Zerstörung des Regenwalds: Im Schatten der Pandemie
Worüber gerade kaum jemand spricht: In Brasilien wird der Regenwald im Rekordtempo abgeholzt. Der CO2-Anteil in der Atmosphäre ist höher denn je.
Es ist eine der wenigen wirklich guten Nachrichten im Jahr 2020: Mehrere Impfungen gegen das Coronavirus stehen in der EU kurz vor der Zulassung. Auch wenn die Todeszahlen gerade auf einem Rekordhoch sind und die Infektionszahlen lediglich stagnieren, gibt es Hoffnung auf ein Ende der Pandemie. Die meisten Menschen in Deutschland atmen auf.
Wer allerdings während des Atemholens nach Brasilien blickt, dem dürfte die Luft im Halse stecken bleiben: Im Amazonas fallen die Bäume gerade in einer Geschwindigkeit wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Drei Fußballfelder Urwald verschwinden pro Minute, insgesamt 11.000 Quadratkilometer Wald haben die Rodungsfirmen zwischen August 2019 und Juli 2020 zerstört. Gleichzeitig ist der CO2-Anteil in der Atmosphäre auf einem Rekordhoch. Daran ändert auch der kurzzeitige Rückgang der Emissionen im Coronajahr nichts.
Diese Nachrichten sind so schlecht, dass viele Menschen im krisengeschüttelten Jahr 2020 vielleicht dazu neigen, sie nur kurz an sich heranzulassen und dann von sich wegzuschieben. Zu schmerzhaft ist der Gedanke daran, dass gerade der Wald immer kleiner wird, der uns in einer Welt mit zu viel CO2 einen beachtlichen Teil davon abnimmt und es in guten, atembaren Sauerstoff umwandelt. Dabei wäre es klug, diesen Nachrichten zu erlauben, einen wütend zu machen.
Die Coronkrise erscheint lösbarer
Denn der Klimawandel schwebt die ganze Zeit über uns wie eine dunkle Wolke, die wir wegen der Coronakrise ignorieren. Aber nur weil die Klimaerwärmung eine Katastrophe ist, die sich seit Jahrzehnten ankündigt und die stetig an Fahrt aufnimmt, ist sie nicht weniger verheerend.
Nur weil die Politik uns wegen der Coronapandemie zu drastischeren Einschnitten zwingt, als sie es wegen des Klimas tut, ist die globale Erwärmung nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil: Die Klimakrise wird das menschliche Leben auf der Erde, wie wir es kennen, nicht nur für einige Monate, sondern für immer beeinträchtigen.
Vielleicht liegt da der Knackpunkt: Weil die Politik uns vermittelt, dass die Coronakrise irgendwie lösbarer ist als die Klimakatastrophe, weil sie uns zu Einschränkungen zwingt und nicht nur darum bittet, erscheint die Pandemie irgendwie dringlicher als der schwindende Regenwald, die immer häufiger werdenden Extremwetterlagen und unsere immer schlechter werdende Luft.
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