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Willy Brandt am 7.12.1970 vor dem Denkmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto Foto: Sven Simon/ullstein bild

Willy Brandts Kniefall vor 50 JahrenDer zensierte Antifaschist

Die Geste des Kanzlers vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos ist berühmt. Doch Polens Bürger erfuhren damals nichts von dem Akt der Versöhnung.

I m protokollarisch festgelegten Tagesablauf des 7. Dezember 1970 in Warschau sind zwei Kranzniederlegungen und die Unterzeichnung des „Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen“ vorgesehen.

Auf der Fahrt von Schloss Wilanow ins Zentrum Warschaus kann sich Brandt ein Bild der Stadt machen. Schon kurz nach Kriegsbeginn am 1. September 1939 hatten die deutschen Besatzer Warschau in drei Wohnbezirke eingeteilt. Zuerst fährt Brandt durch den ehemaligen deutschen Wohnbezirk mit SS-Kasernen, Polizei- und Gestapozentrale. Dort war fast nichts zerstört worden. Dann geht es durch den ehemaligen polnischen Wohnbezirk in der Innenstadt mit den zerstörten und bis 1970 wiederaufgebauten Prachtstraßen Neue Welt und Krakauer Vorstadtstraße, um schließlich in den ehemaligen jüdischen Wohnbezirk einzubiegen, wo 1970 noch immer Ruinen aus dem verkohlten Ghetto zwischen hässlichen Neubauten standen.

„Dass Brandt spontan vor dem Denkmal der Helden des Warschauer Ghettoaufstands niederkniete, hat mich damals tief berührt“, bekennt Marian Turski. „Eigentlich sollte der deutsche Kanzler dort nur einen Kranz niederlegen“, erklärt der heute 94-jährige Holocaust-Überlebende. „Doch dann ging Brandt symbolisch vor den Millionen jüdischer Opfer der Nazis in die Knie und bat stumm um Vergebung.“

Vorbild Brandt

Partnerschaft 50 Jahre nach dem Kniefall Willy Brandts hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen gewürdigt. „Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft“, sagte Steinmeier in einer Videobotschaft. Steinmeier begrüßte den Beschluss des Bundestags, ein Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Berlin zu errichten. „Dieses Denkmal setzt ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen. Es soll uns zugleich Mahnung für eine bessere Zukunft sein“, sagte er.

Botschaft Der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk rief Europas Politiker dazu auf, sich ein Beispiel an Brandt zu nehmen. In einer Videobotschaft erinnerte Tusk daran, dass Brandt seinen Kniefall mit dem einfachen Satz beschrieben habe: „Man musste irgendetwas tun.“ Diese Botschaft sei heute so gültig und so wichtig wie eh und je. (dpa)

Doch diese Versöhnungsgeste, so Turski, sei in Polen ohne jeden Nachhall verpufft: „Die meisten Polen haben nie davon erfahren. Die Zensur gab das Bilderverbot ‚Kein kniender Kanzler!‘ heraus, in den Medien erschienen nur kurze Artikel, und dann begannen auch schon die Arbeiterunruhen an der Ostseeküste, die am Ende zum Sturz der Regierung führten. Der Besuch Brandts war kein Thema mehr.“

Der 7. Dezember 1970

Der 7. Dezember 1970 ist ein nasskalter Tag, der Himmel grau verhangen. Wie immer kreisen über dem riesigen Platz mit dem einsam aufragenden Denkmal der Helden des Ghettoaufstands von 1943 die Krähen. Hier hatten am 19. April 1943 die letzten jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos ihre deutschen Peiniger mit selbst gebauten Molotowcocktails, Granaten und Pistolen angegriffen. Hier tobten einen knappen Monat lang die heftigsten Kämpfe, bis schließlich SS-General Jürgen Stroop am 16. Mai voller Genugtuung nach Berlin meldete: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr.“

Am 7. Dezember 1970 warten vor dem Denkmal bereits zahlreiche Reporter und etliche Neugierige auf den deutschen Kanzler. In der Luft liegt der intensive Geruch von billigem Holz- und Kohlehausbrand. Als Brandt, der Minuten zuvor am Grabmal des unbekannten Soldaten einen Kranz niedergelegt hat, an der Zamenhof-Straße aussteigt, muss er die ungeheure Leere des riesigen Platzes erkennen. Vor dem Krieg lebten in Warschau über 350.000 Juden und Jüdinnen. Es war nach New York die zweitgrößte jüdische Gemeinschaft weltweit.

Ein Soldat trägt den Kranz die Stufen zum Denkmal hinauf. Die Tafel unter den Bronzefiguren kann Brandt nicht lesen, denn die Aufschrift ist nur in Polnisch, Jiddisch und Hebräisch verfasst. „Das jüdische Volk – seinen Kämpfern und Märtyrern“ steht dort. Als Brandt die Schleife am Kranz zurechtrückt, tritt er ein paar Schritte zurück und sinkt auf der untersten Stufe des Denkmals auf die Knie, legt die Hände zum Gedenken zusammen und senkt den Blick. „Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich das, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt“, schreibt er in seinen Erinnerungen. Und auch: „Am Tage des Geschehens sprach mich keiner meiner Gastgeber hierauf an. Ich schloss daraus, dass auch andere diesen Teil der Geschichte noch nicht verarbeitet hatten.“

Die Tafel in Warschau erinnert an den Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt 1970 Foto: Stefan Boness/IPon

Aleksander Kwaśniewski, Polens Präsident in den Jahren 1995 bis 2005, war damals 16 Jahre alt. „Ich kann mich ganz genau an den Besuch von Willy Brandt erinnern“, erzählt er. „Denn damals lebte ich noch mit meinen Eltern in Bialogard, dem früher deutschen Belgard in Westpommern. Wir hatten große Angst, dass die Deutschen eines Tages zurückkommen und uns aus unserer neuen Heimat vertreiben könnten.“

Die Familie hört regelmäßig den US-Sender Radio Free Europe, ist also nicht auf die zensierte Parteipresse angewiesen. „Für uns war der Vertrag über die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als neue Westgrenze Polens am wichtigsten“, sagt Kwaśniewski und streicht sich mit den Hand über den grauweißen Bart, der das Gesicht des heute 66-Jährigen umrahmt. „Dann kam die Nachricht vom Kniefall Brandts in Warschau. Das war schon sehr spektakulär und emotional!“, bekennt er.

Wir hatten große Angst, dass die Deutschen uns eines Tages aus unserer Heimat vertreiben könnten. Dann kam die Nachricht vom Kniefall Brandts. Das war schon sehr, sehr emotional!

Aleksander Kwaśniewski, früherer Präsident

Zumindest in seiner Familie hätten alle gewusst, dass Brandt Antifaschist war und den Krieg im Widerstand in Norwegen und Schweden verbracht hatte, ihn persönlich also keine Schuld traf. „Er musste nicht knien“, so Kwaśniewski heute. „Um so bedeutsamer schien uns die Geste. Allerdings hatten wir damals den Eindruck, dass Brandt uns alle um Vergebung bitten wollte – Polen, Juden, Europäer – für das gesamte Leid, das die Deutschen den Menschen im Zweiten Weltkrieg angetan hatten.“

Eine wirkliche Diskussion darüber, wen Brandt 1970 in Warschau eigentlich um Vergebung gebeten hatte, kam erst nach der politischen Wende 1989 und dem Wegfall der Zensur in Polen auf. Insbesondere Polens katholische Kirche sieht die Versöhnungsgeste Brandts gern in der Nachfolge des Bischofsbriefwechsels von 1965. „Wir vergeben und bitten um Vergebung“, schrieb das Episkopat in seinem Einladungsbrief zur 1.000-Jahr-Feier der katholischen Kirche Polens an die deutschen Bischöfe.

Die kommunistische Partei war empört über das Vorpreschen der Geistlichen. Denn in der offiziellen Propaganda musste Westdeutschland als Hauptfeind Polens herhalten, der angeblich nur auf den richtigen Augenblick wartete, um Polen erneut zu überfallen und die ehemaligen deutschen Ostgebiete an sich zu reißen. Die Partei warf Polens katholischen Bischöfen Landesverrat vor und rief Arbeiterkollektive zu Protesten auf.

Die deutschen Bischöfe nahmen damals zwar die Einladung an, reagierten aber eher kühl auf den eigentlichen Inhalt des Briefs. Denn dieser kannte zwar zum ersten Mal das Leid der deutschen Vertriebenen an, setzte aber die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als selbstverständlich voraus. Im Kniefall Willy Brandts erkannte Primas Stefan Kardinal Wyszynski die von ihm ersehnte Antwort auf den polnischen Bischofsbrief von 1965, ausgeführt zwar von einem protestantisch geprägten Sozialdemokraten, aber doch im christlichen Geiste der Versöhnung.

Das Ghetto-Denkmal

Überlebende des Holocaust hatten schon 1945 inmitten der Ruinen des Ghettos ein erstes bescheidenes Denkmal zu Ehren der von den Deutschen ermordeten Juden errichtet. Drei Jahre später, zum fünften Jahrestag des Aufstands, enthüllten sie wenige Meter entfernt das elf Meter hohe Denkmal der Helden des Warschauer Ghettoaufstands. Die grauen Labradorit-Steine aus Schweden hatte noch Hitlers Baumeister Albert Speer für einen Triumphbogen bestellt. Polens Juden aber, die nach 1945 die Steine geschenkt bekamen, türmten sie nun so auf, dass sie an die Klagemauer in Jerusalem erinnerten.

Der Bildhauer Natan Rappaport, der den Zweiten Krieg in Belarus, Kasachstan und Sibirien überlebt hatte, schuf in Paris die überlebensgroßen Bronzefiguren mit dem jugendlichen Anführer des Aufstands, Mordechai Anielewicz, in der Mitte. Er gab allen Kämpfern Waffen in die Hand. Die junge Frau hingegen, die ein Kind vor den Flammen zu retten versucht, gibt die Interpretation des Denkmals vor: Im Aufstand kämpften Juden und Jüdinnen um Leben, Freiheit und Menschenwürde. Sie ist dem berühmten Bild „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugene Delacroix nachempfunden. Als wichtiges religiöses Symbol stellte Rappaport den Aufständischen rechts und links jeweils eine steinerne Menora mit Löwen zur Seite. Auf den Willy-Brandt-Fotos, die später um die Welt gingen, sind die siebenarmigen Leuchter allerdings nicht zu sehen, da hier die Fotografen standen.

Das Ehrenmal in der Warschauer Innenstadt heute Foto: Daniel Kalker/picture alliance

Heute, 50 Jahre nach Brandts Kniefall, sieht der Platz um das Denkmal völlig anders aus: In seiner Mitte erhebt sich das vielfach preisgekrönte Geschichtsmuseum der polnischen Juden, POLIN. Davor steht nach wie vor zentral das Mahnmal. Schräg hinter dem Museum auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz befindet sich ein kleines Denkmal aus roten Ziegelsteinen und einer Bronzetafel. Es erinnert seit dem Jahr 2000 an den Kniefall Willy Brandts.

Die Erinnerung verblasst

„Wenn mein Vater mir das Denkmal nicht gezeigt hätte, wüsste ich wahrscheinlich bis heute nichts vom Kniefall Willy Brandts“, sagt Miriam Bartosik, die bis vor Kurzem auf die jüdische Lauder-Morasha-Schule in Warschau gegangen ist. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in der Schule über die Geste Brandts gesprochen hätten“, sagt die 18-Jährige. „Auch ein Foto habe ich nie gesehen. Gut, dass es das Denkmal gibt, auf dem der kniende Brandt und die Menora zu sehen sind.“

Auch die Germanistin und Stadtführerin Anita Borkowska kann sich an keine Schulstunde über Versöhnungsbitten oder -gesten von deutschen Politikern erinnern. „Wenn ich heute polnischen Gruppen Warschau zeige und manchmal auch das Brandt-Denkmal, sind immer alle ganz erstaunt – über das Denkmal, über den Platz und auch über die Geste Willy Brandts“, erzählt die 34-Jährige.

Krzysztof Ruchniewicz, der Direktor des Willy-Brandt-Zentrums in Wrocław/Breslau, beklagt, dass der Jahrestag offiziell nur auf Staatssekretärsebene stattfindet. „Und wenn man hört, wie Politiker der regierenden Nationalpopulisten heute über die Deutschen herziehen“, so Ruchniewicz bedauernd, „kann man sich fast in die Zeit der Volksrepublik und ihrer Propaganda zurückversetzt fühlen. Versöhnung sieht dann doch etwas anders aus.“

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13 Kommentare

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  • Mann Willy, schade, dass es heute keine halbwegs integeren Politiker wie Dich oder olle Herbert Wehner mehr gibt.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Der NAchrichtenwert dieses Kniefalls wird auch 50 Jahre später noch stark übertrieben. Mit diesem Jubileum wurde in keinem deutschen Medium die dringend notwendige Debatte über Reparationszahlungen verknüpft. Deswegen steht dieses Erinnern für das Ausbleiben einer wirklichen Schuldanerkenntnis.

  • Danke

    Willy Brandt(1913-1992) kauert 7. Dezember 1970 vorm Warschauer Ghetto Mahnmal zu seinem zur Ikone gewordenen Kniefall nieder überwältigt vom persönlichen Eindruck monumental in Stein gehauener Erinnerung an Menschheitsverbrechen im deutschen Namen, europäischer Kollaboration williger Helfer in Demut erschüttert vom menschlich erlittenem Leid namenlos Millionen ungezählter Juden*nnen.



    Tut Brandt tut das bedacht entgegen Besuchsprotokolls, nur Kranz niederzulegen? Wohl auch, weil in Polen mit 1968 Rebellion Pogrome gegen Juden, befeuert von KPP Führung mit Vorwurf anschwellen, es seien westlich gesteuert jüdische Intellektuelle Initiatoren polnischer 68er. Brandts Kniefall bleibt in Polen bis heute deshalb umstritten, auch, weil Brandt 1970 polnisches Ehrenmal Aufstand Armia Krajowa (AK) 1944 gegen deutsche-Besatzung mied Moskau nach abgeschlossen Bonn-Moskauer Vertrag August 1970 nicht zu verstimmen?

    Trotzdem dient Brandts Kniefall bis heute als Projektionsfläche, diesen ikonenhaft als Botschaft in seiner Eigenschaft als SPD Bundeskanzler an seine Landsleute zu interpretieren, die ihn mit leeren Händen nach Polen reisen ließen, Sinn für Erinnerung in Demut dessen zu stiften, was in dunkler Zeit im 2. Weltkrieg 1939-1945, Holocaust ab 1941 in deutschem Namen, in Verantwortung Deutscher Wehrmacht als Vollziehende Gewalt in besetzen Gebieten Europas geschah, sich zu vergegenwärtigen, dass 12 Millionen Zwangsarbeiter Entschädigungsforderungen zwar durch Gegebenheiten Kalten Krieges, ausbleibend deutschem Friedensvertag mit ehemals 53 kriegsführenden Ländern ausgesetzt, aber nicht aufgehoben seien.



    Riss in westdeutscher Gesellschaft radikalisiert sich jahrzehntelang entlang ideologisch Spaltung über Berliner Mauerfall 9.11.1989 hinaus, die einen sind von Brandts Kniefall angetan „Endlich geht es voran mit deutscher Verantwortung für begangene Menschheitsverbrechen, Entschädigung Überlebender, die anderen beschwören Brandts Verrat am Vaterland in Grenzen 1937

  • „Doch Polens Bürger erfuhren damals nichts von dem Akt der Versöhnung“



    Nicht nur Polens Bürger! Auch die DDR-Presse, immer stramm auf Linie der Staatspartei SED (die heutige Linkspartei) berichtete nichts; weder das „Neue Deutschland“ (nd), noch die „Junge Welt“ (jW). Schließlich passte dieses Ereignis überhaupt nicht in die liebevoll gepflegte Ideologie von der BRD und deren Politiker als Klassenfeinde.



    Beide Blätter gibt es immer noch und sie haben immer noch ihre liebe Not mit Brandts Kniefall:



    Das nd schreibt: „So erweist sich der Kniefall . . . in Polens Geschichte als janusköpfiges Ereignis(!): Er stand zunächst für eine Art Befreiungsschlag, indem er jene Entspannungsperiode einleitete, die dem Land eine gewisse ökonomische Modernisierung erlaubte. Doch ließ diese Entwicklung Polen zugleich in jene Schuldenfalle tappen, die für die Volksrepublik fatal werden sollte.“ www.neues-deutschl...e.html?sstr=brandt



    Und die jW schreibt: „Willy Brandts berühmter Kniefall von 1970 war aus dieser Perspektive eher eine wirkungsvolle Inszenierung für die Medien, um eine notwendig gewordene Anpassung der westdeutschen Staatsraison emotional zu unterfüttern.“ www.jungewelt.de/a...l.html?sstr=brandt



    Vielleicht haben die Autoren ihr Handwerk noch in der DDR gelernt. Dann würde ich von Altersstarrsinn sprechen.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      "[...] der Staatspartei SED (die heutige Linkspartei) [...]"

      Da hat sich wohl die persönliche Propaganda eingeschlichen. Kann mich nicht entsinnen das die WASG aus alten SED-Kadern bestand, genauso wenig wie die PDS selbst vor der Fusion.

      Oder setzen sie die SPD von 1930 mit der von heute gleiche ? Die CDU mit der Zentrumspartei? Oder die Grünen von heute mit ihrem Gründungszustand? Oder die Katholische Kirche mit der im 12. JH ?

      Menschen/Gesellschaften ändern sich halt.

      • @83191 (Profil gelöscht):

        "Menschen/Gesellschaften ändern sich halt"



        OK, ich präzisiere: Die heutige Linkspartei ging über mehrere Häutungen aus der ehemaligen SED hervor: SED -> SED-PDS -> PDS -> Linkspartei.PDS -> Linkspartei „Die Linke“. Dass es dabei personelle Zu- u. Abgänge, zuletzt die Vereinigung mit der WASG gab, bestreite ich nicht. Das vollzog sich 1990 –2007, also in 17 Jahren. Ihr Vergleich mit z. B. der Kath. Kirche 12.Jh bis heute ist also unpassend.



        Wichtiger ist: Die kommunistische Ideologie von Lenin, auf der die DDR basierte, ist auch heute noch in der Linkspartei salonfähig und die „Kommunistische Plattform“ ist integraler Bestandteil dieser Partei.



        Als Bodo Ramelow vor einiger Zeit die DDR als „Unrechtsstaat“ bezeichnete, erntete er vor allem aus dieser seiner Partei Kritik. Offenbar gibt es dort immer noch genug alte und neue Ewiggestrige, auch wenn sie sich meist ruhig verhalten!

        • 8G
          83191 (Profil gelöscht)
          @Pfanni:

          Wissen sie eigentlich wieviele SED Kader in die CDU eingetreten sind? Googeln sie mal CDU + SED, viel Spaß bei der Lektüre. Ich habe ne ganze Weile unter Ministerpräsidenten, die Ex-SED Mitglieder waren, gelebt. Sind sie bewusst nicht auf dieses Argument eingegangen? ;-)

          PS: Zwischen den Ideal-Vorstellungen eines Kommunismus/Sozialismus und dem Real umgesetzten Sozialismus/Kommunismus liegen Welten. Ich glaube kaum das sie PDS/Linkspolitiker finden die die DDR in irgendeiner Form wieder zurück wollen, sondern viel mehr eine bessere Form eines Sozial- und Solidarstaates. Also eine Annäherung an das Ideal.

          PS: Einzelne Stimmen oder Strömungen sollte man nicht überhöhen. Sie finden sicherlich hunderte Kritiker der Corono-Maßnahmen in den Reihen der CDU. Dennoch würde ich Selbige nicht als Corona-Leugner Partei hervorheben. Das gleiche Prinzip gilt für Strömungen anderer Parteien.

    • @Pfanni:

      Der bei vielen zur Ikone gewordene Kniefall Bundeskanzler Willy Brandts 7. Dezember 1970 mag, anders als bisher spekuliert, auch eisig kalter Verhandlungsatmosphäre damaliger VR Polen Regierung mit Brandts Mannschaft geschuldet sein auf dem Hintergrund, dass in Polen mit 1968 Rebellion Pogrome gegen Juden, befeuert von KPP Führung mit Vorwurf Alltag waren, es seien westlich gesteuert jüdische Intellektuelle Initiatoren polnischer 68er. Wäre es Bundeskanzler Brandt um wirkliches Zeichen der Demut gegangen, hätte er gewiss darauf bestanden, seinen Besuch des KZ Auschwitz zum Gedenken an den Holocaust ins protokollarische Besuchsprogramm aufzunehmen, was er nicht tat. Selbst bei Gesprächen mit Tito in Jugoslawien 1973 fiel Brandt diesem ins Wort als der von bisher ausbleibenden Reparationen für deutsche Besatzungszeit 1941-1945 sprach, wenn er das wolle, müsse er mit seinem Nachfolger verhandeln, er Brandt, könne Jugoslawien dafür aber zinsgünstige Kredite auf DM Basis anbieten. Was Tito akzeptiert, wie andere Länder, die ebenfalls scheinbar günstig westdeutsche Kredite auf DM Basis zur Förderung westdeutscher Exportwirtschaft statt Reparationen bekamen, ohne das Währungsrisiko dabei zu bedenken, und damit wie Tito in Jugoslawien im Verlauf Schuldentilgungsdiensten, angesichts Verfall eigener Währung in die Schuldenfalle mit dem Ergebnis getrieben wurden, dass die Comecon Ostblock Länder Europas wirtschaftlich 1989-1991 implodierten.

    • @Pfanni:

      Nicht nur die Fans der Hallstein-Doktrin haben Brandt seine Neue Ostpolitik schlecht gedankt. Ein Jahr nach dem Nobelpreis und keine zwei Jahre nach seinem Kniefall wurde erstmals versucht, den Mann abzusägen. Kürzer war eine Schamfrist selten. Zwei Jahre später hatten Brandts Gegner dann Erfolg. „Das Volk“ hat Brandt nicht verteidigt. Es wollten lieber Großmannssucht mit Attraktivität verwechseln.

      Repräsentanten können ihre Machtbasis halt arg verkennen. Brandt hat mit seiner Annäherungspolitik immer eine Minderheit vertreten. Die Schweigende Mehrheit hat seine Geste nicht als Bitte um Versöhnung ausgelegt, sondern als Unterwerfungszeichen (das ein Kniefall ja körpersprachlich auch ist). Polens Regierung konnte das nicht gefallen.

      Für den Antifaschisten Brand war es 25 Jahre nach Kriegsende leicht, Demut zu bezeugen gegenüber den (militärisch gescheiterten) Opfern seiner Feinde. Die mehr oder weniger verstrickte Mehrheit der Deutschen wie der Polen hat nie so gefühlt. Das war dem Kanzler wohl nicht so ganz klar. Macht macht eben doch etwas, wenn man Hoffnung darauf setzt. Blind und taub macht sie für die Realität. Gerade die Engagiertesten.

      Die Hälfte aller Europäer ist bis heute nicht bereit, mehr Demokratie oder auch nur mehr Menschlichkeit zu wagen. Sie sehen schlicht keine Alternative zur Gewalt. In dem Moment, in dem er da in Warschau gekniet hat, ist Brandt jedenfalls nur Brandt gewesen, nicht Kanzler. Einige mögen das anders sehen wollen, aber die belügen sich selber.

      Es ist billig, der polnischen Regierung heute vorzuwerfen, dass sie nicht gejubelt hat damals. Gerade „die Deutschen“ (einschließlich taz) haben eigentlich keinerlei Recht, von „den Polen“ zu verlangen, was sie selbst nicht zu geben bereit sind: Solidarität mit den Schwachen, Ausgegrenzten und Ohnmächtigen.

      Spätestens zwischen 1974 war klar, dass es zum Staat Israel auch nach dem Holocaust keine Alternative gibt. Bis heute ist es dabei geblieben, Kniefall hin oder her.

      • @mowgli:

        Les ehra Kram immer gern.

        Hier aber - nur Ausriß -



        “ Das war dem Kanzler wohl nicht so ganz klar. Macht macht eben doch etwas, wenn man Hoffnung darauf setzt. Blind und taub macht sie für die Realität. Gerade die Engagiertesten.“

        Sorry - halt ich für ausgemachten Quatsch. Mein Sidekick & meine Wenigkeit - haben dazu angemerkt ~



        Revanchismus an jeder Straßenecke!“



        &



        Das - War Willy mehr als klar.



        &



        Polen. Willy hat ja nicht nur sich selbst überrascht! Nein - Alle! “Was macht er davorne?“ “Keine Ahnung. Er kniet!“



        Klaus Harpprecht “Schräges Licht“

        unterm——— *



        Der Aussöhnung mit Polen anschließend Gestalt zu geben. Oblag den Diplomaten vor Ort. Ein heikles Geschäft. Die Wunden tief. Verblüffung & Vertrauen - eine gemuschte Speis.



        &



        Als wir 1977 - mein Freund & Refi-Kumpel in ner Dipl.Karre mit CD & PL - vorm VGH Kassel parkten. Waren anschließend der Wagen beschmiert & die Schlösser mit Stopfgummi verklebt.



        Und das nicht nur einmal.



        &



        kurz - Sorry - Die anschließenden “Hochrechnungen“ halte ich für gewagt!

        • @Lowandorder:

          & nochens - hatte ich nicht rechtzeitig auf dem Schirm -



          Georg Ferdinand Duckwitz



          de.wikipedia.org/w...Ferdinand_Duckwitz



          “… 1958 wurde er Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes in Bonn. Er forderte, die Hallstein-Doktrin nicht auf die vom Deutschen Reich überfallenen Staaten wie Polen und auch nicht auf Israel anzuwenden. Man müsse hier moralische vor politische Kategorien stellen. Als er sich mit dieser Ansicht nicht durchsetzen konnte, wechselte er auf den Posten des deutschen Botschafters in Indien nach Neu-Delhi. 1965 wurde er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt.…



          & Däh



          “ Duckwitz hatte aus seiner Zeit als Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes enge Kontakte zum damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt, mit dem er die Auffassung von der Notwendigkeit einer neuen Ostpolitik teilte. Als Brandt 1966 Bundesaußenminister wurde, holte er schon im Oktober 1967 Duckwitz als Staatssekretär in den aktiven Dienst zurück, ein Amt, das er auch unter Walter Scheel behielt. Nachdem der Warschauer Vertrag über die deutsch-polnischen Beziehungen – hier war Duckwitz der Verhandlungsführer der Bundesrepublik Deutschland – unterzeichnet worden war, trat er endgültig in den Ruhestand. Er starb am 16. Februar 1973 …“ Quel homme -



          &



          kurz - Seine Nachfolger hatten noch reichlich zu tun.

  • heute ...

    der willy-brandt-platz in warschau.



    ein ort zum ausruhen.



    ein schön angelegter platz, der von dem publikum -besonders im sommer- zum innehalte aufgesucht wird.

    • @adagiobarber:

      Das hätte ihn gefreut - 🤫 -

      Hier auf seiner geliebten Steinbank HL -



      www.ndr.de/geschic..._v-vierspaltig.jpg



      Willy mit Schülermütze - Johanneum -



      Lange Zeit weigerte sich der Direx - Willys Abi-Zeugnis rauszurücken!



      Vermutlich wg Reli “zwei“ (as mi ook;)