Vor dem UN-Ernährungs-Gipfel im Herbst: Kritik am Hunger-Gipfel

Weltweit fordern Menschen eine Landwirtschaft, die Hunger beseitigt und nachhaltig ist. Wie das gehen kann, soll in Rom diskutiert werden.

Frau mit Hacke vor Wolkenhimmel

Eine Bäuerin jätet Unkraut auf einem Sorghum-Feld in Burkina Faso Foto: imago/Florian Kopp

BERLIN taz | Wie die Menschheit künftig ausreichend gute Lebensmittel für alle produzieren und dabei die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten kann, darüber diskutieren ab dem heutigen Montag bis Mittwoch Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft in Rom.

Auf diesem „Vor-Treffen“ bereiten sie den UN-Gipfel „United Nationals Food Systems Summit“ im September in New York vor. Nichtregierungsorganisationen wie Brot für die Welt, die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Fian oder Inkota sehen in dem Gipfel „eine Chance, wichtige Weichen zu stellen“, um Probleme wie die steigende Zahl der Hungernden oder die Gefahr des Klimawandels für die Nahrungsmittelproduktion anzugehen.

Allerdings kritisieren die Organisationen die Themen- und Teilnehmerauswahl auf dem Gipfel. „Das Machtgefälle zwischen Agrarkonzernen und kleinen- und mittelständischen Le­bens­mit­tel­er­zeu­ge­r*in­nen wird nicht berücksichtigt“, sagt Paula Gioia von der AbL. Zudem werfen die Organisationen den UN vor, die „„Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“ nehme einen zu großen Einfluss.

Diese Allianz, kurz Agra, setzt darauf, die Erträge kleinbäuerlicher Betriebe im globalen Süden zu steigern, in dem diese industrielles Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen. Damit zeige sie keine Erfolge im Kampf gegen den Hunger, vielmehr bereite sie durch politische Lobbyarbeit Saatgut- und Düngemittelkonzernen einen Boden, etwa in Ghana und Burkina Faso, heißt es in der Analyse „Die Allianz für eine Grüne Revolution ist gescheitert“, die sie kürzlich veröffentlicht haben.

Die Kritik von Entwicklungsorganisationen an der Agra – die von der Bill-und-Belinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung initiiert und hauptsächlich finanziert wird – ist nicht neu. Schon im vergangenen Jahr hatten sie diese in dem Bericht „Falsche Versprechen“ publiziert. Neu ist aber die Datengrundlage der Analyse, nämlich eine Evaluierung der Agra selbst. Diese hatte die Allianz auf Druck der US-amerikanischen Organisation „Right to Know“ veröffentlichen müssen und diente Brot für die Welt und Co nun als Grundlage für ihren neuen Bericht. Demnach finanziert das Bundesministerium (BMZ) für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Agra-Aktivitäten mit insgesamt 35 Millionen Euro. Fragen der taz zur Zusammenarbeit des BMZ mit der Agra beantwortete das Ministerium nicht.

Kritik an Agra-Ansatz

„Die Agra zugeschriebenen Kompetenzen bei der Hungerbekämpfung und die Übernahme von einflussreichen Rollen wie derzeit beim Welternährungsgipfel der UN erfolgen auf keiner empirischen Grundlage“, sagt Lena Bassermann, Referentin für Welternährung beim Inkota-netzwerk. „Sogar aus den Agra-eigenen Evaluierungen geht hervor, welche große Bedeutung bäuerliche Saatgutsysteme und das Recht auf Saatgutnachbau in ihren Partnerländern haben“, sagt Stig Tanzmann, Landwirtschaftsexperte von Brot für die Welt, „doch statt auf dem bäuerlichen Wissen aufzubauen, verfolgt Agra kompromisslos den Ansatz, der allein industrielles Saatgut anerkennt.

Der Agra-Ansatz verschaffe „den an Projekten beteiligten Bauern und Bäuerinnen nicht einmal Einkommen oberhalb der Armutsgrenze“, heißt es in dem Hintergrundpapier. Erfolgreich sei die Agra nur darin, politischen Einfluss auf Ministerien und Beratungsgremien afrikanischer Regierungen auszuüben, um „einen institutionellen Rahmen“ zu schaffen, der die eigenen Ansätze der „Grünen Revolution durch Gesetze und Rahmenbedingungen legitimiert“, heißt es weiter.

Den Kleinbauern aus der Armut zu helfen brauche Zeit, verteidigt sich die Agra gegenüber den Vorwürfen. Zudem unterstütze die Allianz „lokale afrikanische Unternehmen (KMUs), um lebensfähige Input-Geschäfte in Saatgutsystemen zu betreiben“, so eine Sprecherin. „Agra finanziert keine Düngemittelunternehmen; im Gegenteil, wir finanzieren Universitäten und Forschungsinstitutionen, um Empfehlungen zu erarbeiten, wie die Menge an Düngemitteln, die in landwirtschaftlichen Systemen eingesetzt werden, durch Mischen und Mikrodosierung reduziert werden kann“, so die Sprecherin.

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