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Statement gegen Rassismus im FußballMündig und verboten

Fußballprofi Jadon Sancho kassiert Gelb, weil er an den getöteten Afroamerikaner George Floyd erinnert. Denn: Sport darf hier keine Politik machen.

Tut dem deutschen Fußball nicht nur wegen der Tore gut: Jadon Sancho von Borussia Dortmund Foto: Lars Baron/dpa

Berlin taz | Ein Tor war nötig für diese Demonstration, gleich drei hat Fußballprofi Jadon Sancho beim Auswärtsspiel seiner Dortmunder Borussia in Paderborn geschossen. Und so sah die gesamte Fußballöffentlichkeit seine Botschaft: „Justice for George Floyd“. Auch sein Teamkollege Achraf Hakimi traf einmal und zeigte auch diese Forderung, die jeder von ihnen aufs T-Shirt geschrieben hatte: Gerechtigkeit für den vor wenigen Tagen nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis (USA) verstorbenen Afroamerikaner.

Der Engländer Sancho und der Spanier Hakimi waren nicht die Einzigen in der Bundesliga, die sich mit dem Opfer rassistischer Gewalt solidarisierten: der US-Amerikaner Wesley McKennie (Schalke 04) lief mit einer Armbinde, auf der „Justice for George“ stand, auf, und der Franzose Marcus Thuram (Borussia Mönchengladbach) übernahm nach seinem Treffer die berühmte Geste des Niederkniens, mit der der US-Football-Profi Colin Kaepernick einst eine weltweite Solidaritätsaktion unter Profisportlern auslöste.

Jadon Sancho, 20-jähriges Riesentalent, mit 17 Treffern derzeit auf Platz drei der Torschützenliste, ist wohl der berühmteste der vier Bundesligastars. Interessant ist: Alle vier sind Schwarze, alle vier sind ausländische Profis, die in Ländern groß wurden, in denen selbstbewusste und politisch aktive Sportler keine Seltenheit sind.

Während etwa in den USA Athletenproteste spätestens seit dem Boxer Muhammad Ali und dem Basketballer Kareem Abdul-Jabbar üblich sind und sich auch Größen des Weltsports wie Tennisprofi Serena Williams daran beteiligen, gilt hierzulande, dass Sport auch dann nicht mit Politik in Verbindung zu bringen sei, wenn auch Sportler rassistisch bedroht werden, als ehernes Gebot.

So gab es zwar Verständnis und Lob im Anschluss an ihre Aktion, und sogar der diesbezüglich noch nie aufgefallene Ex-Torwart und Bayern-München-Vorstand Oliver Kahn freute sich über die „sehr wichtigen Signale“ Sanchos: „Die Spieler sollen ruhig mündig sein und ihre Meinung öffentlich kundtun.“ Dennoch drohen zumindest Sancho (der für die Aktion die Gelbe Karte sah), Hakimi und McKennie Sanktionen: „Der Kontrollausschuss des DFB wird sich im Laufe der nächsten Tage dieser Angelegenheit annehmen und den Sachverhalt prüfen“, heißt es beim Deutschen Fußballbund, denn in den Bestimmungen steht: „Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt.“

Jadon Sancho spielt seit 2017 in Deutschland, als Jugendlicher kam er zu Borussia Dortmund. Aber ob der Klub den in London geborenen Stürmer, der schon als 14-Jähriger zum Spitzenklub Manchester City wechselte, noch über das Ende der Vertragslaufzeit 2022 halten kann, ist mehr als ungewiss. In jedem Fall haben Sancho, Hakimi, McKennie und Thuram gezeigt, dass sie dem deutschen Sport nicht nur deswegen guttun, weil sie wertvolle Tore schießen. Ihre Kollegen können noch viel mehr von ihnen lernen.

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8 Kommentare

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  • „Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt.“

    Ich betrachte Werbung auch als Mitteilung, zumindest als "andere".

    Ich bin aber eigentlich auch gegen politische Propaganda im Sport. Jedenfalls gegen machtpolitische.



    Wie Kleiner Spinner schon sagte, ist Werbung als politisch einzustufen.



    Eine Werbung für Trump oder ähnliches wäre auch unakzeptabel.

    Unterdrückte Meinungen zu äußern ist denke ich akzeptabel.



    In diesem Fall ist es eine Solidaritätsbekundung.



    Ein Denkanstoß. Eine Form von Demonstrationsrecht.

    Außerdem ist eine Äußerung des Spielers auch höher zu bewerten als eine von jemand anders auf das Shirt aufgebrachte Parole, die dann ja auch noch 11fach ist, während bei der einzelnen Äußerung für das gleiche Gewicht schon mal alle elf gleicher Mein6ng sein müssen.

    Was ist mit Hymnen? reißerische Sprecheransagen?



    auch alles Politik

    Aklerdings

  • Wo sollten sonst die Sponsorengelder her kommen, wenn Vereine und die nationalen und internationalen Sportverbände nicht so strikt auf die Trennung von Sport und Politik achten würden?

    Das hat doch lange Tradition, seit der Fußball-WM in Argentinien (1978) während der Militärdiktatur und bis zur künftigen WM in Qatar, wo es auch sehr demokratisch zu geht und es auch keine Menschenrechtsverletzung gibt (Herr Infantino heißt ja nicht Kashoggi), oder gab, wie z.B. im himmlischen Frieden des olympischen China.

    Der Boykott der olympischen Spiele in der Sowjetunion (1980) hatte auch nichts mit Politik zu tun? Damals kamen von dort nur noch keine fetten Sponsoren, oder? Aber das hat sich ja, siehe WM 2018, geändert.

    Sport steht für Frieden und Völkerverständigung? Dass immer noch so viele Esel diese Möhre für erreichbar halten, wenn sie ihnen vor der Nase bummelt, ist eigentlich kaum noch zu verstehen.

    I can't breathe!

    66 und Antifa, selbstverständlich!

    • @Drabiniok Dieter:

      Hupps, Kashoggi war Saudi Arabien; in Qatar gibt es keine Sklaven, mit Eisenkugeln an den Füßen. Nur schöne Trainingsgelände!



      Sorry!

  • Sorry für die Deutlichkeit, aber das ist schlicht populistisch. Sancho hat nicht Gelb dafür bekommen, weil er an den Tod Floyds erinnert hat, sondern für das Ausziehen des Trikots. Das ist eine Regel, die immer angewendet wird, egal was die Botschaft ist. Es gab auch schon politisch fragwürdige Gesten von Fußballern. Man denke nur an die Militärverherrlichung einiger türkischer Fußballer wöhrend der Syrieninvasion Ergogans. Vom Schiedsrichter kann zumindest nicht in jeder Situation verlangen, Texte auf Shirts zu lesen, richtig zu deuten und zu morlaisch werten.

    Ob die Regel nun sinnvoll ist, ob man solche Fälle nicht generell nachträglich entscheiden sollte und ob man antirassistische Statements nicht genrell erlauben sollte, ist ne andere Frage. Ich fänds natürlich besser.

    Falls der DFB jetzt allerdings sanktionieren sollte, dann bin ich völlig dabei. Das wäre absolut daneben. Im Gegenteil, man sollte in diesem Fall auch Haltung zeigen und die Verwarnung zurücknehmen.

  • Deutsche Fußballer protestieren nie. Seit Beckenbauer ist das eine Doktrin. Es freut mich, das ausländische Fußballer ihr Gewissen dann doch öffentlich kundtun. Der DFB verbietet ja jegliche politische Aktivität seiner Sportler, nur die Fans dürfen ihren Hass und ihren Rassismus ausleben.

    • @Kappert Joachim:

      Die meisten organisierten Fanszenen diszanzieren sich deutlich von Rassismus und Rechtsextremismus. Und die Zahl der rassistischen Vorkommnisse ist seit den 90ern permanent rückläufig. Die Behauptung, dass Fußballfans zu Hass und Rassismus neigen würden, ist falsch.

    • 0G
      01349 (Profil gelöscht)
      @Kappert Joachim:

      Auf den Trikots und auf diesen Dingern, die da ums Spielfeld drumrum sind, wird die ganze Zeit kapitalistische Propaganda betrieben.

      So zu tun, als ob das keine politische Aktivität sei, ist auch politische Aktivität.

  • DFB und DFL sind zwar Drecksvereine, aber das ist einfach nur sachlich falsch. Sancho hat nicht für die Botschaft Gelb bekommen, sondern für's Trikotausziehen, so wie jeder andere Spieler auch. Völlig unabhängig davon was darunter zum Vorschein kommt.