piwik no script img

Konflikt zwischen Äthiopien und ÄgyptenEs wird ernst am Blauen Nil

Der Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um die Nil-Nutzung spitzt sich zu. Erstmals hält Äthiopiens neuer Staudamm große Wassermengen zurück.

Der Staudamm aus der Luft am 26. Juni Foto: Maxar Technologies/ap

Berlin taz | Die Satellitenbilder sind eindeutig: Am größten Staudamm Afrikas werden Fakten geschaffen. In den vergangenen drei Wochen entstandene Satellitenaufnahmen vom Großen Renaissance-Staudamm (GERD) am äthiopischen Oberlauf des Blauen Nils zeigen: Die Wassermenge, die den fast fertiggestellten Damm nicht mehr passiert, wird immer größer. Damit tritt der Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um die Nutzung des Nils in die entscheidende Phase.

Für Ägypten ist der Nil, der sich zu 80 Prozent aus dem in Äthiopien entspringenden Blauen Nil speist, die Lebensgrundlage seiner etwa 100 Millionen Einwohner, vor allem der Bauern entlang des Flusses. Für Äthiopien ist der Ausbau der Wasserkraft an den zahlreichen Flüssen, die im zentraläthiopischen Hochland entspringen und von dort in alle Himmelsrichtungen laufen, Grundlage der Stromversorgung seiner rasch wachsenden Bevölkerung von über 110 Millionen Menschen. Das Problem: Die einzige Regelung über die Aufteilung der Nil-Wassernutzungsrechte stammt aus der britischen Kolonialzeit und berücksichtigt ausschließlich Ägypten und Sudan. Ägypten sah nie einen Grund, daran etwas zu ändern – Äthiopien sah sich nie daran gebunden.

Die beiden Länder sind also strukturell im Konflikt. Lange Zeit lehnte Ägypten den Dammbau in Äthiopien strikt ab und in Kairo wurde sogar erwogen, ihn militärisch zu verhindern. Das feuerte den äthiopischen Nationalstolz an und der Damm wurde ausschließlich aus Eigenmitteln gebaut.

Am 12. Juli hat sich der Stausee kräftig gefüllt Foto: Maxar Technologies/ap

Insgesamt soll der GERD-Stausee, wenn alles fertig ist, 74 Milliarden Kubikmeter Wasser enthalten können – das ist fast soviel wie die gesamte Wassermenge des Nils in einem Jahr und ergibt einen Stausee von 250 Kilometern Flusslänge. Nach äthiopischen Plänen soll er sich über viele Jahre verteilt füllen – 4,9 Milliarden Kubikmeter im ersten Jahr, 13,5 Milliarden im zweiten, auch um die Wasserkraftturbinen nacheinander zu testen und anlaufen zu lassen. Das wird aber die Wasserflüsse flussabwärts über Jahre verändern und erzwingt somit nun die Neuregelung, gegen die sich Ägypten lange gesperrt hatte.

Auf Abkommen warten

Eigentlich ist das eine gute Grundlage für Gespräche, und 2015 verpflichteten sich die beiden Regierungen sowie Sudan sogar dazu. Doch geschehen ist seitdem wenig. Ägypten verlangt, den Damm nicht vor einer Vereinbarung in Betrieb zu nehmen – Äthiopien will sich nicht blockieren lassen.

Die US-Regierung versucht seit Jahren vergeblich, ihre beiden wichtigen Verbündeten Ägypten und Äthiopien zu einer Lösung zu bewegen. Inzwischen ist die Afrikanische Union (AU) federführend. Am Montag ging eine erneute AU-Verhandlungsrunde nach elf Tagen ergebnislos zu Ende. Ägypten, Äthiopien und Sudan werden nun der AU getrennt Bericht erstatten, und danach soll die AU überlegen, wie es weitergeht.

Der Nil wartet aber nicht so lange. Vor einigen Wochen begann in Äthiopien die große Regenzeit, die jedes Jahr die unzähligen Rinnsale und Bäche im Hochland in reißende Flüsse verwandelt und bis September währt. Das ist das einzige Zeitfenster im Jahr, um den GERD-Stausee zu füllen. Der Blaue Nil schwillt in dieser Zeit durchschnittlich von unter 500 Millionen Kubikmeter im April auf 7 Milliarden im Juli und 16 Milliarden im August an; in Sudans Hauptstadt Khartum, wo er auf den Weißen Nil aus Uganda trifft, steigt der Wasserpegel dadurch um sechs Meter.

Dieses Jahr fällt die Regenzeit in Äthiopiens Hochland laut Agrar-Frühwarnsystem „Fewsnet“ überdurchschnittlich aus. Es seien „im Juli und August Überschwemmungen zu erwarten“, so die Fewsnet-Prognose vom Juni. Also müsste eigentlich mehr Wasser den Nil hinunterfließen. Nun melden aber die Behörden im Sudan, der Wasserzufluss aus Äthiopien sei um 90 Millionen Kubikmeter am Tag gesunken, ein Drittel der um diese Zeit üblichen Menge.

Die äthiopische Seite weist jede Verantwortung von sich. Dass der Stausee wachse, liege nur am Regen. „Wir haben nichts gemacht“, so ein Dammverantwortlicher gegenüber AFP. Wasserminister Sleshi Bekele sagte am Mittwoch: „Der Damm füllt sich im Rahmen des natürlichen Prozesses seines Baus.“ Die Staumauer wurde jüngst von 525 auf 560 Meter Höhe aufgestockt.

Anm. der Red: in einer früheren Fassung des Textes hieß es aufgrund eines Redigatsfehlers, dass der Blaue Nil von unter 500 Millionen Kubikmeter im April täglich auf 7 Milliarden im Juli und 16 Milliarden täglich im August anschwille. Tatsächlich sind das die Monatsmengen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Der Bundestag hat dazu kürzlich ein Gutachten veröffentlicht, das auch auf die völkerrechtlichen Hintergründe eingeht. Kurzgesagt, beruft sich Ägypten auf Abkommen, die von der britischen kolonialregierung Ägyptens mit der britischen Kolonialregierung des Sudan ausgehandelt wurden, unter völliger Nichtbeachtung des Kaiserreiches Äthiopien oder gar der anderen heutigen Anrainerstaaten in Ostafrika. Ägypten hätte eigentlich klar sein müssen, dass es sich nicht in alle Ewigkeit auf ungerechte Abkommen des Britischen Empire stützen kann.

    www.bundestag.de/r...15-20-pdf-data.pdf

    • @Suryo:

      Schlaumeier. Die Landwirtschaft in Ägypten und Sudan hängt stark vom Nil ab, der in den letzten Jahren allerdings im Schnitt sinkende Pegelstände aufweist. Da hilft ein Gutachten nicht. Man könnte aus ägyptischer Sicht auch sagen, dass Kaiserreich Äthiopien hatte damals kein Problem mit dem Abkommen, und für das Bevölkerungswachstum in Äthiopien können wir nichts. Ist kurzgegriffen aber nicht weniger hilfreich als das Gutachten.



      Ich hoffe sie regeln das friedlich.



      Ich hoffe uns bleibt Wasserstreit erspart. Die Dürren in Sachsen sprechen dafür dass es zu Streit um Elbwasser kommen können.

      • @sachmah:

        Umgekehrt können aber auch die oberen Nilanrainer nichts für das gewaltige Bevölkerungswachstum Ägyptens. Im übrigen steht im Gutachten auch etwas zur Position des äthiopischen Reiches und dazu, dass der GERD-Staudamm sogar die Verdunstungsrate des Nilwassers senken kann, was Ägypten nutzen würde.

  • Das muss nicht zu einem Konflikt füren. Im Gegenteil, das Wasser des Kongo-Beckens reicht für ganz Afrika. Wir dürfen die Chance nicht verpassen. Ich bin erstaunt, wie einfach es ist, den Tschad-See ganz zu füllen und riesige Gebiete in fruchtbares Ackerland zu verwandeln. Die trockene Sahel-Zone ist dann Vergangenheit. Das Transportmittel der immensen Wassermassen: Passatwind und Wolken, die sich über Ostafrika abregnen.



    Aber rechnen müssen wir bis dahin richtig. Ohne Fiasco wie bei Covid.



    In Südafrika verhält es sich ganz ähnlich. Das erfolgversprechende Kunene-Projekt wurde durch uns Grünfrauen gestoppt.Wegen der Rüchsichtnahme auf die Himbas.

  • Die Kernaussagen sind natürlich interessant, aber wenn sie an seltsamen Zahlen aufgehängt werden, leidet der Artikel doch sehr. Es gibt auf der ganzen Welt keine 560 Meter hohe Staumauer. Vermutlich liegt der Scheitel der Mauer jetzt auf 560 Meter Seehöhe, die Mauer selbst ist sowas wie 150 Meter hoch. Es wäre auch gut, wenn man richtige und in der üblichen Weise aufgeschlüsselte Zahlen (m3/s) zur Wassermenge in einen Kontext stellen würde. Der Nil ist von der Wassermenge ein nur mittlerer Fluss, er hat in ein paar Monaten im Jahr so viel Wasser wie die Donau an der Mündung, meist aber eher soviel wie ein regionaler Fluss wie die Elbe. Davon landet fast nichts im Mittelmeer, fast alles wird irgendwie in der Landwirtschaft aufgebraucht, u.a. dafür, dass in unsereren Supermärkten Kartoffeln und Trauben aus der ägyptischen Wüste liegen. Offenbar ist das Wasser wichtig. Aber welche Rolle spielt für das ägyptische Wassermanagement der Assuan-Stausee? Der müsste doch ein paar Jahre Schwankung locker ausgleichen können? Und ökologisch ist auch wichtig was passiert wenn alle Sedimente in Äthiopien hängen bleiben. In dieser Hinsicht könnte der Artikel seh viel mehr bieten.

  • 560 Meter? Ist derDamm wirköich sooo hoch? Fehlt ein Komma? Beziehen sich die Höhenangabwn auf Meereshöhe?

    • @qwe:

      ja. ohne komma.

      • @fly:

        @QWE & FLY:

        Leider muss ich widersprechen: 560 m Höhe ist falsch. Der Scheitelpunkt des Dammes ist bei ca. 655 mNN. Die richtige Einheit hinter 560 ist Fuß (feet), ergo etwas über 150 m. Der derzeit höchsten Dämme haben ca. 300 m Höhe (Tadschikistan und China). Im Bau ist der Rogun-Damm (Tadschikistan) mit über 330m Höhe.

    • @qwe:

      Das stimmt schon. Der kann soviel Wasser anstauen wie der gesamte restliche Nil. Mit 5,60 m wird es da knapp. Über Meereshöhe..das ist im äthiopischen Hochland. 560 m ü. nN. da muss man ein Loch buddeln.

  • „Der natürliche Prozess seines Baus“ ;). Das nenne ich gelungene Ironie.

  • 0G
    02614 (Profil gelöscht)

    Ich habe nochmal den Artikel gerade noch mal gelesen. Die Menge bezieht sich auf "täglich" nicht auf die in diesem Zusammenhang übliche Sekunde.

  • 0G
    02614 (Profil gelöscht)

    Die Zahlen erscheinen mir ebenfalls nicht ganz plausibel. Üblicherweise misst man die Durchflussmenge eines Flusses in m³/Sekunde. Der Nil ist zweifelsohne ein großer Fluss. Zum Vergleich: Der Rhein in Köln hatte beim höchsten gemessenen Hochwasser im Jahr 1926 eine Durchflussmenge von 10.900 m³/Sekunde. Es ist kaum vorstellbar das der Blau Nil in der Trockenzeit unter 500 Millionen (!) Kubikmeter führt. Da ist fast die 46.000 fache Wassermenge des Rheins im Jahr 1926. Dagegen sprechen auch die Größenverhältnisse des Flusslaufes, wenn man sich die Fotos zum Damm anschaut.

    Für die Kernaussage des Artikels spielt das natürlich keine Rolle ...

    • @02614 (Profil gelöscht):

      Es geht wohl weniger um die Durchflussmenge, die für Wasserbauingenieure eine Rolle spielt, sondern um die tatsächliche Gesamtmenge, die für das Füllen eines Stausees interessant ist.

  • Bin gespannt, wann das Becken mit Schlamm gefüllt ist und gar nichts mehr geht.



    Insbesondere bei Hochwasserereignissen wird ja alles mitgerissen, was nicht fest ist.



    Für mich sieht das nach Hybris aus, aber ich bin kein Experte.

    • @Mitch Miller:

      Das dachte ich auch. Der berühmte Nilschlamm, der die Felder Ägyptens so fruchtbar macht, verschlammt er jetzt das Staudammbecken?

    • @Mitch Miller:

      Ich denke, das werden die Ingenieure schon bedacht haben. Tatsächlich wird der Damm den Sudan vor Hochwasser schützen und sichert so die Nutzung des dortigen Ackerlandes. Auch deswegen steht der Sudan dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber.

  • Dasselbe passiert mit dem Mekong, dort stiehlt China das Wasser.

  • Also für mich sind die verschiedenen Zahlen in dem Bericht irgendwie unplausibel.



    Hier steht, dass im Juli 16 Milliarden Kubikmeter täglich den Blauen Nil in Äthiopien hinuter fließen. Im Sudan wird festgestellt, dass 90 Millionen Kubikmeter fehlen und dass das 1/3 der üblichen Durchflussmenge entspricht. Kann das überhaupt sein, dass aus den 16 Milliarden Kubikmeter bis zum Sudan 15,8 Milliarden Kubikmeter verschwinden? Und noch dazu, soll der Staudamm 2020 "nur" um 4,9 Milliarden Kubikmeter angestaut werden! Irgend etwas passt hier nicht sagt mein Gefühl!

    • @Fridolin:

      Hallo und vielen Dank für den Hinweis. Sie haben Recht und wir verbessern das gleich im Text. Viel Grüße aus der Redaktion