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Italien vor EU-Gipfel für WiederaufbauConte geht Bündnisse schmieden

Italiens Premier Conte tourt in Sachen EU-Aufbaufonds durch Europas Hauptstädte. Im Gepäck hat er „die Mutter aller Reformen“.

Tilaliens Premierminister Giuseppe Conte während einer Pressekonferenz in Rom Foto: Paolo Tre/Insidefoto/imago

ROM taz | Italien geht eine Woche vor dem EU-Gipfel über den europäischen Wiederaufbaufonds in die Offensive. Am Montag verabschiedete die Regierung einen ehrgeizigen nationalen Reformplan, und in diesen Tagen tourt Ministerpräsident Giuseppe Conte durch diverse europäische Hauptstädte, um eine Achse gegen die „Sparsamen Vier“ Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden zu zimmern, die sich bisher den Plänen der EU-Kommission gegenüber skeptisch zeigten.

Am Dienstag war Conte bei seinem portugiesischen Kollegen Antonio Costa, am Mittwoch dann bei Pedro Sánchez in Madrid. Schon im Vorfeld sprach Sánchez rundheraus von einem „Pakt“ zwischen den beiden Ländern. Sie wurden früher und härter von der Coronapandemie getroffen als andere, und ihnen steht jetzt auch im europäischen Vergleich der härteste ökonomische Absturz bevor. Beiden Ländern sagt die EU-Kommission für 2020 einen Einbruch des BIP von 11 Prozent voraus. Italien würde jetzt nach den Kommissionsvorschlägen für den EU-Wiederaufbauplan etwa 170 Milliarden Euro erhalten, Spanien 140 Milliarden.

Nächsten Montag wird Conte auch Kanzlerin Angela Merkel treffen, und auch eine Begegnung mit Emmanuel Macron wird anvisiert. Um ihnen ebenso wie den „Sparsamen Vier“ gegenüber Italiens Position glaubwürdiger zu machen, hat Contes Kabinett am Monat den umfassenden Plan verabschiedet, den der Regierungschef überschwänglich „Mutter aller Reformen“ taufte.

Um die Wirtschaft wieder anzuschieben, setzt die Regierung vorneweg auf eine Fülle großer Infrastrukturprojekte, im Straßen- und Eisenbahnbau, bei Häfen und Flughäfen. Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von fast 200 Milliarden Euro liegen schon jetzt auf Halde; sie wurden bisher aufgrund der komplizierten Vergabeverfahren nicht in Angriff genommen. Dieser Investitionsstau soll beseitigt werden, durch die drastische Vereinfachung der Prozeduren und bei kleineren Vorhaben auch durch Direktvergabe ganz ohne Ausschreibungen.

Breitband bis ins kleinste Dorf

Um Politiker*innen und Verwaltungsbeamt*innen die „Angst vor der Unterschrift“ bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu nehmen, soll der Straftatbestand Amtsmissbrauch enger gefasst werden, sollen staatliche Funktionsträger nur noch dann wegen Vermögensschäden belangt werden können, wenn hinter ihrem Handeln Vorsatz steckte.

Zudem soll die öffentliche Verwaltung entschlackt werden, viele ihrer Dienstleistungen in Zukunft digital erfolgen. Milliarden sollen ins Bildungs- und ins Gesundheitswesen fließen, und das Land soll bis ins kleinste Dorf hinein mit Breitband-Internet versorgt werden. Und damit die Lokalpolitik in Zukunft nicht mehr in die Digitalisierung Italiens hineinpfuscht, soll den Kommunen untersagt werden, Anordnungen gegen die Aufstellung von 5G-Masten zu beschließen.

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