Netanjahu in Saudi-Arabien: Ein Israeli im Land des Islams
Auch wenn Riad dementiert: Israels Regierungschef Netanjahu hat offenbar Saudi-Arabien besucht. Das ist historisch, aber nicht überraschend.
Demnach traf Netanjahu am Sonntag Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman sowie US-Außenminister Mike Pompeo in Neom im Westen des saudischen Königreichs. Nach allem, was bekannt ist, handelt es sich um die erste Reise eines israelischen Premiers in das Land. Saudi-Arabien dementierte allerdings am Nachmittag, dass ein solches Treffen stattgefunden habe.
Aufschlussreich sind vor allem drei Dringe: Erstens, dass die Reise publik wurde – was kein Zufall sein dürfte. Die scheidende US-Regierung wie auch Jerusalem wollen, dass arabische Staaten ihre Beziehungen zu Israel normalisieren. Donald Trump sowie der möglicherweise nächste republikanische US-Präsidentschaftskandidat Pompeo können damit bei der eigenen, in Teilen christlich-zionistischen Anhängerschaft zu Hause punkten.
Auch Netanjahu kann mit einer Annäherung an arabische Staaten außenpolitische Erfolge für sich verbuchen. In den vergangenen Monaten hatten schon die Emirate und Bahrain sowie der Sudan nach US-Vermittlung und – im Falle Sudans – auch auf wirtschaftlichen Druck eine Normalisierung angekündigt.
Neom steht für autoritäre Modernisierung
Zweitens ist es interessant, dass saudische Medien zunächst nicht über das Thema berichteten, während der Besuch in israelischen Medien Topthema war. Riad hatte in der Vergangenheit Signale gesendet, dass es einer Normalisierung mit Israel nicht gänzlich abgeneigt ist. Gegenüber der eigenen Bevölkerung muss die Führung in Riad aber vorsichtig vorgehen. Eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen gilt derzeit noch als unwahrscheinlich.
Drittens ist die Ortswahl für den Besuch bezeichnend. Wie kein anderer Ort steht die noch in Planung befindliche Glitzerstadt Neom für die von oben herab verordnete Modernisierung des von Öl abhängigen Landes. Wie bei diesem Megaprojekt des Kronprinzen hat die saudische Bevölkerung offenbar auch in außenpolitischen Belangen keinerlei Mitspracherecht.
Viele Menschen in Saudi-Arabien lehnen eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel ab, solange der Israel-Palästina-Konflikt nicht gelöst ist. Aber auch antiisraelische Einstellungen durch jahrzehntelange islamistische Bildungsinhalte in den Schulen, Universitäten, Moscheen und Medien des streng sunnitischen Königreichs spielen eine Rolle.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen