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Jens Eckhoff über ein Ende des Shutdowns„Wir müssen den Kollaps vermeiden“

Der Bremer CDU-Abgeordnete Jens Eckhoff fordert „differenzierte Kennzahlen“ für die schrittweise Aufhebung der Corona-Maßnahmen.

Wie leergefegt: Der Bremer Marktplatz in Zeiten des Shutdowns Foto: dpa
Interview von Klaus Wolschner

taz: Herr Eckhoff, Bremen ist ja bisher in der Corona-Pandemie, jedenfalls im Vergleich zu anderen Großstädten, vom Schlimmsten verschont geblieben. Könnte man hier nicht die Maßnahmen etwas mehr lockern?

Jens Eckhoff: Die Diskussionen gehen gerade los …

Ein bisschen spät, oder?

Es gab die Angst, dass zu frühe Exit-Diskussionen missverstanden werden. Aber jetzt muss man sich damit auseinandersetzen.

Und auf welche Art?

Der Zustand, dass wir mit der Epidemie leben müssen, wird noch so lange anhalten, bis ein Impfstoff entwickelt wurde. Im Mai oder August wird es sicherlich nicht so sein, wie es im Januar war. Wir brauchen klare Kriterien und Steuerungsinstrumente für diese Zeit. Die Kapazitäten von Geschäften sind ein geeignetes Mittel. Steigt zum Beispiel die Verdoppelungsrate auf 20 Tage, dürfen die Geschäfte unter bestimmten Auflagen 50 Prozent ihrer Kapazität hineinlassen, steigt diese auf 30 Tage, dann 75 Prozent, fällt diese auf 15 Tage, dann nur 25 Prozent. Diese Möglichkeit gibt es in der Gastronomie, sogar bei Konzerten und Fußballspielen.

Es müssen sich aber alle daran halten …

Klar muss sein: Je disziplinierter sich die Bevölkerung verhält, desto größer können die Freiheiten werden. Solche Kriterien können auch regional unterschiedliche Folgen haben. Bremerhaven ist im Moment ja noch weniger betroffen als Bremen. Die Zeit ist reif, über solche differenzierten Kennzahlen und Kriterien zu reden, um einen nachvollziehbaren Kurs zwischen Gesundheitsvorsorge, die bei allen ganz oben steht, und dem Vermeiden des wirtschaftlichen Kollaps zu steuern. Diese Kennzahlen brauchen wir über Monate – wahrscheinlich solange der Impfstoff nicht da ist.

Welche Kennzahlen werden benötigt?

Bei den Kennzahlen sind es neben der Verdoppelungszeit sicherlich die Reproduktionszahl und die aktiven Fälle. Bei den Steuerungsmöglichkeiten sind es auch technische Möglichkeiten wie Apps und die Mundschutzpflicht in bestimmten Bereichen.

Manche Maßnahmen sind zur Zeit nicht zu verstehen –warum darf ich zum Beispiel kein Tennis spielen?

Für das Einzel kann ich Ihnen das nicht erklären. Dasselbe gilt für den Golfplatz. Für Fitnessstudios könnte ich das erklären. Natürlich muss es für Pflegeheime und Krankenhäuser besondere Schutzmaßnahmen geben. Klar ist: Man kann nicht für zwölf Monate die Besuche untersagen, das wird nicht gehen, deshalb brauchen wir dort an den Eingängen Schleusen, um die höchsten Schutzmaßnahmen auch zu gewährleisten.

Gibt es aus der Wirtschaft einen Druck zur Lockerung der Maßnahmen?

Zunehmend, ja. Wir müssen den Kollaps der Wirtschaft und damit den Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen vermeiden. Wir müssen auch für die Unternehmen Kriterien entwickeln. Betriebe mit einer hohen Maschinenwertschöpfung müssen da anders behandelt werden als Dienstleistungsbetriebe mit vielen Menschen auf kleinem Büroraum.

Die Bundeskanzlerin sagt aber, darüber wird jetzt nicht geredet …

Hinter den Kulissen wird sehr darüber diskutiert. Ich finde, wir müssen die Menschen motivieren, indem wir ihnen jetzt die Perspektive aufzeigen.

Die politischen Strukturen sind derzeit sehr autokratisch – wenn die Kanzlerin sich nächste Woche hinstellt und sagt: Bis Ende Mai wird sich nichts verändern, dann müsste man sie schon stürzen, wenn man das anders sieht …

Ich bin froh, dass wir so eine Bundeskanzlerin haben und nicht einen Staatschef wie in Ungarn. Ich bin fest überzeugt, dass sie ihre Macht nicht missbraucht. Sie hat aber offenbar nicht große Lust auf den kontroversen Austausch in solchen Debatten. Ich gehe davon aus, dass die 16 Ministerpräsidenten sich deutlich zu Wort melden. Da bin ich gespannt, wie unser „Ministerpräsident“ Andreas Bovenschulte sich positioniert.

Gibt es denn eine offene Diskussion mit ihm?

Ich habe einen guten Austausch mit Bovenschulte. Aber nach unserer Verfassung ist der Senat noch mehr ein Kollegialorgan als die Bundesregierung, und da fällt auf, dass die grüne Koalitionspartnerin Maike Schaefer die fehlende Diskussion im Senat beklagt.

Wann wird es denn eine entsprechende Debatte in der Bremischen Bürgerschaft dazu geben?

Die nächste Sitzung ist erst am 13. Mai …

Auch hier: ein bisschen spät, oder?

Nach der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin am Dienstag nach Ostern werden wir die Lage in der Bremer CDU bewerten. Die Kanzlerin hat gesagt, wir dürfen nicht zulassen, dass nach der Lockerung der Maßnahmen die Corona-Infektionen wieder nach oben schnellen.

Aber ist das nicht ein frommer Wunsch?

Das glaube ich auch. Wir müssen das steuern. Es wird ein permanenter Ausgleich erforderlich sein: Wie belastbar ist das Gesundheitssystem, wie belastbar ist die Wirtschaft und wie belastbar sind die Menschen.

Sind die Steuerungsinstrumente schon vorbereitet?

Es sind Gutachten in Auftrag gegeben. Wir lernen ja auch täglich neu über diese Epidemie. Die Politik muss diese Diskussion transparent führen. Noch gibt es ja, wenn ich nur meine Partei angucke, zwischen Herrn Laschet in NRW und Herrn Söder in Bayern deutliche Unterschiede.

Die gibt es zwischen Maike Schaefer und Andreas Bovenschulte...

… offensichtlich auch.

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7 Kommentare

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  • Natürlich braucht Bremen, braucht jede Stadt und Region einen Plan und eine Diskussion. Insofern finde ich die Aussagen und Argumentation dieses Lokalpolitikers schlüssig und nachvollziehbar. Und ich denke auch, dass wir vlt. regionale Unterschiede berücksichtigen müssen. Aber dafür haben wir ja auch einen föderalen Staatsaufbau, der dies ermöglicht.

  • "Wir müssen das steuern"

    Der Mann hat keine Ahnung davon, was es heisst, ein Schiff mit zwei Wochen Reaktionszeit zu "steuern". Schon gar nicht, wenn das Schiff dazu neigt, exponentiell "abzuhauen", wenn man gerade nicht guckt.

    "Steigt [...] die Verdoppelungsrate auf 20 Tage, dürfen die Geschäfte [...] 50 Prozent ihrer Kapazität hineinlassen, steigt diese auf 30 Tage, dann 75 Prozent, fällt diese auf 15 Tage, dann nur 25 Prozent"

    "I'm not an expert, but I play one on TV"

    • @tomás zerolo:

      Was wollen Sie damit sagen?

      Dass es keine Indikatoren gibt, die aufzeigen, ob Beschränkungen gelockert oder verstärkt werden müssen, ob die jetzigen Maßnahmen greifen oder nicht?

      • @Rudolf Fissner:

        Das ist der vollkommen berechtigte Hinweis darauf, dass der alleinige Blick auf die Verdoppelungsrate als Kriterium für den Ausstieg unzureichend ist weil eine Änderung an diesem Exponenten in der Gleichung zwar eine Aussage über den Verlauf der Kurve ermöglicht, dabei aber die Zahl der insgesamt Infizierten ausblendet und die ist inzwischen eben viel größer als zu Anfang der Ausgangsbeschränkungen. Eine auch nur verhältnismäßig kleine Änderung an der Verdoppelungsrate hat in absoluten Zahlen heute deshalb massiv andere Auswirkungen als vor drei Wochen.



        Unter der Prämisse, dass man die Einführung der Maßnahmen für richtig hält sollten Kriterien für deren Ende eher darin bestehen, dass die Zahl der Infizierten sinkt (und nicht, dass sie sich nur langsamer verdoppelt) und/oder dass, Infiziertenanzahl und Verdoppelungsrate unterhalb derjeningen zu Beginn der Maßnahmen liegen, andernfalls riskiert man mit den Ausgangsbeschränkungen lediglich ein paar Wochen Verzögerung erkauft zu haben und mit der Ausbreitung nun dort weiterzumachen wo man ohne Maßnahmen schon zwei, drei Wochen früher gewesen wäre.

        • @Ingo Bernable:

          Vielen Dank, genau das. Wir sehen die Auswirkung einer Massnahme erst 7-14 Tage später. Genug Zeit für einen (am Anfang) exponentiellen Prozess auser Kontrolle zu geraten.

          Und wir wissen noch sehr wenig (in Korea sollen angeblich geheilte wieder positive Testergebnisse gezeigt haben -- ich vermute, damit ist PCR gemeint: sind die dann wieder infektiös? Weiss der Himmel).

          So lange wir am lernen sind und es mit einem so dynamischen Prozess zu tun haben ist Vorsicht geboten.

  • der exit vom shutdown ...

    heiß drüber nachgedacht !



    dabei schreit uns die natur ins gesicht, daß sie nach einem sabbatical verlangt.



    doch wir wollen das hamsterrad langsam wieder in gang bringen.

    tja, freunde.



    ein sabbatical muss man sich leisten können.



    und wie es scheint, ist dem nicht so.

    also wird alles wieder von vorne beginnen.



    bis wir unsere 'lektion' gelernt haben.

    das kleine 'kack-virus' besitzt die strategie sich zu re-aktivieren.



    so die neuesten ergebnisse aus asiatischen untersuchungen.

    und wenn dieses bei seinem wirt eine stresslücke findet, dann war's das !

    • @adagiobarber:

      Die Natur schreit uns an? Sehr esoterisch, beruhigen Sie sich mal, es ist ein Virus und nicht die Rache Gaias. Sie hätten auch die Pest im Mittelalter für eine Strafe Gottes gehalten und das trotz nachhaltiger Landwirtschaft.



      Es ist ganz einfach: Das wirtschaftliche Leben (egal welcher möglichen Couleur) ist und wird extrem kleinteilig und vernetzt sein. Und zum Essen brauchen wir einen Kuchen und keine Krümel, dementsprechend muss es weiter gehen.