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Kurzarbeit bei den ZeitungsverlagenDa passt was nicht zusammen

„Süddeutsche“ und „Zeit“ schicken ihre Redaktionen in Kurzarbeit. Gleichzeitig jubeln sie über so viele LeserInnen wie lange nicht mehr.

Die „Süddeutsche“ in München. Hier wie auch bei der „Zeit“ in Hamburg gilt ab Montag Kurzarbeit Foto: Sven Hoppe/dpa

C orona und die Medien, das ist ein widersprüchliches Verhältnis. Einerseits jubeln die Verlage über Klick- und Aborekorde. Andererseits klagen sie über massive Anzeigenverluste. Ein paar Beispiele: Die Süddeutsche Zeitung hat schon jetzt fast 150.000 DigitalabonnentInnen, so viele hatte sie bis Jahresende erreichen wollen. Die Zeit hat mehr Printabos verkauft als jemals in einem ersten Quartal. Aber spüren die Menschen, die diesen heiß begehrten Journalismus machen, von diesen Erfolgen etwas?

Die Zeit schickt ihre Print-Redaktion ab Montag in Kurzarbeit: 90 Prozent soll dort nur noch gearbeitet werden. Bei der Süddeutschen, Print und Online, wird die Arbeit um bis zu 15 Prozent reduziert. Kurzarbeit bedeutet, dass bei „vorübergehendem Arbeitsausfall“ der Staat einen Teil der Gehälter zahlt.

Nur fällt im Journalismus gerade kaum Arbeit weg. Gut, die Stadionreporterin hat vielleicht weniger zu tun. Aber im Politikteil, der Wirtschaft? Viele JournalistInnen sagen, dass sie gerade so viel arbeiten wie lange nicht. Bei SZ und Zeit soll die Kurzarbeit nach Informationen der taz für alle Ressorts gelten, nicht nur für die Stadionreporterin. Die Verlage argumentieren, dass ihre Zeitungen derzeit mit reduziertem Umfang erscheinen, bei der SZ sind es bis zu 23 Prozent weniger Seiten. Klingt erst mal logisch: Weniger Zeitung gleich weniger Arbeit. Aber so einfach ist es nicht.

Denn vor Corona entstanden 100 Prozent Zeitung ja auch nicht mit 100 Prozent Arbeitskraft, sondern eher mit 120, ohne dass die Verlage das gestört hätte. Überstunden sind im Journalismus einkalkuliert – selten vergütet, oft erwartet. Dazu kommt die Arbeitszeiterfassung: Wenn bei VW die Bänder still stehen, ist das eindeutiger Arbeitsausfall. Im Journalismus aber gibt es keine Stechuhr. Artikel müssen recherchiert, Informanten gesprochen werden.

Ja, Corona bedeutet für angeschlagene Presseverlage weitere Verluste. Bloß ist Kurzarbeit, pauschal für ganze Redaktionen, dagegen kaum das richtige Mittel

Die Idee zu einer Recherche entsteht nicht immer zwischen nine und five, in einem Text mit 90 Zeilen steckt nicht weniger Arbeit als in einem mit 100. Wer JournalistInnen in Kurzarbeit schickt, senkt die Qualität. Und riskiert Subventionsbetrug. Wenn bei Kurzarbeit die JournalistInnen weiter 100 Prozent arbeiten, ist das illegal. Denn das ausfallende Gehalt und die Sozialbeiträge werden zu bis zu 67 Prozent von der Allgemeinheit übernommen. Ja, Corona bedeutet für angeschlagene Presseverlage weitere Verluste. Bloß ist Kurzarbeit, pauschal für ganze Redaktionen, dagegen kaum das richtige Mittel.

Vielmehr zeigt Corona: Journalismus ist systemrelevant und sollte nicht von so etwas Schwankendem wie Anzeigeneinnahmen abhängig sein. Wenn Qualitätsmedien uns durch Krisen begleiten sollen, dann brauchen sie eine stabilere Finanzierung. Genossenschaften, Communitymodelle, Spenden, Stiftungen, meinetwegen Subventionen. Oder, ganz klassisch: Abos. Viele neue Corona-AbonnentInnen werden nach der Krise dabeibleiben. Irgendwann kommen die AnzeigenkundInnen zurück. Und dann haben private Verleger auf Kosten der Allgemeinheit wohl viel Geld gespart.

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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13 Kommentare

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  • Also das mit Printmedien die Verleger zuallererst Geld verdienen wollen, ist eine Binsenweisheit. Seit Jahren werden Redaktionen ausgedünnt oder durch Billig-Zentraledaktionen ersetzt. Gleichzeitig läuft schon lange der Rückgang der Anzeigenerlöse bei den Tageszeitungen. Das hängt vor allem mit der Verlagerung von Stellenanzeien in Online-Portale zusammen. Corona verschärft dies nur, da sich vor allem Non-Food Konsumwerbung derzeit nicht lohnt - die Geschäfte sind ja - bis auf Nahrungsmittel - geschlossen. Erlösten Zeitungen früher etwa 2/3 ihrer Umsätze durch Werbung und 1/3 durch den Verkauf, ist es heute umgekehrt. Die Abopreise der Zeitungen sind daher gestiegen, der Leser soll die Renditen der Verleger sichern - alles eine Entwicklung, die bereits seit Jahren läuft. Es bleibt der Eindruck, dass Verleger Corona dazu nutzen, um weitere Einsparungen vorzunehmen. Beim 'Hamburger Abendblatt' (Funke Mediengruppe/Waz) sollen Medienberichten zufolge alle freien Mitarbeiter nicht mehr beschäftigt werden. Siehe auch: medienfresser.blog...-verschwinden.html

    • @Philippe Ressing:

      Sie tun so, als ob es sich um die Automobilindustrie handelt. Wer investiert denn schon in Verlage? In diese sinkenden Schiffe? Ihre Vermutung ist leider an der Realität vorbei. Da ist bald nichts mehr zum Einsparen. Nicht nur bei der Funke Mediengruppe/WAZ werden alle freien Mitarbeiter nicht mehr beschäftigt. Das gilt auch für den Gruner und Jahr G+J Verlag. Machen diese Deutschland-hey-alles-kostenlos Kampagne und bezahlen dürfen die (outgesourcten) freien Mitarbeiter das, indem sie gar kein Gehalt bekommen. Nichts Kurzarbeit oder so. Null.

      • @Christoph Mäder:

        1. Die Medienindustrie ist genauso organisiert und arbeitet nach denselben Prinzipien wie Daimler und Co. Profitmaximierung, Mopolbildung, Ausbeutung. 2. Verlage sind immer noch gewinnträchtig, die meisten müssen aber keine Bilanzen veröffentlichen - siehe meinen Blog. Einst veröffentlichte die Bundesregierung regelmäßig einen ausführlichen Medienbericht- nach Kohl war das vorbei. 3. Wie gerade in Redaktionen eingespart wird, zeigt die Entwicklung zu Dachredaktionen oder Dienstleistern für den Mantel - so haben die beiden Stuttgarter Blätter (Zeitugn und Nachrichten) den Großteil zusammengelegt. 4. Zum Schluss - Gruner und Jahr produziert keine Tageszeitungen - um die es im Taz-Bericht geht. Das Illustrierte und Magazine von kleinen Redaktionen aus Billigjournalisten produzert werden, ist ebenfalls seit Jahren bereits Trend. Wird das Blatt eingestellt, wird die Dependance dichtgemacht.

  • Dass ein Verlagshaus nicht nur aus den Redaktionen besteht, sollte jedem klar sein. Wie man den Branchenblättern entnehmen kann, geht die Zeit "in bestimmten Unternehmensbereichen" in Kurzarbeit. Da steht nicht explizit, dass es die Redaktionen betrifft. Wenn Anzeigen wegbrechen, fangen die zusätzlichen Verkäufe in Corona-Zeiten diese Verluste nun mal leider nicht auf. Zumal die Mehrverkäufe eher im Zeitungsbereich zu finden sind (und da auch nicht für alle Zeitungen) und NICHT bei den Zeitschriften. D.h. es gehen Menschen im Anzeigenverkauf, in der Logistik, im Vertrieb etc. in Kurzarbeit. Dass Zeitungen sich weniger von Anzeigen "abhängig" machen sollten, geht ein bisschen an der Realität vorbei. Warum sollten Verlage ein Geschäftsmodell, aus dem sie Erlöse generieren, aufgeben? Von welcher anderen Branche wird das verlangt? Der Verkauf einer Zeitungen im Kiosk z.B. deckt nicht die Kosten, die entstehen, damit die Zeitung an diesen Kiosk gelangt. Zumal im Abobereich auch oft Prämien erwarten und verschenkt werden. Die Leser wären baff erstaunt, fiele das einerseits weg. Und würden die Verlage ihre tatsächlichen Kosten für ihren journalistischen Aufwand, die Logistik im Abo- und EV-Bereich etc. 1:1 auf sie umlegen.

    • @KTMe:

      Trotzdem, wieso soll man bei einem nicht-funktionierenden System bleiben? Und weiterhin journalistische Inhalte subventioniert anbieten? Wenn die Verlage diese Freibiertaktik nicht aufgeben, dann werden sie untergehen.

  • Werbefinanzierte Medien bedeuten, dass jeder - egal ob arm oder reich - einen Zugang zu Informationen aus unterschiedlichsten Medien hat. Die Forderung, davon wieder weg zu kommen ist ziemlich unsozial.

    • @Ruediger:

      Ihre Forderung ist unsozial gegenüber allen Journalisten. Wissen Sie wie gering der Verdienst der meisten Journalisten ist? 90 Euro für einen Artikel für freie ist Standard. Dafür wendet ein Journalist locker einen vollen Arbeitstag auf. Und muss sich selbst versichern etc. Das ist also eh schon bescheiden. Und jetzt fallen die Anzeigenerlöse zu 80% weg. Aber die Nachrichten soll der Verlag trotzdem schön verschenken? Wenn Ihre Forderung ernst gemeint ist, dann müsste man das wie mit einer Krankenversicherung machen! Dann geht von Ihrem Gehalt eine Presseabgabe ab. Das wäre dann sozial.

  • Bei der Tätigkeit aus dem Home Office lässt sich kaum noch nachweisen, wann und wie viel die Beschäftigten wirklich arbeiten. Das ermöglicht Firmen, offiziell Kurzarbeit anzuordnen, aber trotzdem die unveränderte Arbeitsleistung zu erwarten - oder zumindest anzunehmen - wie bei Vollzeit. Mir sind entsprechende Beispiele bekannt.

    Wie wahrscheinlich ist es, dass die Zeitungsverlage nur Trittbrettfahrer sind, und sich auf Kosten der Sozialkassen sanieren?

    • @Doc-Ralf:

      Ihre Vermutung ist äußerst unwahrscheinlich. Sie kennen wohl keine Menschen aus der Verlagsbranche. Die Verlage kämpfen schon seit Jahren ums Überleben (weil sie jahrelang ihre Inhalte im Internet verschenkt haben).

      • @Christoph Mäder:

        Als Lokalpolitiker kenne ich schon einige Redaktionsmitarbeiter*innen und solche, die wegen der miserablen Arbeitsbedingungen die Redaktionen verlassen haben.



        Das ist m.E. eher ein Argument für die Vermutung, dass die Verlage sich (wieder mal) auf Kosten der Mitarbeiter sanieren könnten. Aber wie gesagt: Nur eine pure Spekulation. Die Firmen, von denen ich weiß, dass sie sich so sanieren, sind nicht aus dem Verlagswesen.

  • Was wäre Ihnen lieber: dass die Presseverlage ihre Sport-, Reise-, Lifestyle-JournalistInnen feuern? Wäre vermutlich aus betrieblichen Gründen möglich und würde die Arbeitslosen- und Sozialkassen dann zu 100% belasten. Breit gestreutes Risiko mit 90% Kurzarbeit ist doch die solidarischere Variante, oder? Oder stört sich jetzt das Politik- und das Wirtschaftsressort daran, dass sie rotieren müssen wie Brummkreisel, während die SportkollegInnen an Alster und Isar Muße für ausgedehnte Spaziergänge haben?

    • 0G
      05653 (Profil gelöscht)
      @Edward:

      Subventionsbetrug ist doch auch eine Art Sport.

  • Eine Chance für die Zeitungsverlage, weniger abhängig von Anzeigen zu werden und mehr auf ihre LeserInnen zu setzen. Also mehr das zu tun, was sie eigentlich sollten.

    Mögen sie diese Chance wahrnehmen. Das mit der Kurzarbeit stinkt.