Livemusik im Berliner Lockdown: Kultur flüchtet ins Digitale

Der Lockdowns erfordert erneut Flexibilität bei Musik-Events. Die taz.plan-Kolumne „Sound der Stadt“ bietet einen Überblick über streambare Konzerte.

Eine Straßenmusiker mit Geige steht in einer U-Bahn-Station in Mailand

Bietet neben Streaming eine Alternative für Livemusik: Straßenmusiker in Mailänder U-Bahn-Station Foto: Claudio Furlan dpa LaPresse via ZUMA Press

Über den November schimpfen – das ist ja schon Berliner Folklore. Aus Perspektive dieses Herbst gesehen, war das bislang natürlich Jammern auf hohem Niveau. Schließlich konnte man sich immer über die zunehmend dunkle Tristesse mit tollen Konzerten trösten.

Dass dem dieses Jahr nicht so sein würde, ist ja schon lange klar. Aber dass es jetzt doch einen Lockdown gibt, der alles, was irgendwie mit Kultur zu tun hat, auf doch recht undifferenzierte Weise plättet – egal, wie ausgefeilt das Hygienekonzept – macht es härter als erwartet. Warum Leute weiter durch die traurigen Gänge von Einkaufszentren schleichen, aber nicht mit gebührend Abstand ins Kino dürfen oder auf ein bestuhltes Konzert dürfen? Kultur gilt offenbar nicht als wirklich systemrelevant.

Da hat Sophie Hunger ihre Konzerte gerade noch richtig getimt. Am Sonntag (1. 11.) tritt sie zweimal in der Volksbühne (19 & 21 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz, ausverkauft) auf, um ihr neues Album „Halluzinationen“ vorzustellen. Auch wenn sie wieder, wie auf dem recht elektronischen Vorgänger, mit Dan Carey arbeitet, dem englischen Produzenten, der in den letzten Jahren bei allerhand tollen Sachen mitmischte, war der Ansatz ein anderer: Komponiert hat die Schweizer Musikerin die Stücke in ihrem Kreuzberger Zuhause, eingespielt als Live-Session in den Abbey Road Studios; Song und Sound entstanden parallel.

Herausgekommen ist ein vielseitiges Album. Im schwelend-brütenden Chanson „Rote Beeten aus Arsen“ heißt es: „Deutsche Frau, du bist ganz genau, wenn du deinen Käfig misst. Deutsche Frau, du, du bleibst dir treu, selbst wenn es deine Seele frisst.“ Aber es gibt auch leichtere Momente. Kann man brauchen.

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Musik zwischen St Petersburg und Berlin.

Wer sich aufs nicht mehr herausgehen einschwingen will, bekommt Freitag (30. 10.) und Samstag (31. 10.) bei den Rainy Jazz Days eine sicher unterhaltsame Achse Berlin – St Peterburg präsentiert. Im Online-Stream werden Musiker von der Bühne der Kreuzberger Emmauskirche mit Musikern des russischen Gegenwartsjazz-Labels Rainy Days zusammengeschaltet, die in St. Petersburg live spielen, darunter sind unter anderem das Makar Novikow Quintet (Freitag) und das Alina Engibaryan Trio (Samstag, jeweils 18 Uhr).

Am Freitag wird in Berlin die Sängerin Lucia Cadotsch mit ihrem Trip Speak Low auftreten – unter anderem dabei: der großartige Saxofonisten Otis Sandsjö; am Samstag dann die Neo-Soul Beatboxerin Kid Be Kid. Dazu gibt es Tanzperformances und Jam Sessions, stets interaktiv zwischen St Petersburg und Berlin.

Ab Freitag (6. 11.) wollte eigentlich die Klangwerkstatt Berlin, das 1990 an der Musikschule Kreuzberg in Leben gerufene Festival für Neue Musik, im Kunstquartier Bethanien zehn Tage lang 30. Geburtstag feiern. Optimistisch kündigte man an „Das Festival wird in diesem Jahr trotz Corona stattfinden. So oder so. Live oder im Internet. Oder beides.“

Doch jetzt, wo nicht einmal kleine Talkrunden und Konzerte möglich sind, hat man sich dazu entschlossen, das nicht live zu streamen, sondern zu filmen – und nach der Postproduktion im Rahmen eines Videofestivals in vernünftiger Qualität der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen; vermutlich Anfang 2021. Damit das nicht untergeht – am besten gleich den Newsletter abonnieren.

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