünger als ich und kennen nichts außer Museveni. Wir haben eine erstklassige Bevölkerung, die in einem Dritte-Welt-Land festklebt. Museveni vertritt die Vergangenheit, ich vertrete die Zukunft.“

Wahlkampf mit Plakaten in der ugandischen Hauptstadt Kampala Foto: Sumy Sadurni

Der Wahlkampf ist blutig und gewalttätig. Als Bobi Wine im November bei einer Wahlkampfversammlung festgenommen wurde, starben 56 Menschen bei landesweiten Unruhen, inoffizielle Schätzungen waren höher. Immer wenn der Oppositionsstar vor seinen Fans auftritt, stören Polizisten und Soldaten mit Tränengas, Gummigeschossen und auch scharfer Munition.

Am 1. Dezember verfehlte eine Kugel nur knapp einen seiner Mitarbeiter auf dem Rücksitz seines Autos. Am 27. Dezember wurden die meisten seiner Mitarbeiter festgenommen und sollen vor ein Militärgericht gestellt werden – Anklage: Mitführung scharfer Munition.

Familie zur Sicherheit ins Ausland geschickt

Bobi Wines Haus am Stadtrand von Kampala ist meist ein lebendiger Ort, voller Freunde, Mitarbeiter und Kinder. Doch seit wenigen Tagen ist die Stimmung gedämpft. Bobi Wine und seine Frau Barbie beschlossen, die Kinder mit ihrer Tante in die USA zu schicken, zu ihrer Sicherheit. Eine vorausschauende Entscheidung: Am Dienstag früh umstellten Sicherheitskräfte das Haus, während drinnen Bobi Wine einem kenianischen Rundfunksender ein Interview gab.

In der Nacht zu Dienstag wurde laut einer Mitteilung Bobi Wines NUP-Sicherheitschef David Lule von Bewaffneten in seinem Haus überfallen und an einen unbekannten Ort verschleppt. „Berichte über Razzien in vielen anderen Häusern von NUP-Unterstützern erreichen uns ständig, und wir wissen, dass dies von Staatsbediensteten durchgeführt wird“, so die Mitteilung weiter.

„Manchmal frage ich mich, wieso ich das mache“, sagt Bobi Wine beim Frühstückstreffen, es gibt Eier und Tomaten. „Es passieren Dinge, und ich: ‚Oh mein Gott, was habe ich mir da reingezogen?‘ Dann schaue ich mich um und frage mich: ‚In was habe ich die Kinder der Leute reingezogen?‘ Aber wenn ich wieder klar denke, erinnere ich mich, dass es das wert ist. Nichtstun ist gefährlicher.“

Wahlen in Uganda waren schon immer angespannt, aber diesmal ist die Repression seitens des Staates beispiellos, sagen Beobachter. Die Polizei jagt gezielt Journalisten, Bürgerrechtler sind verhaftet worden. Die Regierung wirft den Medien Parteinahme für die Opposition vor.

Auf einer Pressekonferenz warnte Polizeichef Martin Okoth Ochola vergangenen Freitag die Medienvertreter: „Wenn wir einem Journalisten sagen, geh nicht da und da hin, und ihr geht dahin, wo es gefährlich ist, werden wir euch verprügeln, zu eurer eigenen Sicherheit. Ich habe mich nicht zu entschuldigen. Wir werden euch helfen, damit ihr nicht dorthin geht, wo es gefährlich ist.“

Wahlkampfversammlungen sind in Uganda verboten, offiziell wegen der Covid-19-Pandemie. Die vielen jungen Leute in Rot, die zu Hunderten Bobi Wine zujubeln und auf sein Auto steigen, wenn er durch einen Ort fährt, scheren sich tatsächlich wenig um Abstandregeln und Masken. Doch viele denken, dass die Pandemie nur ein Vorwand ist, um die Opposition zu behindern.

Militärfahrzeuge auf den Straßen

Die Spannungen in Kampala sind hoch. Polizisten und Soldaten patrouillieren durch die Straßen, vor allem in den Armenvierteln, Bobi Wines Hochburgen. In der ganzen Stadt parken olivgrüne Militärfahrzeuge und Wasserwerfer, wie in Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg.

„Museveni regiert Uganda mittels Gewalt, und die Leute haben Angst“, erklärt der 30jährige Motorradtaxifahrer Ivan. „Die alte Generation hat die Macht, und wir haben keine Waffen. Wir wollen einfach, dass Museveni friedlich geht. Jetzt ist die Zeit für Kyagulanyi gekommen.“

Doch die ältere Generation und die Geschäftswelt stehen noch hinter Museveni, dem sie zugutehalten, Uganda zum Frieden geführt zu haben. Unternehmer Katumba Patrick sagt, Bobi Wine sei zu unerfahren, um etwas für das Land tun zu können.

Er wird wieder Museveni wählen und: „Natürlich wird Museveni gewinnen. Aber ich gebe zu, dass das Land Veränderung braucht. Die Steuern sind hoch, die Krankenhäuser haben keine Medikamente und niemand kann sich Schulgebühren leisten.“

Andere haben Angst vor der Wahl und vor Gewalt am Wahltag. Die Wahlkommission hat es verboten, nach der Stimmabgabe am Wahllokal zu bleiben. Bobi Wine hat nun die Wähler genau dazu aufgefordert: „Kommt zahlreich und seid da“, sagte er auf einer Pressekonferenz am Dienstag: „Beobachtet die Wahl und den Prozess, benutzt eure Telefone und eure Kameras. Schützt eure Stimmen.“

Viele junge Bobi-Wine-Enthusiasten sind dazu entschlossen und sagen, sie seien bereit, dafür zu sterben. Wie NUP-Jugendaktivistin Maria meint: „It is the ballot or the bullet“ – der Stimmzettel oder die Kugel.

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1 Kommentar

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  • "Doch die ältere Generation und die Geschäftswelt stehen noch hinter Museveni, dem sie zugutehalten, Uganda zum Frieden geführt zu haben."



    Welcher Friede, wenn sie vor der staatlichen Verwaltung und den regierenden Politikern Angst haben müssen und freie Wahlen systematisch gestört werden, die Angst unter den Wählern immer größer wird.



    Nein, es existiert kein Friede, es ist nur Angst der Bürger, ausgehend von den Einschüchterungen und Gewaltandrohungen der regierenden Politiker, im besonderen des regierenden Präsidenten, der seine Macht und die Zukunft des Landes nicht an seine Enkel abgegeben will und damit sein Land in den Abgrund führen wird.