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Virunga-Nationalpark im KongoMassaker an Gorillaschützern

13 Ranger des Virunga-Nationalparks sterben in einem Hinterhalt. Die mit EU-Hilfe hochgerüstete Truppe ist im Kongo zum Kriegsziel geworden.

Mitglied der neuen Ranger-Elitetruppe des Virunga-Nationalparks Foto: Alexis Huguet

Kigali taz | Es war am Freitagvormittag gegen elf Uhr, als das Auto von Kos Nzabo­nim­pa auf der Überlandstraße durch den Virunga-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo unter Beschuss geriet. Mit in seinem weißen Fahrzeug saßen seine drei Kinder, seine Partnerin und zwei weitere Frauen. Sie waren auf dem Weg zur Beerdigung von Nzabonimpas Mutter.

Jetzt liegt der 55-Jährige selbst im Krankenhaus in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma. Er ist nicht verletzt, aber er weint und zittert, offenbar traumatisiert. Er konnte unter Beschuss aus dem Auto fliehen, bevor es in Flammen aufging, berichtet er unter Tränen. „Wirklich, es war Gott, der mich gerettet hat“, stottert er. „Ich sollte jetzt auf dem Friedhof sein.“

Insgesamt waren drei Fahrzeuge auf der verkehrsreichen Straße zwischen der Millionenstadt Goma und der Kleinstadt Rutshuru 70 Kilometer nördlich in einen Hinterhalt geraten. Der Vorfall geschah unweit des Hauptquartiers der Verwaltung des für seine Berggorillas weltberühmten Virunga-Nationalparks im Ort Rumangabo, umgeben von dichtem Urwald.

Fotos vom Tatort zeigen einen Lastwagen, dessen Fahrer ins Kreuzfeuer geraten war; auf der entgegenkommenden Fahrbahn einen Transport-Lkw für Wildhüter mit zerschossenen Reifen und Blutspuren auf der Ladefläche, wo die Wildhüter saßen. Daneben im Dreck: vier tote Ranger in Uniform, wohl getötet durch Gewehrsalven.

Nur knapp hundert Meter entfernt liegen die Überreste von Nza­bo­nim­pas ausgebranntes Kleinfahrzeug mit zwei verkohlten Leichen: seine zwei Kinder. Es wurde wohl von einer Panzerfaust getroffen. Aus dem offenen Kofferraum kullern Weißkohlköpfe. Daneben liegt sein 12-jähriger Sohn mit einer Kugel im Bauch.

18 Tote, davon 13 Wildhüter

Die Bilanz, so Kongos Naturschutzbehörde ICCN: 13 tote Wildhüter und fünf tote Zivilisten. Vier Ranger und ein Zivilist werden im Krankenhaus im 40 Kilometer entfernten Goma behandelt. ICCN-Direktor Cosma Wilungula spricht von einem der tödlichsten Tage in der jüngsten Geschichte des Virunga-Parks.

Schwerpunkt Grüne Armee

Wer zahlt den Preis für den Naturschutz? Ein Rechercheprojekt über Finanzen, Menschenrechte, Militarisierung und koloniale Kontinuitäten rund um die Nationalparks in Afrika ist zu finden unter taz.de/GrüneArmee

In einer Presseerklärung teilt die Parkverwaltung mit, es handle sich um einen Angriff auf die lokale Bevölkerung, die Ranger seien zur Verteidigung herbeigeeilt und seien nicht das primäre Angriffsziel gewesen. „Wir können bestätigen, dass die Täter dieser Attacke die bewaffnete Gruppe FDLR-Foca waren“, so Wilungula. 60 bewaffnete Rebellen hätten den Hinterhalt gelegt.

Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) mit ihrem militärischen Flügel Foca (Streitkräfte der Erlöser) ist unter unterschiedlichen Namen seit über 25 Jahren im Kongo aktiv, hervorgegangen aus flüchtigen Tätern des ruandischen Völkermords an den Tutsi. Sie ist für unzählige Massaker verantwortlich.

Seit rund einem Jahr führen die Armeen Ruandas und Kongos zum ersten Mal seit 2009 wieder gemeinsame Operationen gegen sie. Im September wurde FDLR-Militärführer Sylvestre Mudacumura in seinem Hauptquartier am Rande des Virunga-Parks ermordet.

Der Rachefeldzug des FDLR-Präsidenten

Vor zwei Wochen entkam FDLR-Präsident Victor Byi­rin­giro, Nachfolger des 2019 in deutscher Haft verstorbenen Ignace Mur­wa­na­shyaka, nur knapp einem Angriff auf seine Basis in Kazaroho nahe der Ortschaft Tongo, ebenfalls am Rand des Virunga-Parks. Von Kazaroho aus führt eine holprige Straße bis zu genau jener Kreuzung, wo nun der Hinterhalt gelegt wurde.

Byiringiro war nach zwei Tagen Feuergefecht gerade so die Flucht gelungen. Doch er verlor laut Kongos Armee 32 Kämpfer. Auch die Armee musste Verluste einstecken, konnte aber rund 20 Maschinengewehre erbeuten – ein harter Schlag für die FDLR. In einer Pressemitteilung beklagte sich die FDLR am 15. April, ruan­dische Truppen würden nun das Coronavirus einschleppen.

Byiringiro marschierte in Richtung Nyamulagira-Vulkan im Virunga-Park. An dessen Flanken befindet sich das aktuelle FDLR-Militärhauptquartier „Paris“, wo der derzeitige FDLR-Militärchef Pacifique Ntawunguka, mit Kampfnamen „Omega“, stationiert ist.

Seine Einheiten sind spezialisiert auf Hinterhalte, sie kennen die Wälder des Virunga-Parks in- und auswendig. Bereits am Tag nach Byiringiros Flucht griffen FDLR-Kämpfer eine Gruppe Jugendlicher am Rande des Parks an, einer starb im Krankenhaus von Rutshu­ru an seinen Verletzungen.

Dauerstreit zwischen Parkbehörde und Bevölkerung

Es gibt vor diesem Hintergrund Zweifel an der Aussage der Parkbehörde, wonach die Wildhüter reine Kollateralschäden gewesen seien. Der Nationalpark wurde in den vergangenen Jahren mit EU-Hilfsgeldern militärisch aufgerüstet, in der Bevölkerung – darunter viele kongolesische Hutu – wächst schon lange der Unmut gegen die Ranger. Erst vergangene Woche zerstörten Wildhüter im Dorf Nzulo sieben Häuser, weil sie angeblich innerhalb der Parkgrenzen gebaut waren. Die genaue Grenzziehung ist unklar.

In Nyamilima am nördlichen Parkrand gab es im Januar Verletzte, als Dorfbewohner gegen die Errichtung eines Zauns durch die Parkbehörde demonstrieren. Dort kam es zuletzt immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Rangern und der FDLR.

Sowohl die Parkverwaltung als auch die ruandischen Truppen haben zudem jüngst Aktionen gegen den illegalen Holzkohlehandel durchgeführt, durch den sich die FDLR finanziert. Auch kongolesische Händler wurden verhaftet. Analysten vermuten, dass sich lokale Bürgerwehren rund um den Park nun mit der FDLR zusammentun, um gemeinsam die Wildhüter zu bekämpfen.

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14 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein Lob für die taz für ihre Auslandsberichte. Anderen Zeitungen geht das am A vorbei! Nur noch Trump!

  • Die FDLR also die Huthu Miliz sind die Täter des Völkermordes in Ruanda 1993. Ich hoffe ihnen ist das bewusst.

    • @Pele :

      Siehe oben: "Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) mit ihrem militärischen Flügel Foca (Streitkräfte der Erlöser) ist unter unterschiedlichen Namen seit über 25 Jahren im Kongo aktiv, hervorgegangen aus flüchtigen Tätern des ruandischen Völkermords an den Tutsi. Sie ist für unzählige Massaker verantwortlich."



      Zufrieden? Übrigens war das 1994.

      • @Artur Möff:

        Top recherchiert in teilen aber die falschen Schlüsse und ein verzerrendes Echo das nachhallt. Ein wegbrechen der Investitionen/Hilfen in das Weltnaturerbe wäre fatal. Die Mehrheit der Kongolesen und Afrikaner befürworten Naturschutz mindestens genauso wie "wir" unsere Schweinswale.



        Die Struktur der Investitionen in den Erhalt der Biodiversität und Ökosystemdienstleistung muss neu, erweitert geplant werden. Aktuell ist jedoch die Frage, hält der Damm. Wo sind also die alternativen Optionen?

        • @Pele :

          gutes Komment echt

        • @Pele :

          Ehrlich gesagt habe ich gar nicht recherchieren müssen, weil ich seit Jahren in dem Thema "drinstecke".



          Aber irgendwie haben Sie wohl etwas nicht ganz richtig verstanden: Es geht doch hier nicht um "Investitionen in den Erhalt der Biodiversität". Es geht darum, dass sich eine bewaffnete Macht bildet in den Grenzen des Naturparks, die die Rechte der Bevölkerung mit Füßen tritt. Das kann ja wohl nicht Sinn und Anliegen von Naturschutz sein.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Fazit? Selber schuld? Hätten sie mal die organisierte Kriminalität machen lassen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Seit vielen Wochen läuft hier eine Serie Artikel über das Thema des "militarisierten Naturschutzes", deren Hauptanliegen (nebst Betroffenheitserzeugung durch möglichst plakative Schilderung der unbestritten grauenhaften Ereignisse) zu sein scheint, die Rolle der EU und jhrer Mitgliedsstaaten als Geldgeber dieser "Naturschutz"-Maßnahmen hervorzuheben und eine entsprechende Verantwortung / Schuld zuzuschreiben. Was das genaue Ziel dieser journalistischen Kampagne ist, ist dabei noch nicht wirklich zu erahnen.



      Insgesamt ist es glaube ich schon wichtig, hiervon zu berichten, zumal es kein anderes Medium (welches mich interessieren würde) dies tut.

      • @Wurstprofessor:

        Ja, es stimmt schon. Leider ist es nicht ganz einfach, die spezielle Situation gerade in diesem Gebiet einem Publikum vorzustellen, dass nicht umfassend mit den Gegebenheiten vertraut ist. Da kommt sicherlich manches verquer rüber. Fakt ist aber: Der Knackpunkt ist, dass es keine ordnende staatliche Struktur gibt auf dem Gebiet der DR Kongo. Das Militär ist teilweise selbst in übelste Machenschaften verstrickt und oft nicht zu unterscheiden von Rebellen. Diese wiederum existieren oftmals aus der Not heraus, eigene Angehörige und angestammtes Territorium zu verteidigen gegen fremde Rebellen (wie die FDLR) und Willkür des Regierungs- Militärs. In einer solchen Situation ist es natürlich fatal, wenn eine weitere Fraktion (sei es auch noch so gut gemeint) bewaffnet wird. Weil das alles in der äußerst komplizierten Gemengenlage sehr schnell außer Kontrolle gerät und jede Waffe eben auch missbräuchlich genutzt werden kann.



        Und ja, es ist wichtig, hierüber aufzuklären, auch um ein Nachdenken anzustoßen über "Naturschutz". Z.B. auch darüber, warum uns so viel daran liegt, die Natur in Afrika zu schützen. Die unsere sollte uns doch näher liegen.

        • @Artur Möff:

          Einfache Antwort: Weil es in dem Nationalpark Berggorillas gibt, von denen es nicht mehr viele gibt. Und wenn die mal "weg" sind, sind sie ENDGÜLTIG und undwiederbringlich weg (wie manch andere Tierarten auch).



          Da geht's nicht um ein paar Europäer die romantische Vorstellungen von netten Kuscheltierchen haben, sondern um den Erhalt von Biodiversität. (siehe z.B. Living Planet Index, c402277.ssl.cf1.ra...Report_Spreads.pdf, S.90ff)



          Seit 1970 ist ein ganz erheblicher %-satz der Artenvielfalt "verschwunden" = ausgerottet.



          Schlimm genug, dass man bewaffnetes Schutzpersonal braucht, um schlimmstes zu verhindern. Wilderei ist ein sehr großes, gut organisiertes Geschäft.



          mfG



          GW

        • @Artur Möff:

          Warum Naturschutz in Afrika für Europäer ein Anliegen ist? Das habe ich vor vielen Jahren in London von einem SOAS-Dozenten sehr knapp zusammengefasst bekommen: "charismatic megafauna". Gut, es war abends im Pub und nicht im Seminar, aber da ist schon was dran. So viele schöne, seltene und medial wirksame Viecher...

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Ich frag mich ja immer wieder, warum manche Leute Artikel lesen, obwohl sie eigentlich gar nicht wirklich wissen wollen, was da gesagt wird. (Lesen hilft nur bei gleichzeitigem Einschalten des Gehirns!)

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Artur Möff:

        Nehmen sie das gesagte vom Wurstprofessor dazu und schon entsteht ein anderes Bild. Hier gibt es ein Interesse daran, staatliche Strukturen zu diskreditieren, die gerade in Afrika dringend von nöten wären.



        Um es deutlich zu sagen, ich rede nicht von den Strukturen, die sich auf Kosten der Bevölkerung bereichern, die Menschen nach Europa treiben und dabei auch noch Geld verdienen.

        • @4813 (Profil gelöscht):

          "staatliche Strukturen zu diskreditieren, " - das zeigt schon zur Genüge wie wenig Sie wissen über den Teil der Welt, über den hier berichtet wird. Vielleicht sollten Sie sich mal besser informieren oder einfach still schweigen, statt ´(möglicherweise unbeabsichtigt) Unsinn in die Welt zu setzen.