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Nahestehende über rassistische Morde„Zwei junge Männer voller Hoffnung“

Vor 40 Jahren wurden Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân in einem Hamburger Flüchtlingsheim von Rechtsradikalen ermordet. Ihre Paten erinnern sich.

Haben in Hamburg zwei Vietnamesen ermordet: Rechtsextreme Foto: Uwe Zucchi/dpa
Andreas Speit
Interview von Andreas Speit

Zwei sanfte Stimmen am Telefon. Freundlich und zurückhaltend sind Gisela und Heribert von Goldammer bei dem Gespräch. Sie wechseln sich ab, wenn sie von Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân erzählen. Vor vierzig Jahren ermordeten zwei Männer und eine Frau der rechtsextremen „Deutschen Aktionsgruppen“ die beiden aus Vietnam Geflüchteten durch einen Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Hamburger Halskestraße. Gisela und Heribert von Goldammer hatten für den 22-jährige Nguyên Ngoc Châu und den 18-jährige Đo Anh Lân eine Patenschaft übernommen.

taz: Frau von Goldammer, Herr von Goldammer, als Sie damals erfuhren, dass die Hamburger Sozialbehörde Paten für Vietnamflüchtlinge suchte, haben Sie sich gemeldet. Was bewegte Sie dazu?

Gisela von Goldammer: Wir wollten einfach helfen. Die Menschen waren in Not, die Sozialbehörde überfordert.

Heribert von Goldammer: Wir gingen zu einem Informationsabend im Hamburg-Haus Eimsbüttel, wir waren beruflich noch stark eingebunden und meine Frau war krank, darum boten wir an, uns um eine Person zu kümmern.

Sie wurden dennoch Paten von zwei Personen?

Gisela von Goldammer: Ja, Nguyên Ngoc Châu war vorgesehen, er brachte seinen Zimmerpartner Đo Anh Lân mit. Zwei nette junge Männer, gezeichnet von ihrer Flucht, aber voller Hoffnung. Đo Anh Lân war zwei Jahre auf der Flucht, bevor er von Pulau Bidomg durch eine Initiative der Zeit nach Hamburg kam. Nguyên Ngoc Châu wurde aus einem Boot im Südchinesischen Meer durch das Rettungsschiff „Cap Anamur“ geborgen.

Wie haben Sie von dem Brandanschlag erfahren?

Heribert von Goldammer: Durch Giselas Bruder. Er hatte von dem Anschlag gelesen. Die Namen der Toten standen in der Presse. Meine Frau war gerade auf Kur, sie brach sie ab und wir fuhren in die Halske­straße.

Gisela von Goldammer: Wir waren entsetzt, erschüttert. Die Gespräche mit den anderen Bewohnern, die Bilder des völlig ausgebrannten Zimmers. Ich hatte Albträume, und nach all den Jahren ist es weiterhin nicht einfach, darüber zu reden. ­

Heribert von Goldammer: Am Haus sprachen die Bewohner kaum. Über Thoi Trong Ngu wissen wir, dass er den beiden helfen wollte, den Arm eines der Opfer konnte er greifen, er hatte aber nur Haut in den Händen gehalten. Er war damals 20 und lebte in dem Haus, er wurde später U-Bahn-Fahrer.

Đo Anh Lâns Mutter kam nach Hamburg...

Heribert von Goldammer: Das Deutsche Rote Kreuz ermöglichte, dass Frau Đo Mui nach Hamburg kommen konnte, wie auch die Großmutter. Als Frau Đo Mui ankam, war ihr Sohn schon tot. Sie leidet bis heute. Mehr möchten wir nicht sagen.

Sie haben Ihre Paten nur kurz kennengelernt. Wie waren sie?

Gisela von Goldammer: Über die Sprachen haben wir uns erst nicht gut verstehen können, sie sprachen kein Englisch oder Französisch. Wir verstanden uns aber von Anfang dennoch gut. Đo Anh Lân kam aus einer chinesischen Minderheit. Und das half, da ich etwas Chinesisch kann. Ich bin in China geboren und habe dort die Sprache etwas aufgeschnappt. Sie waren sehr nett. Wir haben sie besucht, Stadtrundgänge zusammen gemacht, sind chinesisch essen gegangen.

Im Interview: Gisela und Heribert von Goldammer

Gisela und Heribert von Goldammer waren vor ihrem Ruhestand im kaufmännischen Bereich tätig. Sie ist heute 86, er 78 Jahre alt.

Heribert von Goldammer: Und sie besuchten uns in Rahlstedt, wir saßen gemütlich im Garten, oder sie halfen bei der Gartenarbeit. Eines Tages brachten sie einen Freund aus dem Haus mit. Wir sind mit ihm bis heute familiär verbunden. Mit weiteren damaligen Bewohnern haben wir auch noch Kontakt.

Haben Sie den Prozess gegen die Täter*innen verfolgt?

Gisela von Goldammer: Wir waren nicht in Stuttgart, aber durch die Presse haben wir schon was mitbekommen. Viel berichtet wurde aber nicht. Ich glaube, man wollte den Anschlag nicht groß thematisieren.

Heribert von Goldammer: Im Verfahren wurde diese Terrorgruppe auch klein gehalten.

In Hamburg gibt es keinen Gedenk- oder Erinnerungsort zu einen der ersten tödlichen Anschläge gegen Flüchtlinge durch eine rechtsextreme Terrorgruppe.

Der Anschlag

In der Nacht auf dem 22. August 1980 warfen Mitglieder der „Deutschen Aktionsgruppe“ Brandsätze in die Flüchtlingsunterkunft an der Hamburger Halske­straße, in der damals rund 240 Menschen lebten.

Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân lagen in ihren Metallbetten im Hochparterre. Nguyên Ngoc Châu verstarb wenige Stunden nach dem Anschlag, Đo Anh Lân erlag neun Tage später seinen schweren Verbrennungen.

Heribert von Goldammer: Ja, noch nicht. In zwei Wochen wird aber eine Gedenksäule auf dem Öjendorfer Friedhof eingeweiht nahe ihren Gräbern, die allerdings schon vor zwanzig Jahren ausgelassen worden sind.

Gisela von Goldammer: Eine Ini­tiative bemüht sich jedoch auch an dem Ort des Geschehens um eine Form des Aufmerksammachens und des Erinnerns. Nach der Entdeckung des NSU sind wir zu der Initiative gestoßen.

Sie haben trotz dieses tödlichen Anschlages weiter Flüchtlingen geholfen?

Gisela von Goldammer: Wir werden das nie vergessen, das bleibt. Wir dachten aber: jetzt erst recht.

Heribert von Goldammer: Über die Jahre haben wir zehn, fünfzehn Vietnamesen begleitet.

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