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Corona-Virus und KonsumNur ein Kunde auf 20 Quadratmetern

Die unterschiedllichen Corona-Regeln für den Einzelhandel in den Ländern führen zu Protesten. Nun klagt eine Kaufhauskette in NRW.

Manche Läden bereiten sich schon auf die Wiedereröffnung vor Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz | Wer coronamüde demnächst mal ausgiebig shoppen will, fährt besser nach Nordrhein-Westfalen. Dort dürfen ab Montag auch jene Läden öffnen, die in großen Shoppingmalls beheimatet sind. In Bayern hingegen bleiben die Einkaufszentren geschlossen. Der Infektionsschutz unterscheidet sich gebiets- und fallweise und die Proteste dagegen mehren sich.

Die Essener Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat jetzt in einem Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klage gegen die coronabedingte Schließung ihrer Kaufhäuser in NRW eingereicht. Das Land hat Gelegenheit, dazu Stellung zu beziehen. Eine Entscheidung dazu werde aber im Laufe dieser Woche „nicht mehr ergehen“, teilte das Gericht am Freitag mit.

Die Bundesregierung und die MinisterpräsidentInnen der Länder hatten sich am Mittwoch auf neue Vorgaben auch für den Einzelhandel geeinigt, die von den einzelnen Ländern ausgestaltet werden. Danach dürfen frühestens ab Montag Geschäfte wieder öffnen, deren Verkaufsfläche 800 Quadratmeter nicht übersteigt, wobei es Ausnahmen gibt.

Eine Frage, die sich dabei stellt, lautet, ob die kleineren Geschäfte in den Shoppingmalls dann auch öffnen dürfen, was ja ein Gedränge in den Einkaufszentren zur Folge haben könnte. Außerdem beklagen Kaufhäuser, dass beispielsweise große Autohändler, in NRW sogar Möbelhäuser öffnen dürfen, obwohl sie mehr Verkaufsfläche haben als 800 Quadratmeter, Kaufhäuser aber geschlossen bleiben müssen.

Für den Infektionsschutz

Die Länder beantworten diese Fragen unterschiedlich. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Bayern erklärte dazu auf Anfrage der taz, „Großkaufhäuser und Shoppingmalls“ blieben auch in der nächsten Zeit in Bayern noch geschlossen, „auch wenn die dort integrierten Fachgeschäfte für sich genommen unter 800 Quadratmeter Ladenfläche liegen. Gegen eine Öffnung sprechen gewichtige Infektionsschutz-Gründe.“

Anders sieht man die Sache in Nordrhein-Westfalen. Ein Sprecher der Staatskanzlei NRW sagte, „Einkaufszentren, Shoppingmalls und vergleichbare Einrichtungen dürfen öffnen, damit die Geschäfte, die darin liegen und öffnen dürfen, aufgesucht werden können.“

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte dazu erklärt, dass die Betreiber der Einkaufszentren dafür zuständig seien, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. In der Öffentlichkeit und damit auch in den Gängen der Malls gilt ein Abstandsgebot von 1,50 Meter bis zwei Meter zu anderen PassantInnen.

Mehr Platz in Bayern

Ausreichend Abstand soll auch in den Geschäften eingehalten werden, aber auch für die erlaubte Kundendichte gibt es unterschiedliche Vorgaben. In der Corona-Schutz-Verordnung in NRW heißt es dazu, die „Anzahl von gleichzeitig im Geschäftslokal anwesenden Kunden darf eine Person pro zehn Quadratmeter nicht übersteigen“. In Bayern hingegen gilt ein Verhältnis von einer Person auf 20 Quadratmetern als Limit für den Besucherandrang im Laden.

Zu kontrollieren ist die Besuchermenge gegebenenfalls durch Sicherheitspersonal, das man am Eingang der Geschäfte als auch am Eingang zu den Malls positionieren muss.

Im Einzelhandel gibt es die Überlegung, ob man Kaufhäuser nicht einfach etagenweise öffnen könnte, so dass die Vorgabe von einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern damit nicht überschritten würde. Die Handelsverbände in Berlin-Brandenburg und in Niedersachsen-Bremen rechnen damit, dass die Betreiber dies versuchen werden.

Wäre eine solche Lösung beispielsweise in Berlin möglich, dann würde man in dem fünfgeschossigen Naturkaufhaus in Berlin die ersten beiden Etagen öffnen, sagte ein Sprecher des Hauses in Steglitz der taz.

Keine Tricks mit Absperrungen

In Bayern ist man da aber rigoros: Die Flächengrenze von 800 Quadratmetern beziehe sich auf „objektiv baulich vorhandene Verkaufsfläche“, so der Ministeriumssprecher. „Es ist daher nicht gestattet, durch Absperrungen oder Ähnliches ‚unter die Grenze‘ zu kommen.“

In der Corona-Schutzverordnung in Bayern wird das Verkaufspersonal angewiesen, Masken zu tragen, die Betreiber müssen ein „Schutz- und Hygienekonzept“ vorlegen. Ähnliches gilt auch anderswo. Wie die Einzelhändler an entsprechende Schutzmasken für ihre Beschäftigten kommen und das möglicherweise nötige Sicherheitspersonal finden und bezahlen können, um das Abstandsgebot zu überwachen, ist vielerorts noch völlig unklar, heißt es bei den Handelsverbänden.

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10 Kommentare

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  • Und wie wäre es, wenn einfach mal auf die Nachhaltigkeit der im Laden gehandelten Produkte geschaut würde? Bspw den Laden mit den fair gehandelten und ökologisch vertretbar hergestellten Klamotten öffnen lassen, die Tempel mit den billig produzierten Wegwerfprodukten hinten anstehen lassen? Mir persönlich fehlt der regelmäßige Gang in den Buch- oder Plattenladen wesentlich mehr, als Karstadt und Konsorten.



    Ich muss mich derzeit schon etwas besorgt fragen, ob sich die Leute wirklich nicht mehr zu beschäftigen wissen, wenn sie nicht uneingeschränkt einkaufen und sonstwie konsumieren können. Na gut, andererseits versteh ich auch nicht, weshalb derzeit Gesundheit vor Ökonomie geht, während seit Jahren z. B. das Gesundheitswesen komplett ökonomisiert werden musste. Und warum es den Leuten plötzlich allen so wichtig ist, zu arbeiten, während ich bisher als Hauptargument gegen ein Grundeinkommen immer zu hören kriegte, dass dann ja - außer den Gegnern - niemand mehr arbeiten würde. Strange times, ich sehe da grad einen großen Verfall unserer wichtigsten Werte wie Konsum, Ökonomie, Effizienz, Hedonismus, Ignoranz und dergleichen. Dafür hab ich jetzt endlich eine ungefähre Vorstellung, was alles zur zeitweise so heftig diskutierten deutschen Leitkultur gehören könnte: nebst genannten Werten das Besitzen von Unmengen an Klopapier und Nudeln...

    • @HopeDrone:

      Irgendwie reden Sie mit Ihren Argumenten am Thema und der Sache vorbei. Es geht nicht um das Sortiment, sondern um die Grösse der Läden. Oder glauben Sie, dass das Infektionsrisiko vom Sortiment abhängt bzw. ob die Produkte nachhaltig hergestellt wurden? Und zählen u.a. Konsum und Ignoranz, wie Sie behaupten, wirklich zu unseren "wichtigsten Werten"?

      • @Jossi Blum:

        Eben: Wenn Läden bis 800qm öffnen dürfen, größere aber nicht, dann geht es um Größe, nicht um Sortiment. Meine Idee hinter dem Post ist nix als die Überlegung, wie das Hochfahren aussehen könnten, ohne es an Ladengrößen festzumachen. Und wieso nicht Klimaschutz/Nachhaltigkeit als Argument nehmen?



        Und nein, keine Sorge. Meine wichtigsten Werte sind eben grade nicht die oben genannten. Meine Favoriten sind Selbstbestimmung, Solidarität und Nachhaltigkeit.

        Wenn ich aber (als Krankenpfleger und Pflegepädagoge) nun Herrn Scholz hören muss, dass Gesundheit vor Ökonomie gehe, alles andere sei zynisch, selbst in einer Fachklinik für Onkologie ca. 10 Jahre nach Einführung der DRGs die Insolvenz miterleben musste, also eben dass Ökonomie doch vor Gesundheit kommt, dann frage ich mich schon, welche Werte Politiker*innen meinen, wenn sie von Werten reden. Da fallen mir halt nur die oben genannten ein, sorry ;-)

    • @HopeDrone:

      "Und wie wäre es, wenn einfach mal auf die Nachhaltigkeit der im Laden gehandelten Produkte geschaut würde?"

      Das sollten wir immer tun. Aber natürlich sagt die Art der Produkte nicht das geringste über das Risiko der Virenverbreitung im Laden. Das müsste das Kriterium sein. Keine qm und auch nicht die Art der Produkte. Letzteres ist ein Grundsätzliches Problem, dass wir auch grundsätzlich angehen müssen. Nicht nur, weil gerade ein Virus unterwegs ist.

    • @HopeDrone:

      Nur für sie Filosofisches zum Wochenende.

      Erst wenn alle Nudeln aufgegessen, wird Steffie Graf zufrieden sein.

      Erst wenn alles Klopapier verbraucht, werden wir merken, dass wir uns um die Scheiße nicht gekümmert haben.

  • Vor ca drei Wochen ging es in NRW noch um "Leben oder Tod" - aber jetzt müssen die Kassen klingeln, die Frühjahrsmode und die Terrassenmöbel müssen raus, der shopping-Hunger in der Bevölkerung ist nicht mehr zu bändigen. Wer will schon immer nur Klopapier jagen?



    Bei bis zu 800qm hat in unserer Innenstadt jeder Laden auf - außer eben Karstadt. Kann ich verstehen, dass die sich benachteiligt fühlen.

  • War ja klar, wenn der eine darf, will der andere auch dürfen. In NRW wird bis auf Gastro eigentlich alles öffnen. Mal sehen ob die Bevölkerung jetzt auf Kommando wieder ihrer Konsumpflicht nachkommt oder denen eher einen Vogel zeigt.

    • @Mustardman:

      Ich halte die Begrenzung auch für willkürlich und albern. Je mehr Geschäfte geöffnet haben, umso mehr Platz hat jeder Kunde und somit reduziert sich meiner Ansicht nach das Infektionsrisiko. Mir erschließt sich nicht, warum 799qm in Ordnung, 801qm aber nicht in Ordnung sein sollen.

      • @Meine_Meinung:

        Ich finde, man hätte klar definierte Auflagen für die Eröffnung der Geschäfte festlegen sollen, egal,wie groß die sind. In Berlin waren Baumärkte währen der hochinfektiösen Zeiten weiterhin geöffnet, ebenso Fahrradläden und Schuster, während Schuhläden und Elektromärkte geschlossen sein mussten. Verstehe einer diese Logik.

      • @Meine_Meinung:

        Die 800m² sind ganz trivial aus dem Baurecht entnommen, da fängt ein großer Laden halt bei 800 an. Bleibt natürlich willkürlich, ist aber auf anderem Mist gewachsen und zur Abwechslung mal nicht diesen Entscheidern anzulasten.