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VWs neues Elektroauto „ID4“SUV mit Öko-Anspruch

Volkswagen präsentiert sein neues Elektroauto, den „ID4“. Er soll klimaneutral sein, den Weltmarkt erobern und erntet ungewohntes Lob.

Bunt und öko: ein VW „ID4“ Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Die neue Idee aus Wolfsburg für die Weltherrschaft ist 4,58 Meter lang, schafft 300 bis 500 Kilometer ohne zu tanken, beschleunigt in 8,5 Sekunden auf Tempo 100 und kostet etwa 44.500 Euro. Das ist das neue Elektroauto von Volkswagen, der „ID4“, der am Mittwoch in Wolfsburg seine Weltpremiere feierte.

Mit dem bulligen Klein-SUV will der größte Autobauer der Welt dem „Model Y“ des US-Anbieters Tesla Konkurrenz machen. Vor allem aber plant VW, so die Märkte in China und den USA zu erobern – und gleichzeitig seine Art von nachhaltiger und digitaler Mobilität der Zukunft durchzusetzen.

„Dieses Modell wird als erstes E-Weltauto unsere für die Elektromobilität entwickelte MEB-Plattform global ausrollen“, erklärte Ralf Brandstätter, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen. Dieser einheitliche Baukasten beim Stromantrieb ist die Basis für viele E-Modelle des Konzerns, also von Volkswagen, Seat oder Audi. „Damit beweist Volkswagen im Volumenmarkt erneut seine Führungsrolle bei Innovation, Technologie und Qualität.“

Der ID4 entspricht etwa dem Kompakt-SUV-Modell Tiguan, während sein kleinerer Vorgänger ID3 nach dem Golf konzipiert ist. Der ID4 bietet neben dem Lenkrad als Bedienung ein Touchscreen und Sprachsteuerung, soll etwa 17 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer verbrauchen und an einer Schnellladestation in einer halben Stunde für etwa 300 Kilometer Reichweite Strom aufnehmen.

Dicke Autos für Übersee

Während der ID3 sich vor allem in Europa verkaufen soll, braucht es nach Einschätzung vieler Experten für die Märkte in Übersee dickere Autos – eben den ID4. Der Serienname „ID“ ist dabei nicht klar definiert. Er stehe für „Intelligent Driving“, heißt es von VW, aber auch für „Idee“ oder „Identität“.

Danach sucht VW fünf Jahre nach dem Dieselskandal, mitten in der Klimadebatte und kurz vor dem Abschied vom Verbrennungsmotor: Nach einer eigenen Identität in einer Zukunft von nachhaltiger Mobilität, wie sie VW-Chef Herbert Diess mit voller Wucht durchsetzen will. Dafür investiert der Konzern in den nächsten Jahren allein in die E-Mobilität etwa 33 Milliarden Euro.

Die neuen Modelle sollen, wie schon beim ID3, „bilanziell klimaneutral“ sein: Zulieferer und Batterien für die Produktion müssten ihre Emissionen perspektivisch auf Null senken oder kompensieren; die Autos sollen „zu 95 Prozent recyclingfähig“ werden; das Werk in Zwickau, wo seit diesem Juni nur noch Elektroautos produziert werden, soll mit über 300.000 Wagen im Jahr und 8.000 gut bezahlten Jobs das größte E-Werk Europas werden.

Noch nicht wirklich grün

Noch sind diese grünen Ziele nicht erreicht, gibt Reinhard de Vries zu, Geschäftsführer Logistik im Werk Zwickau. Bei „etwa 3.000 Zulieferen“ sei es nicht so einfach, alles auf Nachhaltigkeit umzustellen. Doch in Zwickau seien die Emissionen bereits um zwei Drittel gesenkt worden, der Strom komme von der VW-eigenen Ökostromtochter „Volkswagen Kraftwerke AG“. Die kauft den Grünstrom allerdings von anderen Anbietern und investiert bisher kaum in zusätzliche Kapazitäten an Sonnen- oder Windstrom. Die Batterien kommen aus Polen, der Transport soll per Zug und im Werk mit E-Lkw organisiert werden.

Das Werk in Zwickau steckt mitten im Umbau. Wo seit 1904 der Audi-Vorgänger „Horch“ vom Band rollte, später der DDR-Trabant und ab 1990 VW-Polos und Golfs, entstehen jetzt nur noch E-Autos. Im vergangenen Jahr führte VW den ID3 in den Markt ein – nach Software-Problemen ist er seit Mitte September auch bei den Händlern zur Bestellung angekommen und soll sich bis Jahresende knapp 100.000 mal verkaufen.

Der Konzern muss auch dringend viele E-Mobile an die Kunden bringen, um den CO2-Austoß seiner Flotte zu reduzieren und EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden – bisher liegt der Anteil von E-Autos an der VW-Flotte in Europa bei lediglich 8 Prozent.

Ist ausgerechnet ein SUV das Auto der Zukunft? „Weltweit ist der SUV-Markt riesig“, sagt de Vries, „die Kunden wünschen sich das. Mit unserem CO2-neutralen Angebot sind wir auf auf dem richtigen Weg.“ Der Kleinwagen „Up!“ ist in seiner E-Form dagegen ein Ladenhüter – und das mit gutem Grund, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Experte vom Thinktank „Center Automotive Research“: „Die Sparautos sind alle gefloppt, die Kunden wollen Emotion und geben dafür gern Geld aus.“

Tesla vs. VW

Tesla ist für Dudenhöffer keine Gefahr für VW. „Tesla bedient mehr das Premium-Segment für Technikfreaks, Volkswagen geht in den Volumenmarkt, wo die Käufer eher auf Zuverlässigkeit setzen.“ Für Dudenhöffer, der dem VW-Konzern wegen seiner starken Mitbestimmung und der Stellung des Landes Niedersdachsen grundsätzlich kritisch gegenübersteht, „macht VW hier alles richtig. In ein bis zwei Jahren werden sie Weltmarktführer bei den batterieelektrischen Autos sein.“

Lob für die ID-Serie kommt auch vom ökologischen Verkehrsclub VCD: „VW hat eine klare Strategie, die voll auf Elektrifizierung setzt“, sagt Experte Michael Müller-Görnert. Zwar reiche für die normale Nutzung in der Stadt auch der ID3, aber international verkauften sich SUVs eben sehr gut. „Der ID4 ist besser als ein SUV mit Verbrennungsmotor, aber er verbraucht trotzdem mehr Ökostrom und Rohstoffe als kleinere Wagen.“

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11 Kommentare

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  • Wie üblich, das Wichtigste fehlt: Die irrsinnige Masse des Teils, über 2 Tonnen. Also nicht die zehnfache Masse des Fahrers, sondern fast die dreißigfache. Und, die Beschleunigung mag ja gut sein und die Leistung auch, nur: 500 km sind nur mit entsprechend zurückhaltender Fahrweise zu schaffen. Es gibt Untersuchungen zu den Reichweiten. dreimal so klein bei üblicher Dieselbeschleunigungs- und Bremsfahrweise, wie man sie regelmäßig auf der Autobahn erleben kann. Den Faktor kann man schon in stark verminderter Form an einem ganz normalen Pedelec austesten.

  • Was genau ist denn mit der "starken Mitbestimmung" bei VW gemeint?

  • ID3 der wirklich sehr gut gelungen ist, muss man Stand heute bis zu 6 Monate warten. Alle wollen dieses Auto.

  • Siehe da, es ist ein... Blechesel. Also doch nur wieder eine Kutsche die die meiste Zeit rumsteht, eher noch mehr als eine Benzin oder Ölbetriebene. Denn sie muss ja an einer der aus dem Boden schießenden Steckdosen stehen, die in den Städten den eh schon ausreichend zur Verfügung stehenden Platz belegen. Dieser E-Auto Hype ist keine! Verbesserung der Verkehrsprobleme, weiterhin wird ein Menschlein transportiert indem die mindestens die zehnfache Masse Auto bewegt wird, die dann die meiste Zeit im Weg rumsteht. Dass der VW Konzern nicht in ÖPNV und dergleichen investiert, ist klar. Aber die Politik müsste halt die Rahmenvorgaben machen. Wir bejubeln die Kalifornier für das Verbot von Verbrennern? Lächerlich, denn es ist ja gleichzeitig die Erlaubnis für das Weiterbestehen des grenzenlosen Staus, nur halt dann im Elektrosmog.

  • Schön und gut - es versteht sich von selbst, dass ein Weltkonzern wie VW den amerikanischen Market bedient.



    Glaubwürdig wird der Umweltschwur von VW aber erst, wenn die Palette mit kompakteren Fahrzeugen für den Rest der Welt ergänzt wird. Ich denke da an den Minimo - ein Twizy- Nachbau ohne dessen Nachteile - aus dem Hause Seat. Im letzten Jahr angekündigt, scheint er im Giftschrank verschwunden zu sein. Das E-Autochen wäre eine Wohltat für den Verkehr in den Innenstädten, dürfte aber wohl nicht kostendeckend zu produzieren sein, denn der geschätzte Kunde akzeptiert nur für hohe Blechflanken hohe Preise ;)

    • @weotui iutoew:

      Eine Wohltat für den Verkehr wären weniger ! Autos, ein paar kleinere machen auch nicht so viel Unterschied. Gerade Menschen mit kleinen Autos sind oft solche, die jeden Meter damit zurücklegen, nichts mit dem Rad machen... beobachte ich sehr oft.

  • Die Leute wollen Emotionen? Das an sich ist schon einfach nur krank. Wenn es aber so ist, dann wäre es die Aufgabe der Politik, den Konsumenten dieses Verhalten zu verleiden. Man sollte zeitnah davon abgehen jede Form von Elektro- Technologie zu fördern, denn diese Entwicklung ist ohnehin längst unaufhaltsam, siehe die neuesten Regelungen in Kalifornien. Man sollte stattdessen gezielt dazu übergehen kleine Modelle zu fördern. Diese müssen höchstens halb so teuer sein wie so ein schrecklicher "Mini"- SUV. Die grundsätzliche Entwicklung muss ohnehin in die Richtung kleiner, selbstfahrender und damit auch konvoifähiger Einheiten gehen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Heh. Sie haben mich gerade auf eine Idee gebracht:

      - "Die Leute wollen Emotionen?"



      - "Sollen sie sich doch den Bauchnabel piercen lassen"

      :-)

  • Also wenn das ein SUV sein soll, dann war der Renault R 4 auch ein SUV.

    Ich denke, dass die E-Reihen von VW erfolgreich sein werden, wenn die Lieferzeiten im Rahmen bleiben.

  • Wenn der E-Up wirklich ein Ladenhüter wäre, warum hat er dann so lange Lieferzeiten?

  • Soso. Klimaneutral. Sagt VW.

    Warum sollten wir denen noch was glauben?