Krieg im Ostkongo: Klauen, kiffen, kämpfen

An jeder Ecke steht eine andere Miliz, jede will die andere verjagen: Auf der Fernstraße nach Uganda zeigt sich die Dynamik von Ostkongos Krieg.

Flüchtlinge bei Ishasa an der kongolesisch-ugandischen Grenze. Bild: Simone Schlindwein

ISHASHA taz | Mit einem schweren Bündel auf dem Rücken und einer zusammengerollten Matratze auf dem Kopf schlurft Janine Rensaro über den Grenzposten. Drei Monate hat die 20-jährige Kongolesin in einem Zelt aus Bananenblättern in Uganda verbracht. Jetzt ist sie auf dem Weg in ihre Heimat, die Grenzstadt Ishasha.

„Die Ugander sagen, wir müssen entweder in eines ihrer Flüchtlingslager 200 Kilometer im Landesinnern oder nach Hause“, seufzt sie. Weil sie Haus und Feld in Ishasha nicht im Stich lassen will, hat sie sich notgedrungen zur Heimkehr entschieden: „Dabei können die Kämpfe jederzeit wieder losgehen.“

Ishasha ist der neueste strategische Ort, den die ostkongolesischen Rebellen der von Deserteuren aus der Armee gegründeten Miliz M23 (Bewegung des 23. März) einnehmen wollen. Die Rebellen hatten im Juli einen Landstrich entlang der Grenze zu Uganda und Ruanda erobert, sich in der Stadt Rutshuru niedergelassen und mit dem Vormarsch auf die Provinzhauptstadt Goma gedroht. Dann stoppten sie den Feldzug.

Seit zwei Wochen jedoch erobern sie wieder stetig neue Gebiete – zwar nicht an der Frontlinie gegen die Regierung bei Goma, aber in anderen Regionen, wo sie gegen irreguläre Milizen vorgehen. Anfang dieser Woche erklärten sie die Kleinstadt Nyamilima für unter ihrer Kontrolle, auf halbem Weg auf der Straße von Rutshuru nach Ishasha.

Eine Staatsinstanz auf 130 Kilometern

Ishasha ist ein wichtiger Handelsknotenpunkt. Im Minutentakt rollen Lastwagen aus Uganda am Schlagbaum vorbei, vollbeladen mit Zement und anderen Importgütern, die vom kenianischen Hafen Mombasa in die ostkongolesische Millionenstadt Goma transportiert werden. Der Zoll in Ishasha ist die einzige Staatsinstanz bis kurz vor Goma, 130 Kilometer südlich. Dazwischen aber herrschen Milizen.

„All diese Gruppen machen unser Geschäft sehr teuer“, klagt ein Fahrer. Der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) müsse er 150 Dollar abdrücken, der lokalen Mayi-Mayi-Gruppe 50, der M23 sogar 300. „Drei Mal im Monat fahre ich diese Strecke, ich verliere dabei einen Haufen Geld“, seufzt er und klettert wieder auf seinen Fahrersitz.

Ishasha wirkt wie eine Geisterstadt. Die wenigen Einwohner, die noch ausharren, lungern an der Grenzstation herum: „Wir können jede Sekunde nach Uganda rennen, wenn die Kämpfe losgehen“, sagen sie. Einige hundert Meter vom Schlagbaum entfernt hocken ein Dutzend Kämpfer im Schatten eines Baumes und rauchen. Sie tragen zerlumpte Uniformen und alte Kalaschnikow, Granatwerfer und Lanzen.

Es sind Kämpfer der neuesten Miliz dieser Gegend: die FPD (Patriotische Kräfte für Demokratie). Sie kommen aus vielen verschiedenen Orten und Ethnien Nord-Kivus und wollen gegen die Tutsi in der M23 kämpfen. „Wir werden Ishasha gegen die M23 verteidigen“, grölt ein FPD-Kämpfer sturzbetrunken.

Zugedröhnt und aggressiv

Einige Kilometer weiter sitzen einige Hutu-Jugendliche am Wegrand, fast noch Kinder. Über ihren zerrissenen T-Shirts tragen sie Maschinengewehre und Granatwerfer, die fast so groß sind wie sie selbst. Sie kiffen, sind zugedröhnt und aggressiv.

Nochmal vier Kilometer weiter patrouilliert die M23. Sie hat kurz vor Ishasha kehrtgemacht und ist 20 Kilometer zurück in die Kleinstadt Nyamilima marschiert. Am Dienstag hatte sie die lokalen Milizenchefs dort zu einem Treffen auf dem Fußballplatz eingeladen. Doch es kam zu keiner Einigung: „Wir sind gegen die M23“, bekräftigt ein Mayi-Mayi-Kommandeur am Stadteingang.

Die Kämpfe forderten fünf Tote und elf Schwerverletzte, sagt Nyamilimas Krankenhausdirektor John Muhindo. Bald will die M23 in Ishasha einrücken. „Wir rechnen jeden Tag mit weiteren Schwerverletzten.“

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