piwik no script img

Spahn gegen Corona-AprilscherzeNur mit Humor zu ertragen

Kommentar von Gunnar Hinck

Das Gesundheitsministerium bittet, am 1. April auf erfundene Corona-Geschichten zu verzichten. Doch gerade Krisenzeiten brauchen Scherze.

Nebenjob Humorpolizei: Gesundheitsminister Jens Spahn Foto: Christian Spicker/imago

W ussten Sie schon: Die Bundesregierung plant Gutschriften für Bordellbesucher, einlösbar für die Zeit nach Corona. In diesen „schweren Zeiten geschlossener Pro­sti­tu­tions­stät­ten“, so das Gesundheitsministerium, bräuchten Freier eine Perspektive. Und: KrankenhauskleidungsfetischistInnen sollen mit einer Sonderabgabe belegt werden, weil sie derzeit „wichtige Ressourcen wie Atemmasken und Plastikkittel unnötigerweise für sexuelle Aktivitäten binden“.

April, April, natürlich. Geht es nach dem Ministerium, sollte es keine Aprilscherze mit dem Coronavirus geben. Jens Spahns Haus empfahl, „auf erfundene Geschichten zu der Coronavirusthematik zu verzichten“, denn sie könnten zur „Verunsicherung“ beitragen. Spahns Humorpolizei hat etwas falsch verstanden: Gerade Krisenzeiten brauchen Scherze, weil sie ohne sie nicht zu ertragen sind. Dass ein Witz befreiende Wirkung haben kann, sollte auch das Gesundheitsministerium wissen.

Gute Aprilscherze halten der Öffentlichkeit den Spiegel vor, parodieren oder entlarven sie, etwa den Irrsinn der Corona-Breaking-News. Wieder 812 Tote in Italien! USA überholt bei den Toten jetzt Spanien! Manche Medien und Social-Media-Aktive schreiben so. Selbst formal korrekt, sind solche Schlagzeilen geifernder Sen­sa­tions­jour­na­lis­mus und viel gefährlicher als gut überlegte April-Falschmeldungen, die kurz darauf als Unsinn erklärt werden.

Bedenklich ist ein gesellschaftliches Klima, in dem ein Ministerium Empfehlungen zum Humorverzicht ausspricht. Wir leben in Zeiten, in denen ein hingeworfenes „Geht's dir gut?“ normal geworden ist – eine Scheinfrage, die eher ein Befehl ist. ReporterInnen faken mit einem „Wie fühlt sich das an für Sie?“ Anteilnahme und sind doch nur interessiert an einem schnellen O-Ton. Scherzkekse und FreundInnen der Ironie dagegen sind die wahren Menschenfreunde. Sie nehmen Mitmenschen ernst, weil sie sich Zeit nehmen, zu überlegen, worüber sie lachen könnten. Sie verabreichen das nötige Gegengift zu Abstumpfung und Zynismus in Krisenzeiten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Wenn diese Scherze für alle als solche klar erkennbar sind, warum nicht, es nützt nichts, wenn alle in Depressionen verfallen, aber man kann besser auch andere Themen wählen, aus Respekt vor den vielen Toten und der Trauer der Angehörigen. Viel schlimmer finde, das es wohl viele gibt, die aus der Krise Kapital schlagen wollen mit überhöhten Preisen, Internetbetrug oder der Abmahnung von engagierten Frauen, die selbst genähten Mundschutz teils sogar verschenken. Das ist das Allerletzte, hier kostenpflichtig abzumahnen. Wenn es tatsächlich Regeln dazu gibt, aber inzwischen dürften alle wissen, das diese einen begrenzten Schutz haben, dann kann man in einem Schreiben freundlich darauf aufmerksam machen und dies unterstützen, aber nein es muß ja Kohle gemacht werden.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    „Nur mit Humor zu ertragen“ ist auch dieser kommentar.



    als wäre jens spahn sonst so knorke, dass man seine äußerungen völlig unreflektiert entgegennimmt.



    die mainzelmännchen, die dem dusseligen endverbraucher die zdf-werbeunterbrechung schmackhaft machen, sagen viel aus über die wertschätzung für die zuschauer und deren intelligenz. so ähnlich geht es nun in den coronisierten taz-kommentaren zu.



    in den leserkommentaren zeigt sich dagegen ein anderes bild, gerade wenn die intelligenz der leser beleidigt wird.



    dabei ist der tonfall tendenziell sachorientiert, persönliche angriffe sind selten - obwohl diese unter einhaltung der netikette möglich sind.



    die leser scheinen doch klüger zu sein, als die belehrungen durch die journalisten vermuten lassen.

  • "Spahns Humorpolizei hat etwas falsch verstanden"



    Das ist doch mal ein Aprilscherz!



    Wäre denn ein via Social Media schnell verbreiteten "Aprilscherz", dass ab sofort alle Beschränkungen aufgehoben seien, auch "Humor"?



    Denn es gibt eben nicht nur die "Scherzkekse und FreundInnen der Ironie" sondern auch bösartige Trolle.

    • @Saccharomyces cerevisiae:

      PS



      "Einen hab' ich noch", wie Heinz Erhardt immer so schön sagte:



      "Der Autor hat jetzt die Exponentialgleichungen verstanden!"

      April April

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ...... Scherzkekse und FreundInnen der Ironie dagegen sind die wahren Menschenfreunde. Sie nehmen Mitmenschen ernst, weil sie sich Zeit nehmen, zu überlegen, worüber sie lachen könnten. Sie verabreichen das nötige Gegengift zu Abstumpfung und Zynismus in Krisenzeiten....."



    Anschließe mich.



    Wer heute vorwiegend auf N-tv, CNN oder Welt o.ä. unterwegs ist, muß mit (zusätzlichen) psy. Folgeschäden rechnen. Dazu kommt das die Umschaltmimik in vielen Fällen auch nicht funktioniert. In Hintergrund werden Särge gestapelt und der Moderator*in hat ein föhliches Lächeln im Gesicht. Gerne werden auch Häuser gezeigt, wo viele Senioren verstorben sind. Ah, sagt sich der Zuschauer, wieder ein Haus gesehen. Fehlen nur noch die Coronatouristen, die sich am Flatterband stauen. (mit Abstand selbstverständlich )

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Es ist ja auch noch absolut nichts über die Folgeschäden bzw. -Konsequenzen der von Corona Geheilten bekannt. Bekannt ist jedoch, daß während sich das Virus im Rachen- oder tiefen Lungenraum vermehrt, es aber gleichzeitig den Nasennerv empor klimmt und währenddessen zeitweise Geruchs- und Geschmacksinformationen hemmt.



      Was will der Virus da oben?



      Bis dato sind keine Phase 2 Corona Erkrankungen wie z. B. Cov-Enzephalitis öffentlich bekannt. Aber das heißt ja nicht viel.



      Also, liebe Leute,



      hütet euch vor Corona und beibt gesund!

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Zeppelin:

        ....gleichzeitig den Nasennerv empor klimmt....Was will der Virus da oben?....

        Ich weiß noch nicht ganz genau wo ich sie" hintue"aber dieser Satz entspricht, trotz des Ernstes der Lage auch wegen der Bildsprache, meinem ersten Absatz.



        (Hoffe ich zumindest...)

        Bleiben sie gesund.

  • Sehr geehrter Herr Hinck! Bitte entspannen Sie sich, lesen die Aussage von Herrn Spahn noch einmal in aller Ruhe und vor allem, versuchen Sie bitte sie zu verstehen! Dann wird Ihnen klar werden, dass echte Scherze, wie Sie sie zu Eingangs erwähnt haben, davon in keinster Weise berührt werden. Dem Gesundheitsminister geht es vielmehr um bösartige Schockversuche oder (zu) gut gemachte Fake-Erfolgsmeldungen. Diese hätten nämlich dieselbe verheerende Wirkung, wie das von Ihnen zu Recht kritisierte Verhalten vieler Medien.

  • Habe den Witz über Gutscheine für Sexarbeiterinnen nicht verstanden und wollte das auch nicht. Andere Soloselbstständige bekommen Förderung aus dem Rettungspaket und eine Gutscheinlösung wird für diese auch schon teilweise umgesetzt. Wozu also die Häme über Prostituierte?