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Vorkämpferin der Gleichstellung

Das Auswandererhaus gedenkt noch bis Ende Juli der SPD-Politikerin und AWO-Gründerin Marie Juchacz

Marie Juchacz Foto: dpa

VonJan Zier

Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven schließt am Freitag seine Sonderausstellung zur Gründerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Die Sozialreformerin Marie Juchacz (1879-1956) stand seit Februar im Mittelpunkt einer Schau unter der Überschrift „Und mitten in dem Ganzen stehen die Frauen der Welt“.

1919 ist die SPD-Politikerin die erste Frau, die zu Zeiten der Weimarer Republik eine Rede in der Deutschen Nationalversammlung hält. Nur 37 Frauen waren ins frisch konstituierte, verfassungsgebende Parlament eingezogen. „Meine Herren und Damen“, hebt sie an, und Protokoll verzeichnet dabei „Heiterkeit“ unter den 386 männlichen Abgeordneten. Juchacz wirft das nicht aus der Bahn: „Die Frau ist vollberechtigte Staatsbürgerin. Überlegen Sie, was das heißt“, beginnt ihre Rede. Ihr zentrales Anliegen ist das absolute Gleichheitsgebot für Männer und Frauen.

Ebenfalls 1919 gründetet sie die AWO. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh Juchacz mit 63 Jahren über mehrere Stationen nach New York und baute in den USA ebenfalls eine Arbeiterwohlfahrt auf. 1949 kehrte sie über Bremerhaven nach Deutschland zurück und wurde Ehrenvorsitzende der AWO.

Die Tochter eines Zimmermanns verbrachte ihre Jugend im heutigen Polen und arbeitete als Dienstmädchen, Fabrikarbeiterin und als Wärterin in der örtlichen „Irrenanstalt“. Mit erspartem Geld leistete sie sich einen Schneidereikurs und nahm eine Stelle in der Werkstatt ihres späteren Ehemanns an. Die Ehe wurde geschieden – ein damals ungewöhnlicher Vorgang. 1905 zog Juchacz mit zwei kleinen Kindern nach Berlin. Nach der Aufhebung des Verbots politischer Betätigung für Frauen trat die alleinerziehende Mutter in die SPD ein, später wurde sie Mitglied des Parteivorstands.

Die Ausstellung erzählt anhand persönlicher Zeugnisse vor allem, mit welchen Schwierigkeiten Juchacz nach ihrer Flucht in die USA zu kämpfen gehabt hatte. Vergangene Woche begrüßte das 2005 eröffnete Deutsche Auswandererhaus seinen 2,75-millionsten Besucher. Es ist seit 2007 kontinuierlich das meistbesuchte Museum im Bundesland Bremen.

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