Kontaktsperre in Bremen: Heime bleiben isoliert

Eigentlich sollte das Kontaktverbot in Bremer Pflegeeinrichtungen gelockert werden – allerdings wurden die Träger nicht einbezogen.

Ein alter Mensch hinter einem Fenster

Müssen wegen der Infektionsgefahr auf Besuch verzichten: Bewohner von Pflegeeinrichtungen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

BREMEN taz | Am gestrigen Dienstag wollte der Senat eine Lockerung der Besuchsverbote in Alten- und Behindertenpflegeeinrichtungen verkünden, in Kraft treten sollte sie bereits heute. Das jedenfalls berichteten sowohl der Weser-Kurier als auch „buten un binnen“ am Wochenende. Die Lockerungen kommen aber nicht. Zumindest noch nicht.

„Aus Sicht der Senatorin wäre eine Entscheidung im Senat schon heute auch wünschenswert gewesen“, sagte dazu auf Nachfrage am gestrigen Dienstag Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). „Die von den Trägern gewünschte engere Einbindung für die Frage der operativen Umsetzung soll nun aber vorgeschaltet werden.“

Über Letzteres ist Arnold Knigge, Vorstandssprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG) sehr froh. Denn obwohl er die angestrebten Lockerungen des Kontaktverbots zwischen Angehörigen und HeimbewohnerInnen begrüße, seien noch viel zu viele Fragen offen.

So müsse geklärt werden, wie die Lockerungen personell und organisatorisch umgesetzt werden könnten: „Kontrollen der Regeln und der administrative Aufwand können nur mit mehr Personal durchgeführt werden – und da muss geklärt werden, wie das finanziert werden soll“, sagt Knigge. Hier müssten dringend schnelle und unbürokratische Hilfen geleistet werden.

Sigrid Grönert, CDU

„Alle warten bereits auf angekündigte Lockerungen“

Darüber hinaus müssten sinnvolle Konzepte erarbeitet werden, „und zwar einrichtungsspezifische, denn die Maßnahmen betreffen ja ganz unterschiedliche Arten von Einrichtungen“.

Kolportierte Pläne, nach denen es BesucherInnen unter anderem erlaubt werden soll, ihre Angehörigen draußen zu treffen, hält Knigge für nicht umsetzbar: „Die Mitarbeitenden der Einrichtungen können doch gar nicht kontrollieren, ob da tatsächlich der gebotene Abstand eingehalten wird.“ Für ihn sind eigens eingerichtete Besuchsräume vorstellbar „oder Besuchscontainer nach niederländischem Vorbild“. Und absolut unverzichtbar, sagt Knigge, sei es, „umfassend und engmaschig zu testen“.

Das sieht auch Stahmann so, die ankündigte, man wolle „mit aller gebotenen Vorsicht zu Lockerungen kommen und dann entschiedene Schritte gehen“. Welche das konkret sein sollen, ließ sie insgesamt im Dunklen, aber: Eine Erweiterung der Tests soll dazugehören, um sicherzustellen, dass Angehörige keine Viren in die Einrichtungen tragen. Aber nicht nur an dieser Stelle, sagt Knigge, müsse konsequent getestet werden: „Menschen, die aus Krankenhäusern in Pflegeeinrichtungen überstellt werden, werden bisher nicht regelhaft getestet – das muss ebenfalls unbedingt getan werden.“

Die Kontaktbeschränkungen seien „eine ganz große Härte“, sagte Stahmann, denn „auch soziale Isolation macht die Menschen krank“. Deswegen sei es wichtig, die Türen nun vorsichtig zu öffnen. Wie das geschehen solle, werde „in dieser Woche“ mit den diversen Trägern der Wohlfahrtsverbände und Hospize besprochen.

„Kleine Helferlein“

Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, ist darüber empört. Denn die Ministerpräsidentenkonferenz hatte bereits am 15. April beschlossen, dass Regularien entwickelt werden sollten, um BewohnerInnen von Pflegeeinrichtungen nicht länger vollständig zu isolieren.

„Alle warten bereits auf Lockerungen und jetzt erst werden Gespräche angekündigt“, sagt Grönert. „Die Leidtragenden sind weiterhin die Betroffenen, von denen einige nicht zu Unrecht sagen, dass man sie entmündigt, nur weil sie in einer Einrichtung leben.“

Auch für Reinhard Leopld, Gründer der Bremer Selbsthilfe-Initiative „Heim-Mitwirkung“ und Regionalsprecher des Biva-Pflegeschutzbundes, sind Lockerungen der Kontaktsperre längst überfällig: „Isolation macht krank“, sagt er. Darüber hinaus seien angesichts des chronischen Personalmangels BesucherInnen als Kontroll­instanz und „kleine Helferlein“ in den Pflegeeinrichtungen immer schon wichtig gewesen, „und jetzt erst recht“. Denn die Wohn- und Betreuungsaufsicht kontrolliert die Einrichtungen nach wie vor nur anlassbezogen.

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