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Entfernung einer „Trostfrauen“-StatueRechthaberei statt Trost

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Statt sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen, geht Tokio gegen eine Statue vor, die diese Gewalt thematisiert. Und Berlins Bezirksamt knickt auch noch ein.

Koreanische Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden, nach ihrer Befreiung Foto: Everett Collection/imago

O ffenbar entscheidet jetzt die Regierung in Tokio darüber, wie in Berlin sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen thematisiert werden kann. Am besten gar nicht. Dieser Eindruck muss entstehen, wenn auf Druck Japans hin das zuständige Bezirksamt Mitte die Entfernung einer Frauenstatue anordnet, die an das Schicksal von koreanischen Zwangsprostituierten der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg erinnert. Als Vorwand für die Anordnung dient eine Begleittafel, die dem Amt nicht ausgewogen genug und – so kann gemutmaßt werden – dem hinter den Kulissen Druck machenden Außenministerium nicht diplomatisch weichgespült genug ist. Es lässt sich vielleicht drüber streiten, ob die Begleittafel geschickt formuliert war oder erweitert werden sollte. Aber wenn deshalb gleich die ganze Statue ersatzlos verschwinden soll, wird die Heuchelei deutlich.

Selten thematisiert ein Monument die alltägliche sexualisierte Kriegsgewalt und gedenkt der Opfer. Eine solche Statue kann Diskussionen fördern und das öffentliche Bewusstsein ändern. Es ist dem zuständigen Bezirksamt sogar hoch anzurechnen, wenn es auch die Gewalt deutscher Soldaten an Frauen thematisiert haben will.

Doch warum sorgt das Amt dann nicht für ein entsprechendes Denk- oder Mahnmal oder sucht wenigstens die Diskussion mit den Initiatorinnen der Frauenstatue im Stadtteil Moabit? Stattdessen wird die Statue verdammt und ihren Initiatorinnen Unredlichkeit unterstellt, was offenbar den großen politischen Druck und eigene Fehler verschleiern soll.

Und Japans Regierung, die stets behauptet, das „Trostfrauen“-Kapitel sei längst abgeschlossen, sie habe sich schon mehrfach entschuldigt? Dann könnte Tokio doch gelassen zeigen, dass es seine Lektionen gelernt hat. Stattdessen zeigt Japans Regierung rechthaberisch immer wieder, dass ihre Entschuldigungen nicht aufrichtig sind, sondern nur taktisch. Denn statt sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen, geht Tokio gegen eine Statue vor, die diese Gewalt thematisiert. Berlin und Tokio zeigen so auf ihre Weise, wie nötig eine solche Statue ist.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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11 Kommentare

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  • Gegen diese schnelle und feige Beseitigung des Denkmals gibt es eine Petition:

    www.petitionen.com...ensstaue_in_berlin

  • Die Beziehungen zwischen Südkorea und Japan sind angespannt. Das hat auch mit dem Thema Trostfrauen zu tun. Ein aktueller Film fängt das ein:

    In Japan wird dies heftig kontrovers diskutiert. Ein Film fängt das ein:

    Shusenjo - The Main Battleground of the Comfort Women Issue

    „The “comfort women” issue is perhaps Japan’s most contentious present-day diplomatic quandary. Inside Japan, the issue is dividing the country across clear ideological lines. Supporters and detractors of “comfort women” are caught in a relentless battle over empirical evidence, the validity of oral testimony, the number of victims, the meaning of sexual slavery, and the definition of coercive recruitment.“

    www.shusenjo.com

  • taz: "Als Vorwand für die Anordnung dient eine Begleittafel, die dem Amt nicht ausgewogen genug und – so kann gemutmaßt werden – dem hinter den Kulissen Druck machenden Außenministerium nicht diplomatisch weichgespült genug ist."

    Natürlich war es das deutsche Außenministerium, das die Entfernung angeordnet hat - 'Japans Außenminister Toshimitsu Motegi nahm Kontakt zu Heiko Maas (SPD) auf, um die Statue beseitigen zu lassen' - und nicht ein par kleine Beamte vom Bezirksamt Mitte. Es handelte sich übrigens bei den "Trostfrauen" nicht nur um erwachsene Frauen, sondern auch um minderjährige Mädchen, die oftmals gerade einmal 13 Jahre alt waren. Wenn es aber um Wirtschaft geht - Japan ist nach China der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien - dann vergisst man so ein 'unschönes Kapitel der japanischen Geschichte' eben mal ganz schnell und saugt sich sogar so einen Blödsinn, wie "Etwaige Städtepartnerschaften seien gefährdet" als Entschuldigung für das Entfernen der Statue aus den Fingern.

    taz: "... statt sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen, geht Tokio gegen eine Statue vor, die diese Gewalt thematisiert. Berlin und Tokio zeigen so auf ihre Weise, wie nötig eine solche Statue ist."

    In der Wirtschaftspolitik wird Kriegsgewalt, in welcher Form auch immer, nie thematisiert. Wirtschaftspolitik ist eine "Politik" wo Moral und Ethik nur stören, denn hier zählt nur knallharte "Wirtschaft". Japan hofft wohl auch, dass die letzten noch lebenden "Trostfrauen" auch bald für immer "still sind".

  • es gibt in japan den für den japanischen nationalismus bis heute sehr wichtigen sogenannten yasukunischrein in dem unter anderem auch mehr als tausend nach dem zweiten weltkrieg als solche verurteilte kriegsverbrecher geehrt werden.



    unter diesen sind höchstwahrscheinlich auch männer die für die zwangsprostitution in armeebordellen mitverantwortlich waren



    die taz sollte diesbezüglich mal eine recherche machen

    www.reuters.com/ar...iner-idUKKCN25003Z

  • Wer sind eigentlich die „Initiatorinnen der Frauenstatue im Stadtteil Moabit“? Hat wenigstens die taz die „Diskussion gesucht“ mit ihnen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nicht, warum nicht? Und was stand auf der „Begleittafel“ des Anstoßes? Würde mich mal interessieren. Auch, wenn ich nicht glaube, dass eine andere Formulierung die Demontage der Statue verhindert hätte. Ein Vorwand lässt sich schließlich immer finden, wenn es den Willen und die Möglichkeit gibt, etwas zu tun. Ich hätte mir nur gerne ein eigenes Urteil gebildet. Das traue ich mir nämlich zu. Ich muss nicht denken lassen. Ich bin schon groß. Eins zweiundsechzig immerhin. Zumindest aber bin ich alt. Es gibt schon Menschen, die mich Oma nennen.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Ich sage nur Hiroshima. 1/100 der Aufmerksamkeit für diese Frauen stände der Japanischen Regierung gut zu Gesicht. Aber die Opferrolle ist augenscheinlich komfortabler.

  • Das spricht Bände.

  • Danke. Bleibt bitte dran. Unfaßbar.

    (unterm—— entre nous only — 🤫 -



    Ein fernes Echo von Willi Kohl bis Gottfried Korschwald?



    Sorry - Frag ja nur! - SED -



    de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Mitte )

    • @Lowandorder:

      Schließe mich an.

  • Es würde mich interessieren, wie hoch denn derFrauenanteil an den entscheidenden Stellen im Berliner Bezirksamt ist....



    Ich vermute, dass es keine Entscheiderinnen waren, die sich jetzt gegen das Frauen schützende Denkmal ausgesprochen haben. Wenn doch, dann wäre es noch einmal traurig.



    Die zweite Frage wäre, ob man im auswärtigen Amt denn schon einmal etwas von kommunaler Selbstverwaltung gehört hat.

    • @Klabautermann:

      Aber das Denkmal schützt doch gar keine Frauen.



      Es erinnert.