Ausstellung im Gropius Bau in Berlin: Eine Pfütze im Museum
Die Ausstellung „Down to Earth“ im Berliner Gropius Bau beschäftigt sich mit Umweltfragen – und versucht, wenig ökologischen Schaden anzurichten.
Die Ausstellung „Down to Earth“ im Gropius Bau ist „unplugged“. Die Lichter bleiben ausgeschaltet, es gibt keine Videos, keine Flachbildschirme, keine eingeflogenen Künstler. Dafür einen ganzen Raum voller Erdreich sowie Bienenstöcke, Hochbeete und ein Repair-Café. Denn es geht um das Klima, die Umwelt, ihre Zerstörung und um unsere Rolle dabei. Den „Carbon-Footprint“ der Ausstellung so niedrig wie möglich zu halten, passt zum Thema. Stolz wird dem Besucher in der Broschüre zur Ausstellung vorgerechnet, wie viel Energie man gespart hat, seit im Gropius Bau LED-Lichter eingesetzt worden sind und dass 3,5 Prozent der verbrauchten Energie von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach kommt.
Aber man braucht auch nicht unbedingt Elektrizität, um künstlerisch schlüssige Arbeiten zu produzieren. Es reicht, in einem der hohen, weiß gestrichenen Säle einen Monat lang keine Spinnweben zu beseitigen, die gerade jetzt am Ende des Sommers besonders ausdauernd gesponnen werden. Die Arbeit von Tomás Saraceno besteht lediglich aus einem kurzen, an die Wand geklebten Schreiben von einem gewissen „Spider“. Dem ist zu entnehmen, dass die Spinnweben, die sich in den nächsten Wochen unter der Decke bilden sollen, eine Leihgabe der internationalen Gemeinschaft der Spinnen ist – verbunden mit dem freundlichen Hinweis, dass Spinnen bereits seit 380 Millionen Jahren auf der Erde leben, während der Mensch erst seit 200.000 Jahren existiert.
Auch die Arbeit „Neuköllner Pfütze“ von Kirsten Pieroth reduziert die künstlerische Formgebung auf ein Minimum. Die Künstlerin hat eine Lache in dem Stadtteil abgepumpt und sie in einem der Ausstellungsräume auf den Boden gekippt, wo sie nun mit ein paar Krümeln Scholle und einigen sanft in Regenbogenfarben irisierenden Benzinfleckchen Berliner Stadtnatur ins Museum bringt.
Etwas Ähnliches hatten wohl auch Helen Mayer Harrison und Newton Harrison im Sinn, als sie 1988 den Vorschlag mit dem Titel „Trummerflora“ ausarbeiteten, das Gelände des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers an der Wilhelmstraße gleich neben dem Gropius Bau verwildern und zuwuchern zu lassen. Ein Blick aus dem Fenster des Ausstellungsraums zeigt, wie es stattdessen gekommen ist: Der Pavillon der Topographie des Terrors steht auf einem Schotterfeld, um das praktisch keine Flora verblieben ist.
Blumenerde für zu Hause
Auch Agnes Denes war 1982 eine Pionierin der ökologisch orientierten Kunst, als sie in Manhattan ein Weizenfeld anlegte, wie in der Ausstellung dokumentiert wird. Die Harrisons und sie stehen stellvertretend für eine ganze Armee an Künstlern wie Joseph Beuys, Klaus Rinke, Peter Fend oder Mierle Laderman Ukeles, die schon in den 70er und 80er Jahren die Fragen aufgriffen, mit denen sich „Down to Earth“ beschäftigt. Deprimierenderweise zeigen einige der heutigen Arbeiten, die in der Ausstellung zu sehen sind, dass sich Künstler nach wie vor an denselben Themen abarbeiten, wenn etwa Asad Raza industriell verseuchte Erde so aufarbeitet, dass man sie für den heimischen Blumentopf mit nach Hause nehmen kann.
„Down to Earth“. Bis zum 13. September im Gropius Bau Berlin.
Die Ausstellung gehört zu den Veranstaltungen zum Phänomen der Immersion, die Thomas Obereder zum Leitmotiv seiner Intendanz bei den Berliner Festspielen gemacht hat. Darum gibt es neben den Exponaten ein dichtes Programm mit täglichen Performances, Vorträgen und Konzerten. Wer alles mitbekommen will, muss im Grunde in den Gropius Bau einziehen.
Wegen dieses immensen Aufwands läuft die Ausstellung wohl auch nur einen Monat. Sie ist anregend, ohne anstrengend oder didaktisch zu werden. Es gibt künstlerische Hot Takes wie die beiden zersägten Sportwagen von Yngve Holen – ein gleichzeitig faszinierender und erschreckender Anblick. Und es gibt sinnliche und gleichzeitig komplexe intellektuelle Debatten aufgreifende Werke wie die Geruchsarbeit von Sissel Tolaas, die maritime Aromen im Ausstellungsraum verbreitet.
Ganz ohne Strom geht es letztlich aber doch nicht. Die Eintrittskarten kommen aus dem Computerdrucker. Und die Smartphones, mit denen am Eingang abgescannt wird, müssen auch produziert und aufgeladen worden sein. Die gute Absicht der Ausstellung ist klar, sie zeigt tolle Arbeiten und sie vermeidet den resignativen Unterton, der viele der Ausstellungen kennzeichnet, die uns das Konzept des Anthropozäns näherbringen wollen, aber letztlich davon handeln, dass man da sowieso nichts mehr machen kann. Bedrückenderweise macht sie gleichzeitig aber auch klar, dass es bei dem Lebensstil, den wir uns angewöhnt haben, schlicht kein ökologisch korrektes Leben im falschen gibt.
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