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Neue experimentelle Musik aus BerlinSaftig und austrainiert

Die Live-Musik-Pause kann der musikalischen Kreativät nichts anhaben. Das zeigen die neuen Alben der vertrackten Duos Die Orangen und Training.

Voll 90er: Das Experimental-Duo Training aus Berlin Foto: Fun In The Church

W em in diesem novembrigsten November aller Zeiten nach ein wenig Weltflucht ist, seien die neuen Remixes von Die Orangen nahegelegt. Unter dem frisch-fruchtig-fröhlichen Alias machen die australisch-berlinerischen Produzenten Kris Baha und Dreems seit 2016 Musik, sie haben schon zwei Alben und mehrere Singles veröffentlicht.

„Krautback“ nennen die beiden Musiker aus Down Under ihren Sound, ein Wortspiel aus „Krautrock“ und „Outback“. Der dritte Teil der Remix-Reihe „Saft“ – welch schlüssiger Name – erscheint nun auf dem geschmackssicheren Berliner Label Malka Tuti (das es ohnehin mal auszuchecken lohnt).

Darauf sind drei spannende Neuinterpretationen von Full Cirle, Smagghe & Cross und Mungolian Jetset zu hören, außerdem eine Kollaboration der beiden Orangen mit Eva Geist am Gesang, bei dem gekühlte, wavige Elektronik mit Spoken Word angesagt ist („Burnt Bay“). Ansonsten geht es mal housy und funky zu (Mungolian Jetset), mal sphärisch und ambientig zu (Smagghe & Cross) – und gleich zu Beginn klingen verspulte, repetitive, percussionlastige Sounds an (Full Cirle).

Verfrickelte Stücke

Die Alben

Die Orangen: „Saft 3“ (Malka Tuti/Kompakt): www.malkatuti.bandcamp.com/album/saft-3

Training: „*x EP“ (Fun In The Church/Bertus): www.funinthechurch.bandcamp.com/album/x-ep

Die Liebe zum Krautrock schimmert da entsprechend durch, auch zum Psychedelischen, retro und nostalgisch klingen die Songs aus der Saftpresse aber zu keinem Zeitpunkt. Ein feines Teil zum Weg- und Abdriften.

Eine weitere tolle EP kommt vom Duo Training und ist kürzlich auf dem neuen Staatsakt-Sublabel Fun In The Church erschienen. Die beiden Trainingspartner sind keine Unbekannten in der Berliner Experimentalszene, es handelt sich um eine neue Kollaboration von Schlagzeuger Max Andrzejewski und Saxofonist Johannes Schleiermacher (die bei Hütte schon zusammengespielt haben).

tazplan

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Die fünf Stücke bieten genau das, was die hiesigen Free Jazzer zuletzt ausgezeichnet hat: Wilde, urwüchsige, abstrakte Musik jenseits aller Schubladen: von verfrickelt-vertrackten Stücken („Gyroskop“) über musikalische Stolpersteine („Rakete“) und ultraverspielte Nummern („Winken“) bis hin zu Noise-Ambient-Experimenten („Pumpe“). So muss freie Musik 2020 klingen. Und die Trainingsjacken stehen ihnen auch gut.

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Jens Uthoff
Redakteur
ist Redakteur im Ressort wochentaz. Er schreibt vor allem über Musik, Literatur und Gesellschaftsthemen.
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