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Kein Fracking-Aus durch CrashÖl ist ein zäher Stoff

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Die Freude über abstürzende Ölpreise ist verfrüht: Denn das heißt nicht, dass alternative Rohstoff-Konzepte damit automatisch gewinnen.

Hier gibt es noch genug Öl: Tanks von Aramco in Saudi-Arabien Foto: Maxim Shemetov/reuters

E s gibt ja ganz unterschiedliche Gründe, sich über abstürzende Ölpreise zu freuen. Die einen freuen sich, dass sie nun, wo sie sich virusbedingt kaum noch in Busse und Bahnen trauen, wenigstens billiger Auto fahren können. Die anderen erwarten, dass der niedrige Ölpreis zumindest der schmutzigsten Förderung ein Ende bereitet. Öl, das aus kanadischen Teersanden gewaschen, per Fracking aus dem Boden gepresst oder aus der Tiefsee in die Pipelines gepumpt wurde, ist teuer und lohnt sich nur bei guten Preisen.

Die Freude der einen ist nachvollziehbar (auch wenn einem die Tankwarte leider auch nichts dafür zahlen werden, dass man ihnen Benzin abnimmt), die der anderen ist verfrüht. Denn die Umweltwirkung des Ölpreises ist so hoch nicht. Jahrelang haben Anhänger von Konzepten wie der „Bioökonomie“ – die sich von fossilen Rohstoffen verabschiedet und Energie und Dinge nur noch auf Grundlage von Pflanzen, Tieren, Pilzen produziert – oder einer Verkehrswende – die einen sehr guten öffentlichen Verkehr mit wenigen Elektroautos und E-Bikes kombiniert – auf den hohen Ölpreis gesetzt und gedacht, jetzt endlich müssten sich die Alternativen doch lohnen.

Aber nichts da: Genauso, wie ein hoher Ölpreis aufwändige Förderprojekte finanziert, so ermöglicht ein niedriger Ölpreis einen verschwenderischen Einsatz, sobald die Wirtschaft wieder anspringt. So sehr der Ölpreis in den letzten Jahrzehnten geschwankt hat, die Nachfrage nach dem Schmierstoff der Weltwirtschaft ist stets gestiegen.

Die Erkenntnis ist banal, doch sie wird in den absehbaren Verteilungskämpfen der nächsten Zeit grundlegend: Wir bekommen nur dann eine Verkehrswende, eine nachhaltige Produktion von Konsumgütern und ein ökologischeres Wohnen, wenn wir uns als Gesellschaft dafür entscheiden. Die Notwendigkeit dazu können wir derzeit einmal mehr auf den Dürre-Monitoren ablesen. Der niedrige Ölpreis wird die Förderung von Fracking-Öl und Teersand nicht beenden. Das kann nur die Einsicht, dass es nötig ist.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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10 Kommentare

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  • Ja, die Erkenntnis ist banal. Und gleichbedeutend damit, dass "der Markt" nur denen dient, die am meisten daran verdienen.

    All diese ganzen "trickle down" und dergleichen sind lediglich Religion, um die Verlierer ruhig zu halten.

    "Wir bekommen nur dann eine Verkehrswende, eine nachhaltige Produktion von Konsumgütern und ein ökologischeres Wohnen, wenn wir uns als Gesellschaft dafür entscheiden"

    Ganz genau.

    Entweder machen wir es, oder es wird uns gemacht.

    • @tomás zerolo:

      Auch Sie, Herr Zerolo, sind Marktteilnehmer und damit "Markt". Sie kaufen ja auch ständig irgendwas und senden damit Signale aus, was Sie für welchen Preis wo erwerben. Der Markt ist beileibe nicht nur der geheime Versammlungspunkt mächtiger Großkapitalisten, die in geheimen Verschwörungssitzungen beschließen, Sie und mich auszusaugen. Wenn kein Öl gekauft wird, wird es billig. Das ist in der Tat normal. Was meinen Sie, was noch alles seinen Preis verändert? Klopapier und Masken gehen dafür steil nach oben. Deshalb werden jetzt viele die Prodution von Masken aufnehmen und bald wird jeder eine haben können. Wenn die Coronakrise länger anhält, werden Schiffe stillgelegt und es wird weniger Öl gefördert werden. Alles keine Religion.

      • @Thomas Schöffel:

        Sorry, das ist hohles Geschwätz. Natürlich "sind wir alle Markt". Aber nicht alles ist Markt.

        Und dieser letzte Punkt ist genau das, was die Marktradikalen leugnen wollen.

        • @tomás zerolo:

          Hohles Geschwätz? Na, dann gehen wir´s mal durch: Satz 1: Da Sie vtl. auch Sachen kaufen und nicht alles geschenkt bekommen, dürfte meine Behauptung stimmen. Satz 2: Falls Sie kaufen, haben Sie diese Signale gesendet, daß Sie bestimmte Produkte für bestimmte Preise gekauft haben. Satz 3: Dürfte evident sein, daß wir alle mit unseren Kaufsignalen wirtschaftlich mit in Marktstatistiken eingehen. Satz 4: Ist ja gerade deutlich zu sehen, daß Öl billiger wird, weil die Nachfrage einbricht. Satz 5: dito Satz 6: rhetorische Frage, Antwort folgt trotzdem. Satz 7: Ein Blick auf die Preistafeln bestätigt dies. Satz 8: Trigema und sogar Autofirmen begannen kürzlich, Masken zu produzieren. Satz 9: Schiffsfrachtraten und die Auslastung der Schiffe sind in der Wirtschaft ein bekannter Indikator. Satz 9: Hinweis auf die Faktizität des Gesagten.



          Nun, ich kann jetzt keinen einzigen Fehler feststellen. Wollen Sie bitte höflicherweise erläutern, was da falsch sein soll.

  • Der Ölpreisverfall wirft die Frage auf, war der Ölpreis nicht immer über alle Fronten hinweg eine Kriegswährung, den Verfall anderer Währungen wie den Goldstandard 1914, wenn nicht zu stoppen, so doch durch Ausbruch 1. Weltkrieges per staatlichem Credit Spending zu verzögern?, gleichzeitig wiederum per Credit Spending die allgemeine Mobilisierungsoffensive auf rollenden Rädern, gepanzert, nicht gepanzert zu Lande, zu Wasser, in der Luft in fossil brennstoffgetrieben rasenden Kisten, in denen Zigaretten rauchende Soldateska hockt, sich Heroin Spritzen setzt, Pervitin Tabletten frisst, den Adrenalinspiegel nach oben zu puschen, dem Kriegsalltag fragile Glücksmomente abzuringen, global zu starten

    Ist es folglich so, wenn wir jetzt den Ölpreisverfall im Wege der Coronaviren Pandemie erleben, deutet das auf den Verfall unseres Weltwährungssystem hin?, bei gleichzeitig anschwellend drohender Gefahr, Kampfzonen in vorhandenen Kriegsschauplätzen, Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, Jemen, Nigeria, Sahelzone, Mali, Niger auszuweiten, neue Kampfzonen im Kaukasus, Indien, Pakistan, in Südostasien, rund um China im Pazifik, rund um Venezuela, unter Kanonendonner in den Medien zu eröffnen, unter dem uneingestandenen Non Paper Vorwand drohenden Weltwährungsverfall, wenn nicht zu stoppen, so doch über eine bestimmte Zeit zu verschleppen, koste es an Leben, Ressourcen, was es wolle, weil zu viele kreditfinanzierte Future Kontrakte an der Carbonindustrie hängen. Länder wie Russland, Saudi Arabien, Kuwait, Irak, Nigeria, Venezuela auf Öl- , Gasverkauf auf bestimmtem Niveau angewiesen bleiben, um nicht völlig in die Schuldenfalle ihrer Staatsfinanzierung, monokulturellen Subventionspolitik zu stürzen, verbunden mit Hunger- , Militärstreiks, inneren Unruhen, Aufständen, militärischen Interventionen durch Koalitionen sog. Williger unter obskurem Vorwand humanitärer Hilfe ausgeliefert zu sein?

  • "Der niedrige Ölpreis wird die Förderung von Fracking-Öl und Teersand nicht beenden. Das kann nur die Einsicht, dass es nötig ist."

    Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Keine moralische Einsicht wird Investoren je daran hindern, in Fracking zu investieren, wenn sich die Rendite lohnt.

    Der niedrige bis negative Ölpreis aber gibt den überschuldeten US-Fracking-Unternehmen den Todesstoß in die Insolvenz und kein Investor wird sich in den nächsten Jahren die Finger verbrennen wollen. Zumal dann die politische Lage und die völlige Befreiung von jeglichen Umweltauflagen eine andere sein dürfte, national und im sich demographisch ändernden Texas.

    Und die Nachfrage nach Öl wird in den nächsten Jahrzehnten (wenn nicht Jahrhunderten) nie mehr so groß sein wie 2019.

  • Alle scharren bereits mit den Hufen, um möglichst schnell wieder jeden Dreck zu Lande, zu Wasser und in die Luft zu emittieren!



    Wenn schon Corona nicht reicht, geben wir uns eben den Rest mit der Vergiftung der Welt...



    Wir sind wirklich verloren!

  • Ein niedriger Preis schadet allen Alternativen, da diese dadurch noch teurer erscheinen. Die grundlegenden Überzeugungen zu mehr Ökologie hängen dann doch am allgemeinen Wohlstand. Wenn dieser sinkt, sinkt mutmaßlich auch die Bereitschaft für Einschränkungen.

    • @TazTiz:

      Es gibt aber keine Alternative zum Flugbenzin und der Flugverkehr wird langfristig niedriger sein, wenn zig Airlines pleite gehen, Flugzeugbestellungen storniert werden, der Tourismus am Boden liegt, etc. Außerdem können Staaten entgegensteuern mit höheren Mineralölsteuern. Und va. werden in den kommenden Jahren Überkapazitäten bei der Öl- und Gasproduktion massiv abgebaut.

      • @Dorian Müller:

        Für Flugbenzin gehört der selbe Steuersatz wie für PKW`s eingeführt.



        Wenn jetzt Airlines pleite gehen, ist das eine der positiven Folgen dieser Krise. Kein Mensch MUSS irgendwohin in den Urlaub fliegen, Urlaub ist genauso ein Statussymbol wie Luxusautos oder Schmuck, ist den Leuten nur durch die Werbung eingeimpft worden, und überflüssig wie ein Kropf.