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Umwidmung der Hagia SophiaOhne jede Weisheit

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Umwandlung der Hagia Sophia ist für Erdoğan nicht nur ein symbolischer Sieg über die Christen, sondern gleichzeitig auch einer über den Laizismus.

Kein neutraler Boden mehr: Die Hagia Sophia in Istanbul Foto: Emrah Gurel/ap

E s ist der ultimative Triumph für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die Hagia Sophia (im Griechischen die Kirche der „Heiligen Weisheit“) in Istanbul wieder zur Moschee zu machen war der Traum aller Islamisten und stellt Erdoğan in den Augen seiner Anhänger nun in eine Reihe mit dem Eroberer Konstantinopels, Sultan Mehmet II. Dass er damit die Geste des laizistischen Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürks, der die vormalige Kirche und Moschee 1934 in ein allen Menschen gleichermaßen zugängliches Museum umwandeln ließ, ebenfalls noch ausradierte, macht den Triumph komplett.

So ist es nicht nur ein symbolischer Sieg über die Christen, sondern gleichzeitig ein symbolischer Sieg über den Laizismus, der die Türkei erneut einen Schritt näher an die vom Präsidenten angestrebte islamische Republik bringt. Für diesen Schritt war Erdoğan nicht nur bereit, den größten Teil der westlichen Welt vor den Kopf zu stoßen, er hat auch der russisch-orthodoxen Kirche, die dem russischen Präsidenten Putin sehr nahesteht, damit den Fehdehandschuh hingeworfen. Denn für die orthodoxen Christen in aller Welt, allen voran die Gläubigen in Russland und Griechenland, ist die Hagia Sophia auch mehr als 500 Jahre nach der Eroberung Konstantinopels immer noch der Sehnsuchtsort ihres Glaubens, so wie für die Juden auf der ganzen Welt die Klagemauer in Jerusalem oder der Petersdom für die Katholiken.

Deshalb war es eine kluge, völkerverbindende Entscheidung Atatürks, aus der Hagia Sophia ein Museum zu machen, und deshalb ist es so schädlich für die Türkei, den emotional stark ­besetzten Bau nun wieder zu einem exklusiv islamischen Hoheitsgebiet zu erklären. Das ohnehin schlechte Verhältnis zu Griechenland wird dadurch endgültig zerrüttet. In der EU werden die Stimmen, die Sanktionen gegen den aggressiven Kurs Erdoğans fordern, ­lauter, und auch sein Männerfreund ­Putin ist düpiert. Die Umwidmung könnte sich noch als schwerer Fehler erweisen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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10 Kommentare

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  • Wohin der Hase läuft, sagte Erdogan in seiner Rede:

    "Turkey’s President Recep Tayyip Erdogan vowed to “liberate al-Aqsa mosque” from Israel after “resurrecting Hagia Sophia” as a mosque on Friday."

    www.jpost.com/midd...a-to-mosque-634700

  • Nuja, wenn die Türkei sich lieber in Richtung Islamismus bewegen will, sollte sie doch statt mit dem Westen lieber Geschäfte mit Iraq, Syrien etc. machen. EU hat sich sowieso erledigt, also ...

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    "Every gal in Constantinople



    Lives in Istanbul, not Constantinople



    So if you've a date in Constantinople



    She'll be waiting in Istanbul



    Even old New York was once New Amsterdam



    Why they changed it I can't say



    People just liked it better that way



    So, Take me back to Constantinople



    No, you can't go back to Constantinople



    Been a long time gone, Oh Constantinople



    Why did Constantinople get the works?



    That's nobody's business but the Turks" www.youtube.com/watch?v=Wcze7EGorOk"

  • Man kann ja nicht wirklich überrascht sein von Erdogan.

  • Erdogan hat nicht das Format um mit Weltkulturerbe verantwortungsvoll umzugehen.

    Er ist nur Putins größenwahnsinniger Gartenzwerg.

    • @Argonaut:

      "Er ist nur Putins größenwahnsinniger Gartenzwerg."

      Das ist eine wirklich sehr treffende Bezeichnung. ;)

  • Nun ja, ich hatte es vor Jahren ( taz.de/Religionsfr...bb_message_3215761 ) vorausgesagt und wurde damals allerdings regelrecht von einigen Mitkommunarden in der Kommentarspalte gut gebasht.



    Wie die Zeit vergeht...Unding!

  • Brilliant ist die Entscheidung nicht. Aber der europäische Tenor ist auch Quatsch. Die Hagia war vor mehr als fünfhundert Jahren Kirche, seitdem Moschee bis vor wenigen Jahrzehnten. Was ist da die Provokation? Es wird ja nicht eine Kirche umgewidmet.



    Ob die Türkei je zur Ruhe kommt? Atatürk hat zwar einiges gebracht, er war aber physisch sehr brutal gegen den islamischen Klerus. Die Gegner seiner Reformen heute per se Islamisten zu nennen ist so zutreffend wie die taz kommunistisch. In der Türkei gibt es zwei extreme Positionen bis heute, und aber auch, entgegen der Propaganda vieler Medien hier, eine breite Mitte. Ich hoffe dass das Land zu mehr Ausgleich kommt. Das ist von beiden Seiten überdrehter Unsinn was da abgeht.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @sachmah:

      Eine Anlaufstelle für Menschen einer anderen Religion (Orthodoxe Christen) für diese zu schließen (durch die Umwidmung zur Moschee), ist die Provokation.

      Oder denken sie Christen und Muslime wären einverstanden wenn Israel auf dem Tempelberg eine neue Synagoge baut und nur noch Juden einlässt ?

  • Wenn seine Anhänger das wirklich als Triumph ansehen, dann sind diese entweder naiv, verzweifelt oder verblendet.

    Meines Erachtens steckt Erdogan gerade einfach fest. Der Türkei geht es u. a. wegen der Pandemie wirtschaftlich gerade richtig dreckig, nachdem sie ja schon durch die wirtschaftlich unsinnigen Maßnahmen der Regierung sich eh schon auf einem Abwärtstrend befand. In Syrien und Libyen führt an Russland kein Weg vorbei, wobei die Umwandlung der Hagia Sophie natürlich wenig hilfreich ist.



    Mir kommt Erdogan vor wie ein zweiter Mussolini, nicht wegen des Faschismus, sondern eher mit unerfüllbaren Großmachtsphantasien.