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Aktivist über Landwirtschaft in Afrika„Gatesstiftung verfehlt ihre Ziele“

Hochleistungs-Saatgut und Dünger bekämpfen den Hunger in Afrika nicht wirksam. Das sagt Agrarexperte Stig Tanzmann vom Hilfswerk Brot für die Welt.

Sollten sie mit mehr Pestiziden und Minaraldünger arbeiten? Bauern auf einem Feld in Mali Foto: Philippe Roy/afp
Heike Holdinghausen
Interview von Heike Holdinghausen

taz: Herr Tanzmann, Bill Gates wird gerade quasi für alles Schlechte verantwortlich gemacht. Nun auch von Ihnen: in einer neuen Studie zur Bekämpfung des Hungers in Afrika. Sind Sie da in guter Gesellschaft?

Stig Tanzmann: Mit der Kritik der Verschwörungstheoretiker an Bill Gates haben wir nichts zu tun. Die Verschwörungstheoretiker schaden mit ihren falschen Behauptungen der kritisch sachlichen und inhaltlichen Debatte über die Arbeit der Bill und Melinda Gates Stiftung. Wir befassen uns seit Jahren kritisch mit der Arbeit der Gates Stiftung, vor allem in Afrika. Sie hat den Anspruch, Gutes zu tun und Armut zu bekämpfen. Aber sie verfolgt die falschen Konzepte, das zeigt unsere Studie.

Darin untersuchen Sie die Arbeit der „Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“, deren größte Geldgeber die Gates- und die Rockefeller-Stiftung sind. Ist die Allianz erfolgreich?

Nein, Agra, wie die Allianz abgekürzt heißt, erreicht die selbst gesteckten Ziele nicht. Ihr wichtigstes Ziel war, die Einkommen und Erträge von 30 Millionen Kleinbauern in Afrika zu verdoppeln. Das hat sie bei Weitem nicht geschafft. Zugleich hat ihr eindimensionaler Fokus auf Ertragssteigerungen durch neues Saatgut und Dünger viele Landwirte in die Verschuldung getrieben. Die Preise, die sie auf den Märkten für ihre Lebensmittel bekommen, decken ihre steigenden Kosten nicht.

Allianz für eine grüne Revolution in Afrika

Die Organisation

Die „Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“ (Agra) wurde 2006 von den Stiftungen der Milliardäre Bill und Melinda Gates sowie John D. Rockefeller ins Leben gerufen. Sie vergab seither Zuwendungen in Höhe von mehr als 500 Millionen US-Dollar, um ihre Vision einer "modernisierten" afrikanischen Landwirtschaft voranzutreiben.

Die Studie

„Falsche Versprechen: Die Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“ erscheint am heutigen Freitag. Ein breites Bündnis entwicklungspolitischer Organisationen, darunter Brot für die Welt, Fian, das Forum Umwelt und Entwicklung sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung, kritisiert darin den Ansatz der Allianz. Brisanz erhält ihre Kritik auch durch die Rolle der Präsidentin der Agra, Agnes Kalibata. Sie wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, zur Sondergesandten für den Welternährungsgipfel 2021 ernannt. (hol)

Wie genau arbeitet Agra?

Zum einen führt sie konkrete Projekte durch zur Nutzung von Hochleistungssaatgut, Dünger und Pestiziden. Zusätzlich setzt Agra in den letzten Jahren auch auf politischen Einfluss, damit die Regierungen ihre Gesetze im Bereich Düngemittel und Saatgut verändern und ihre Märkte noch stärker für multinationale Konzerne öffnen. Das ist zum Beispiel in Tansania, Kenia und Ghana geschehen.

Als positives Beispiel nennen Sie ausgerechnet das bürgerkriegsgeschüttelte Mali. Dort werde Hunger erfolgreich bekämpft, weil sich die Bauern gegen das Programm der Grünen Revolution wehren. Wer trägt den Protest?

In Mali ist im Untersuchungszeitraum der Studie der Hunger zurückgegangen. Dies liegt auch daran, dass es dort eine starke bäuerliche Bewegung gibt. Diese gerät aber immer stärker zwischen die Fronten der dortigen Konflikte. Gerade letzte Woche wurde die Familie eines wichtigen Vertreters der Bewegung massiv bedroht. In Mali wurde sehr früh erkannt, dass die Ansätze der industriellen Landwirtschaft nicht sinnvoll sind. Die Bauern vor Ort setzten zum Beispiel stark auf bäuerliches Saatgut und auf lokal gut angepassten Hirseanbau statt auf Hybridmais von Agra. Durch ihre kontinuierliche Arbeit hat die Bewegung auch Zugang zur Regierung; darum sind ihre Rechte gesetzlich gestärkt worden.

Die Agra setzt auf Wissens- und Technologietransfer und Bildung. Ist es nicht das, was viele Landwirte in Uganda oder Tansania brauchen?

Im Interview: Stig Tanzmann

... ist gelernter Landwirt und Agrarwissenschaftler und Referent für Landwirtschaft bei der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt.

Wir müssen die Landwirtschaft dort verbessern, auf Augenhöhe mit den Menschen vor Ort, mit wissenschaftlicher Expertise und mit den Ressourcen, die vor Ort vorhanden sind. Wir müssen nicht in diesen Ländern wiederholen, was uns hierzulande in die Sackgasse geführt hat, Stichwort: Biodiversitätsverlust. Noch ist der Weg der afrikanischen Landwirtschaft nicht so vorgegeben wie im Globalen Norden.

Was ist die Alternative für die Landwirtschaft in Afrika?

Es gibt agrarökologische Alternativen; indem man in den Betrieben auf vielfältige Kulturen setzt, verbunden mit Viehhaltung, lässt sich die Bodenfruchtbarkeit langfristig steigern. Dabei sind lokal angepasste Pflanzen wichtig. Agra setzt stark auf Mais, vielerorts verdrängt er die nährstoffreichere und trockenheitsresistente Hirse. Die Vielfalt in Anbau und Ernährung geht bei den Konzepten von Agra verloren, wie die Studie belegt.

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9 Kommentare

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  • Die Saatgutindustrie hat längst die Rechtgrundlagen geschaffen afrikanische Kleinbauern zu verklagen, wenn diese ihre eigenen gesunden Landsorten nachbauen. Rechtsgrundlage hierfür ist das Saatgutverkehrsgesetz (UPOV). Die Gates Stiftung wird also in einem sauber geklärten rechtlichen Rahmen "helfen" können.

  • Afrika kann sich netto zu rd. 70% selbst ernähren, Tendenz, stark fallend. Die Landwirtschaft kann die stark anwachsenden Volksmassen immer weniger ernähren. Will sich Afrika nicht vollständig vom Weltmarkt abhängig machen, dann braucht es eine moderne Landwirtschaft.

    • @Bernhard Hellweg:

      Vom Weltmarkt abhängig ist man mit Hybriden Saatguten, die Düngerabhängig sind und viele herbizide brauchen. Das muß alles importiert werden und kostet Devisen. Moderne Landwirtschaft geht anders.

      • @Martin_25:

        Vom Weltmarkt abhängig ist man, wenn die Nahrungsmittel Produktion eines Landes nicht ausreicht um die Menschen zu versorgen. Dann muss am Weltmarkt eingekauft werden.

  • Es ist generell dumm in Afrika auf eine industrielle Landwirtschaft zu setzen die für den Weltmarkt produziert. Die Bauern verschulden sich für Saatgut, Pestizide und Produktionsmittel. Der Anbau auf kleinen Flächen lohnt sich nicht, was wiederum durch die Vergrößerung der Anbauflächen, zur Verdrängung der Kleinbauern führt, die mangels Alternativen ihre Existenzgrundlage verlieren. Es



    werden weniger traditionell Afrikanische dem Klima angepasste Agrarprodukte angebaut, wodurch die Abhängigkeit von den Globalen Märkten steigt und mehr Pestizide benötigt werden. Bei uns steigt die Nachfrage an Bioprodukten und in Afrika wird die traditionell biologische Landwirtschaft zerstört. Kompletter Irrsinn.

  • Das Grundproblem ist doch, das einzelne Menschen so ein großes Vermögen anhäufen können und dürfen. Spätestens bei 1 Mrd. sollte genug sein.

  • Es gibt vielfältige seriöse Kritik an der Bill und Melinda Gates Stiftung, die leider sofort in die Nähe der Verschwörungsleute gebracht wird.



    Dass die Stiftung offensichtlich immer noch von oben herab in Afrika ihre Ideologie durchsetzen will, mit industriellen Mitteln gegen Unterentwicklung, Krankheit und Ausbeutung anzukämpfen, ist womöglich mehr als kontraproduktiv.



    Das ist auch da nachvollziehbar, wo Menschen aus Kloaken Wasser trinken müssen und gleichzeitig gegen die gesundheitlichen Folgen geimpft werden, anstatt für sauberes Trinkwasser zu sorgen.

    • @Rolf B.:

      Naja, es ist nicht ganz so, dass die BMGF sich nicht um die hygienische Situation in den armen Ländern kümmert:



      www.businessinside...-2019-1/?r=US&IR=T

      In den Foren in denen ich diesbezüglich unterwegs war wird von einer steilen Lernkurve gesprochen.... gegenüber den ersten Vorschlägen zur Verbesserung der Sanitärsituation.

      Aber die Stiftung dafür verantwortlich zu machen was bei der internationalen Hilfe alles schief läuft ist sicher zu simpel.



      Allerdings wird bei den Ausgaben zur Forschung deutlich, dass das meiste Geld in Nordamerika und Europa ausgegeben wird. "Bottom up" ist das gerade nicht.



      Aber bitte: wer ist den "bottom up" in diesen Ländern unterwegs? Und wer einmal erlebt hat wie sich die vielen ngos beäugen und mehr gegeneinander als miteinander arbeiten, der freut sich über einen anscheinend so potenten Geldgeber und lässt sich auch mal auf sein Bedingungen ein.

      Was die Landwirtschaft angeht, da ist die Nähe der Stiftung zu Monsanto oder Bayer und ihren Ansätzen auch meiner Meinung nach voll daneben.

  • Danke.

    Die Kritik an die B&M Gates Foundation ist durchaus berechtigt, und die teile ich. Sie vertreten einen klar neoliberalen und technokratischen Standpunkt.

    Schwer, diese Kritik auch hörbar zu machen inmitten des Störfeuers der Verschwörungstheoretiker, die den bekannten Unsinn verbreiten (inklusive BG hätte die Covid-19-Pandemie aus strategischen Gründen ausgelöst oder gar er wolle uns alle mit der Impfung auch noch chippen [1]).

    Dieses Störfeuer hilft nur, berechtigte (und notwendige!) Kritik im Lärm untergehen zu lassen.

    [1] Inklusive der (schon fast amüsanten) Variante, die Viren selbst trügen irgendwelche Chips. Mit Windows drauf? Dann würden die ja gar nicht funktionieren! "Allgemeine Schutzverletzung bei der mRNA-Replikation!"