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„Mit trockenen Augen trete ich zum Besenschrank und hole den Staubsauger heraus“ Illustration: Johanna Walderdorff

Alleinerziehende Frauen zu CoronazeitenWir kommen schon klar

Eine Frau, zwei Kinder, ihr Alltag zu Coronazeiten: Morgens Haferflocken, nachmittags Staubsaugen – und wer dreht durch? Eine Kurzgeschichte.

S chon beim Aufstehen habe ich an Staubsaugen gedacht, aber da ging es natürlich noch nicht. Wir haben ja jetzt unseren Rhythmus, es ist ja gerade jetzt total wichtig, dass man den Rhythmus einhält. Nur wer einen Rhythmus findet, kommt klar in Zeiten wie diesen, die anderen fallen irgendwie raus aus der Zeit und verschwinden oder zerschellen, man sieht die dann einfach nicht mehr.

Na ja, eigentlich sieht man ja gerade eh niemanden mehr, man sieht nur, was die Leute posten. Erst wenn jemand nichts mehr postet, weiß man: Da ist vermutlich wieder einer nicht mehr klargekommen, weil er seinen alten Rhythmus verloren und keinen neuen gefunden hat.

Aber wir kommen klar. Die Kinder musste ich natürlich erst ein bisschen anleiten, inzwischen ist der neue Rhythmus aber in ihnen drin.

Der Wecker klingelt um sieben, das ist eine halbe Stunde später als in der alten Normalität. Wir sparen jetzt immerhin die Zeit für Schulweg, es ist also nicht alles schlecht.

Um kurz vor halb acht sitzen die Kinder angezogen und mit gekämmten Haaren am Frühstückstisch und löffeln ihre Haferflocken. Die dürfen sie mischen, wie sie Lust haben. In drei formschönen Gläsern sind Mini-Marshmallows und bunte Streusel und Schokostreusel, davon dürfen die Kinder sich etwa zwei Esslöffel voll in die Haferflockenschüssel schütten. Insgesamt, versteht sich. Manchmal nehmen sie aus Versehen zu viel, manchmal auch mit Absicht.

Das mit den Streuseln und den Haferflocken ist eine gute Idee, so können sie schon morgens etwas aussuchen. Ich hoffe, dass sich das für sie wie Freiheit anfühlt. Und schön sieht es aus, auf dem Tisch, diese drei bunten vollen Gläser, die ich jeden Abend nachfülle. Wir hatten das mit den Haferflocken auch vorher schon so, ich weiß nicht, warum mir das jetzt irgendwie besser vorkommt als vorher, wie eine mütterliche Leistung. Man muss ja das Positive sehen, darum bemühe ich mich nach Kräften, und das hier mit den bunten Sachen in den schönen Gläsern habe ich wirklich gut gemacht, das war mir vorher gar nicht so bewusst.

Ich hatte aber auch vorher nie Zeit, mir über so einen Scheiß wie Haferflocken und Streusel Gedanken zu machen. Ich habe vorher so viele andere Dinge im Kopf gehabt: Text, der zu lernen war, Kurse, die vorzubereiten waren, Stress mit den Kollegen. Da hätte ich nie im Leben so lang drei formschöne Gläser angestarrt, wie ich es jetzt manchmal tue.

Vor ein paar Tagen habe ich ein Foto von den Gläsern gemacht und rumgeschickt, damit die da draußen sehen, wie gut wir klarkommen. Vielleicht kommen die dann ja auch auf die Idee, es uns nachzumachen, damit auch die anderen Kinder die Freiheit haben, sich schon beim Frühstück frei wie ein Vogel für oder gegen Streusel entscheiden zu können. Ich helfe anderen gern dabei, das Positive zu sehen.

„Guck mal, die Milch wird ganz bunt“, sage ich, als die Streusel den Haferflockenmatsch des Jungen färben. Das stimmt. Er starrt in die Schüssel, rührt mit dem Löffel, strudelt Farben.

Er fragt: „Warum ist das so? Ist es doch sonst nicht.“

Das stimmt. „Ich glaube, die Milch war warm.“ Ich habe die Milch gestern draußen stehen lassen, das kann sein. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr genau, was ich gestern Abend gemacht habe, als die Kinder still und folgsam in ihren Betten verschwunden sind zu ihren iPads. Möglicherweise habe ich die Milch nicht in den Kühlschrank gestellt. Heute Morgen musste ich mehr aufräumen als sonst in der Küche, das weiß ich noch. Aber ich habe nicht gestaubsaugt. Ich hätte gern, aber ich habe nicht, da bin ich mir sicher.

Ich sage: „Schön, so bunt!“

Wir starren in die Schüssel des Jungen. Die Kleine starrt mit. Ich fotografiere die bunten Strudel. Das sieht sehr positiv aus, ich überlege, ob ich es rumschicken soll oder ob das thematisch zu sehr an den formschönen Gläsern ist. Ich will nicht, dass unsere neue Normalität zu klein aussieht. Dann könnte es aussehen, als kämen wir nicht klar.

Der Junge sagt: „Wenn die Milch warm ist, wird es so bunt?“

Ich sage: „Ja, genau“, obwohl ich es nicht sicher weiß.

Die Kleine sagt: „Von den Streuseln.“

Wir reden inzwischen viel über Sachen wie Haferflocken und Nudeln und Stifte und Seife

Ich sage: „Und wegen der Wärme der Milch, genau. In warmen Flüssigkeiten löst sich alles leichter auf.“

Wir haben ein Gesprächsthema, das tut uns gut. Wir reden nicht mehr viel. Und wenn, dann über andere Dinge als vorher.

Wir reden inzwischen viel über Sachen wie Haferflocken und Nudeln und Stifte und Seife. Über einfache Sachen, die keinen aus der Fassung bringen. Die Kinder haben sofort begriffen, dass man mit mir nur noch über solche Dinge reden kann. Sie haben sich toll an die Situation angepasst, auch an den Rhythmus haben sie sich toll angepasst.

„Ich will das auch“, sagt die Kleine, sie greift entschlossen nach dem formschönen Glas und schüttet sich Streusel in die Schüssel. Eine Menge Streusel verteilen sich auf dem Tisch. Niemand von uns erschrickt. Die Kinder wissen, dass ich nicht schimpfe. Ich schimpfe nicht morgens und nicht nach der Staubsaugerzeit.

Ich denke wieder an den Staubsauger, aber es ist viel zu früh dafür. Wir sind ja noch beim Frühstück. Dann ist Zeit für die Arbeitsblätter der Kinder.

Die habe ich schon gestern Abend ausgedruckt. Ich denke an die Arbeitsblätter und verdränge den Gedanken ans Staubsaugen, so gut das geht. Ich hab das gelernt inzwischen. Auch meine Gedanken haben sich dem neuen Rhythmus angepasst. Ich mache einfach meinen Kopf so leer wie möglich. Das kann ich. Früher habe ich das vor einer Premiere gemacht, wenn ich schlimmes Lampenfieber hatte. Wie gut, dass ich diesen Trick beherrsche.

Schlieren und Zieren, Frieren, Viren – das reimt sich ja

Jetzt kann ich das Durchdrehen verhindern, wenn ich ihn anwende. Ich wende ihn sehr oft an. Ich mache meinen Kopf also leer und denke nur an die Arbeitsblätter, die im Auswurffach meines Druckers liegen, wo mein Drucker sie gestern ausgeworfen hat. Die Kinder essen ihre Schüsseln leer. Starren die bunten Schlieren an, die den Boden der leerer werdenden Schüsseln zieren. Ich starre mit.

Das reimt sich ja sogar, Schlieren und Zieren. Und Frieren. Verlieren. Und Viren.

Ich mache meinen Kopf wieder leer und gehe zu meinem Drucker und hole die Arbeitsblätter.

Die Kinder reißen sie mir förmlich aus den Händen. Es ist ein Wunder. Ich kann es noch immer nicht glauben. Nie waren sie so brav wie jetzt. So lernwillig auch. Sie räumen sogar von selbst ihre Schüsseln in die Spülmaschine und gehen ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Wie oft musste ich sie früher ermahnen wegen solcher Dinge! Manchmal habe ich auch geschimpft und geschrien. Jetzt nicht mehr. Wir leben ganz im neuen Rhythmus.

Die Kinder setzen sich noch vor halb neun an den Küchentisch, sie tun das automatisch. Sie holen ohne Widerrede ihre Mäppchen, während ich die neuen Arbeitsblätter vor sie lege, neben die Schulbücher, die sie selbstständig und ohne zu murren aus ihren Schulranzen geholt haben.

Die Kleine greift als Erste nach dem Bleistift. Dann hebt sie die linke Hand und kratzt damit ­gedanken­verloren die roten Schrunden auf den Fingerknöcheln. Ich kann hören, wie ihre Nägel die wunde Haut kratzen. Ich stehe auf und hole die Salbe, obwohl sie nicht viel hilft.

Seit Wochen breiten sich diese Schrunden über die Kinderhände aus, egal wie viel Salbe ich darauf streiche. Google sagt, es ist ein Wasch­ekzem. Das haben jetzt viele Kinder. Manche Mütter haben die Hände ihrer Kinder fotografiert und rumgeschickt, das finde ich nicht gut. Ich vermute, das sind die ­Mütter, von denen man bald nichts mehr sehen wird, weil sie irgendwie durch die Zeit gefallen und nicht mehr klargekommen sind. Die haben es nicht geschafft.

Die Kinder fangen an. Ich werde mich nachher zu ihnen an den Tisch setzen und meinen Laptop aufklappen, aber erst muss ich etwas anderes tun. Ich sammle das Altglas zusammen. Heute ist Montag. Montag, Mittwoch und Freitag bringe ich Altglas weg, Dienstag, Donnerstag und Samstag Müll hinunter. Am Sonntag tue ich keins von beidem. Da vermisse ich es richtig. Der Rhythmus wirkt also.

Ich habe schon überlegt, ob ich das bei der nächsten Verlängerung verändern soll, als kleine Belohnung für mich sozusagen, weil ich alles so gut im Griff habe. Dann würde ich am Sonntag sowohl Müll als auch Altglas wegbringen. Das sind 400 Meter extra da draußen. Natürlich darf man sonntags eigentlich kein Altglas wegbringen, aber das ist momentan egal geworden. Verbote haben sich verändert.

Ich staubsauge ja jetzt auch am Sonntag, es hat sich noch niemand von den Nachbarn beschwert, was mich wundert. Früher haben die sich wegen allem Möglichen beschwert, das gehört zu den Dingen, die sich verbessert haben. Es ist jetzt also wirklich nicht alles schlechter als früher, man muss das Positive sehen, vor allem da, wo es eindeutig da ist.

Das Positivste ist, dass gleich Zeit für den Staubsauger ist. Das kann ich kaum erwarten.

Vorher mache ich Nudeln. Die essen wir um ein Uhr.

Inzwischen kann ich die Augen zukneifen, ohne sie zuzukneifen, innerlich sozusagen

Ich lobe die Kinder, wie gut sie ihre Aufgaben machen und wie brav sie sind. Das ist nicht nur, weil ich ihnen helfen will, das Positive zu sehen. Es ist auch, weil ich jeden Tag wirklich staune, wie gut das bei uns klappt. Ich weiß aus anderen Familien, dass die Kinder durchdrehen. Bei uns nicht. Also jedenfalls nicht mehr.

Zum Teil liegt das an der Angst der Kinder. Sie wissen, wenn sie durchdrehen, nehme ich ihnen die iPads weg. Das ist das Schlimmste, was sie sich vorstellen können. Es ist ja ganz neu für die, dass sie überhaupt damit spielen dürfen. Früher habe ich gedroht, ihnen Eis und Schwimmbad zu streichen, das hat auch super gewirkt. Aber inzwischen haben sie sich so an das iPad gewöhnt, dass ich sie damit vor dem Durchdrehen bewahren kann.

Nach dem Essen laufen die Kinder wie immer einige Male das Treppenhaus rauf und runter. Dabei sind sie ziemlich laut, sie lachen sogar, es beschwert sich trotzdem niemand von den Nachbarn.

Das Problem daran ist nur: Kaum sind sie raus, wird meine Sehnsucht nach dem Staubsauger so groß, dass ich mich richtig zusammenreißen muss, um nicht zu weinen. Zum Glück weine ich nicht mehr vor den Kindern. Das wäre auch echt schlecht für die Kinder, es würde ihnen Angst machen.

Inzwischen kann ich die Augen zukneifen, ohne sie zuzukneifen, innerlich sozusagen. Verrückt, wenn ich mir vorstelle, wie ich mich früher anstrengen musste, das mit dem Weinen richtig hinzukriegen, wenn das Drehbuch es verlangt hat. Das wäre jetzt gar kein Problem mehr. Umgekehrt ist es viel schwieriger. Zum Glück klappt es inzwischen prima, meine Augen haben sich offenbar auch gut an die neue Situation gewöhnt.

Endlich ist es drei Uhr. Die Kinder haben die Zähne geputzt und verschwinden in ihre Zimmer zu ihren iPads.

Jetzt, endlich. Mein Moment. Mein täglicher Auftritt. Jetzt geht es nur um mich. Mit trockenen Augen trete ich zum Besenschrank und hole den Staubsauger heraus. Dann hebe ich Legosteine und Zeitungen auf und stöpsle ihn ein. Das mache ich ganz langsam, jetzt, wo ich kurz davor bin, zögere ich den Moment des Staubsaugens hinaus. Ich atme noch einmal tief und zitternd ein. Gleich ist es so weit.

Ich schalte ihn an, und dann wird es laut. Der Staubsauger brüllt los. Es ist ein ziemlich lauter Staubsauger, wenn man ganz bis zum Anschlag dreht. Das wird dadurch noch verstärkt, dass ich mal ein Playmobilmännchen eingesaugt habe, was sich jetzt irgendwo oben im Staubsaugerhals verkantet hat.

Das sorgt noch für ein zusätzliches Klappergeräusch, das sich über das ohrenbetäubende Brummen legt. Dass ich dieses Playmobilmännchen eingesaugt habe, war im Nachhinein wirklich schicksalshaft. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass ich das Positive an einer Sache zuerst nicht erkennen konnte. Was für ein Segen ist es jetzt, dass der Staubsauger so laut ist!

Früher hat mich sein Geräusch gestört, inzwischen liebe ich es. Ich liebe nichts so wie das. Wenn er richtig laut brüllt, kann ich loslegen.

Ein paar Schritte in den Flur, ein letzter Blick, ob die Kinderzimmertüren geschlossen sind. Ich lockere ganz leicht den Kiefer, und dann kommt das Heulen wie von selbst. Es spritzt so richtig aus beiden Augen, krass, was für ein Druck dahinter ist, wenn man so lang angehalten hat. Der Staubsauger brüllt, die Tränen spritzen, und ich öffne den Mund und brülle auch.

Das tut so gut. Ich brülle nur mittellaut, ­relativ monoton brülle ich, genau so, dass es im Pegel des Staubsaugers bleibt. Inzwischen haben wir uns ­optimal aneinander angepasst, der Staubsauger und ich. So kann man mich nicht hören, ich verschwinde im Brüllen des Staubsaugers. Das ist ja der Sinn der ­Sache.

Und es tut so unglaublich gut, sich im Staubsauger ­aufzulösen, so fühlt sich das nämlich an. Ich bin nicht allein, jetzt und hier, der Staubsauger ist für mich da.

Ich fühle, wie das Brüllen sich anhören würde, wenn der Staubsauger aus wäre. Es ist ein Brüllen, das Kinder auf keinen Fall hören dürfen. Es würde ihnen Angst machen, ihre Mutter so brüllen zu hören, den Nachbarn würde es auch Angst machen. Niemand sollte so brüllen, wie ich gerade brülle.

Einmal ist mir das abends passiert, das war am Anfang, als ich noch keine Erfahrung mit der Situation hatte. Ich habe Wein getrunken und dabei telefoniert, und da bin ich unvorsichtig geworden und habe vergessen, wie dünn hier die Wände sind. Da muss ich gebrüllt haben oder geweint, was inzwischen dasselbe ist bei Menschen, die beides so lang unterdrücken, mischt sich das irgendwann.

Der Junge ist aufgewacht und in die Küche gestürzt, das war nicht gut für den Optimismus und für den Rhythmus auch nicht, weil er dann auch geweint hat und lange nicht schlafen konnte. Darum haben wir das mit dem regelmäßigen Aufstehen am nächsten Tag nicht geschafft.

Wenn es nachts schlecht läuft, überfällt mich diese Angst, dass der Staubsauger kaputtgehen könnte

Zum Glück habe ich den Trick mit dem Staubsauger begriffen. Der hat mich gerettet. Es rettet mich jeden Tag aufs Neue. Ich liebe den Staubsauger. Ich kann gar nicht begreifen, dass ich ihm vorher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Meine größte Angst nach der, dass das WLAN ausfällt, ist jetzt die, dass der Staubsauger kaputtgeht.

Ich habe sogar seine Haltbarkeit gegoogelt, das Ergebnis hätte mich beruhigen können, im Durchschnitt hält sich unser Modell sieben Jahre, so lang wie meine Ehe.

Das hat mich beruhigt für den Moment. Trotzdem überfällt es mich manchmal nachts, wenn ich wachliege. Nachts ist mein Bedürfnis zu staubsaugen am größten, aber das geht natürlich nicht.

Wenn es nachts gut läuft, dann denke ich wirklich ganz intensiv darüber nach, was ich wie machen werde am nächsten Tag um drei, wie ich dann den Stecker in die Dose stecke, wie ich den Staubsauger, der so unbeholfen ist und schwer, hinter mir herziehe, wie ich meine Hand auf den Startknopf zubewege. Weiter darf ich nicht denken, sonst verliere ich die Kontrolle.

Wenn es nachts schlecht läuft, überfällt mich diese Angst, dass der Staubsauger kaputtgehen könnte. Ich könnte dann ja einen neuen bestellen, die Lieferzeit beträgt vier bis fünf Tage. Ich habe schon den Anbieter herausgesucht, der am schnellsten versendet. Aber was mache ich an diesen staubsaugerfreien Tagen? Und was geschieht erst, wenn ein Wochenende dazwischenliegt, das würde ja zusätzliche Zeit kosten?

Aber jetzt ist es kurz nach drei, meine Zeit. Ich sauge sehr lange Staub. Wie immer sauge ich als Letztes das Badezimmer. Ich lege den brüllenden Staubsauger auf den Boden und drehe das kalte Wasser auf. Ich mache den Staubsauger erst aus, als ich leer geweint bin und meine Augen mit Wasser gekühlt und getrocknet und mich nachgeschminkt habe. Jetzt bin ich bereit für den nächsten Punkt. Jetzt wird gebastelt.

Ich denke positiv und öffne die Tür zum Kinderzimmer. „So, es ist halb vier! Jetzt basteln wir erst mal was Schönes. Und dann machen wir ein Foto davon und schicken es Oma und Opa, ja?“

Der Große sieht von seinem iPad auf und nickt. Es ist unglaublich, wie brav diese Kinder geworden sind. Dann fragt er, zaghaft: „Fußball geht immer noch nicht, oder?“

„Bald, mein Schatz“, sage ich und lächle ihn an. Und sehne mich sehr nach Staub­saugen. Aber das darf ich erst morgen wieder. Ich kneife ich die Augen ­innerlich sehr fest zusammen. Und sehe das Positive. Wie immer.

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5 Kommentare

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  • Da fallen mir so viele Fragen ein …



    Warum klingt der Wecker? Offensichtlich gibt es keinen Termindruck (Arbeit/Schule) – also warum? Gibt genug Studie die z.B. belegen, dass mangelnde Schlafhygiene mit eine Hauptursache für Alzheimer ist. Und nun hat man die Gelegenheit und stellt sich trotzdem einen Wecker?

    Die Kinder haben vermutlichen einen Vater. Wo ist der? Wahrscheinlich wie bei den meisten Alleinerziehenden – nach dem zweiten Kind hat er sich komplett geändert und es war nicht mehr auszuhalten.

    Warum wohnt man alleine? Kein neuer Partner? Keine Eltern? Den Stress immer für alles alleine verantwortlich zu sein, hält niemand aus. Aber immer mehr versuchen es – warum?

    Die Kinder funktionieren, weil ihnen sonst das Tablet weggenommen wird. Toll – Ihnen ist schon klar, dass diese Form der Maßregelung an der gleichen Stelle im Gehirn gespeichert wird wie physische Gewalt? Sie könnten sie auch schlagen – hat den gleichen langfristigen Effekt auf die Psyche.

    Und die Moral von der Geschicht‘ – hoffentlich bricht der Staubsauger nicht?

  • Manchmal bin ich froh, Frau sein zu dürfen und nicht Mann sein zu müssen.

    Männer dürfen nicht heulen. Nicht mal beim Staubsaugen. Das sind sie nicht den Kindern schuldig, sondern sich selbst. Aber wer nur immer positiv denken muss und nie heulen darf wie der sprichwörtliche Schlosshund, für den ist es extrem schwer, über längere Zeit hinweg einen erträglichen Rhythmus hinzubekommen in Zeiten, die sich alle Mühe geben, anstrengend zu sein.

    Ich wünsche allen Menschen, die sich grade wiedererkannt haben in dieser tapferen Mutter zweier kleiner Kinder, dass sie das mit dem Rhythmus ganz verinnerlichen - und parallel dazu begreifen, was für ein großes Glück es ist, sorgen zu dürfen für andere, sich sorgen zu dürfen auch um sie. Es kann so vieles so viel leichter machen.

    Wenn es sein muss, weil Menschen da sind, die geliebt werden und nicht unglücklich sein sollen, kann einem fast nichts mehr passieren. Dann kann sogar der Staubsauger kaputt gehen, ohne dass man von der Erde, die manchmal zur Scheibe wird, herunterfällt. Es ist nie leicht, aber so lange das, was von außen angreift, überlebt werden kann, kann es auch bald einen neuen Rhythmus geben. Es gibt ja schließlich nicht nur eine einzige Art von Musik. Der neue Rhythmus will nur erst wieder gefunden werden.

    Für die Suche danach wünsche ich allen, die es grade nicht so leicht haben, richtig viel Kraft. Die Kinder zeigen uns grade: Es ist beinah ein Kinderspiel. Und allen, die bereits das Glück haben, zu lieben und geliebt zu werden, wünsche ich, dass das noch sehr lange so bleibt. Auch, wenn es manchmal etwas lauter zugeht deswegen.

  • Puh. Toller Text -- danke!

  • Ein sehr schöner Text.

    • @Kolyma:

      Ja. Finde ich auch. Und sehr berührend! Danke dafür und alles Liebe!