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Beleidigungen in den FußballstadienEine nette autoritäre Familie

Kommentar von Johannes Kopp

Erst werden die Fußball-Ultras wie Pubertierende abgekanzelt, nun werden sie für ihre Kreativität gelobt. Das hat System.

Die Freiburger Fans können auch politisch korrekt beschimpfen Foto: imago/Jan Huebner

Zum Durchklicken. Kreative Fanproteste.“ Selbst auf der Homepage von Sky, dem exklusiven TV-Partner der Deutschen Fußball-Liga, lockte man an diesem Wochenende die Internetkundschaft, indem man die Kommerz- und Verbandskritik der Ultras auf schönen Bilderstrecken präsentierte. Das ist nichts weiter als eine Randbeobachtung. Sie illustriert jedoch gut, wie schwer es für die Ultras ist, aus dem vielfach kritisierten kommerziellen System auszubrechen. Sie sind schon seit Jahren ungewollt Bestandteil dieses Systems.

Allein die große Anzahl ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter bringt es jedoch mit sich, dass ihre Positionen stets arg plakativ und wenig ausdifferenziert erscheinen. Ihnen haftet das Stigma des pubertären Protests an. Umso leichter kann sie kollektiv und generell abgewiesen werden, was wiederum Gegenreaktionen provoziert.

Der Protest gegen Dietmar Hopp am vorletzten Spieltag, der ja eigentlich einer gegen Kollektivstrafen war, kann als jugendliche Eskalationsstrategie gelesen werden, um Aufmerksamkeit und Gehör zu finden. Die Großkopferten des Fußballs nahmen die Rolle des Patriarchen ein, der darauf hinweist, dass Kritik – auch von unten – ja schön und gut sei, aber nur innerhalb der Grenzen, die man den Fußballfans vorgibt.

Um im Bild zu bleiben, befinden sich nach dem großen Familienkrach alle Seiten – zumindest kurzweilig – wieder auf dem Kurs der Deeskalation. Die Ultras führten dieses Wochenende in unzähligen Fußballstadien Selbstgebasteltes und Selbstgedichtetes vor und verzichteten bereitwillig auf unflätige Beschimpfungen. Die Fans des SC Freiburg lasen etwa ihrem ehemaligen geschätzten Vereinschef und heutigem DFB-Präsidenten Fritz Keller fast schon kreuzbrav die Leviten: „Zurück zu Kollektivstrafen. Rassismus relativiert. Bewusst eskaliert. Fritz Keller – nichts kapiert.“

Keine Lösung in Sicht

Die erbosten Kritiker der vergangenen Woche lobten nun die Fans für all die vielen Spruchbänder und für ihre Zurückhaltung und Kreativität. Zufriedenstellen wird das die Ultras mit Sicherheit nicht, wird ihnen doch so auch ihre Ohnmacht vor Augen geführt. Eine tragfähige Konfliktlösung ist nicht in Sicht.

Man muss sich keine Sorgen machen, dass die organisierte Fanszene nicht um ihre Bedeutung wüsste. Mit ihren Machtansprüchen, die insbesondere die Ultras daraus ableiten, scheitern sie jedoch eben regelmäßig. Die wirklich mächtigen Funktionäre und Vereinsbosse fressen ihnen nur in Ausnahmefällen aus der Hand, wenn sich aus deren Sicht Nützliches herauspicken lässt.

Der Erhalt der Stehplätze in den deutschen Fußballstadien wäre etwa ohne das große und leidenschaftliche Engagement der organisierten Fanszene kaum möglich gewesen. Die damit bewahrte Ursprünglichkeit des Fußballs, seine Zugänglichkeit für alle sozialen Schichten, ist für die DFL längst zu einem profitablen Imagefaktor bei der Vermarktung ihres Produkts geworden. Auch wenn die Stehränge weniger Eintrittsgelder einspielen, die vollen und vor allem stimmungsvollen Stadien zahlen sich dafür umso mehr bei den Werbepartnern aus. Ein begehrtes Produkt weckt Begehrlichkeiten.

Bei großzügigen Geldgebern zum Beispiel wie Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp, dem Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz oder Hertha-Investor Lars Windhorst. Die Ultras bleiben Teil dieses Geschäfts. Und ihre Proteste wird die Familie schon wieder in den Griff bekommen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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20 Kommentare

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  • Man muss aber konstatieren: Es gibt schädlichere Investoren! Zum Beispiel Martin Kind, der keinen Dorfclub erfolgreich, sondern einen Traditionsclub bedeutungslos gemacht hat. Und dann attackiert er die 50+1-Regel explizit.



    Und die RB-Clubs sind definitiv noch mehr Retorte als Hoppenheim. Ist Mateschitz nicht auch Mäzen des Rechtspopulismus in Österreich?



    taz.de/Umstrittene...Bull-CEO/!5539841/

  • Ach dieser borniert-resignierte Style - frei nach dem Motto "Auch 68 war ja nur PR für Pepsi statt Cola". Dabei taucht schon auf den Transpis mehr politische Substanz auf als auf allen snobistisch herablassenden Zoten von Kopp

  • Als Engländer folge ich dieser Nachricht mit Interesse. Erhebliche Teile des englischen Fußballs sind schon tot, wenn man non-league ignoriert. Aber wenn ich ins Stadion in Deutschland gehe, bin ich voller Hoffnung - ich denke an was wir wieder in England erreichen können. Stehplätze, vielfältige & aktive Fanszenen, natürlich Bier in der Kurve und das 50+1 System: ich könnte weitergehen. Was ich aber eigentlich ausdrücken will, ist das die Ultras absolut schlecht behandelt werden - ihre Meinungen werden zensiert. Ich meine nicht, dass sie nie zu weit gegangen sind. Aber trotzdem, ich biete meine Solidarität in dem Kampf gegen den DFB und die Kommerzialisierung des Fußballs!

  • Stadion-Zuschauer sind doch nur die Studio-Dekoration für die Interviews und Analysen der Fernseh- und Internet-Abzocke von Sky, DAZN, t-online, Bayern-Net, RTL und Co.

    Geld verdient wird doch durch den Verkauf der Übertragungsrechte und der Werbung.

    Ultras, Pyros, Schlägereien und Skandal-Plakate sind die Gruselfaktor-Zugaben für die Real-Crime-Abonnenten.

    • @Bio Felix:

      (Wieder mal) vorab nicht recherchiert...? Ticketerlöse sind finanziell sehr wohl relevant für Bundesliga-Vereine. Von 2., 3., oder tieferen Ligisten brauchen wir erst gar nicht zu sprechen...

      Aber es ist wohl zu viel verlangt, sich vollumfassend zu informieren.

      Natürlich darf auch der übliche Verweis auf die Ultras und ihre Skandale nicht fehlen...

    • @Bio Felix:

      "Geld verdient wird doch durch den Verkauf der Übertragungsrechte und der Werbung."

      In keiner der europäischen Topligen ist der Anteil der TV-Einnahmen am Gesamtumsatz so niedrig wie in der Bundesliga mit 32,7%.

      Der Anteil der Ticketerlöse liegt bei 14,1 %, den der Werbeeinnahmen bei 22,9%, Transfers 16,9% und der Rest sind kleinere Einzelposten.

      Die Ticketerlöse entsprechen damit 623,22 Millionen Euro, also da wird absolut kein Geld verdient.

      Dazu heute Horst Heldt: "Es wird spannend für die Lizenz für die Bundesligisten für die kommende Saison, weil viele mit dementsprechenden Einnahmen kalkuliert haben. Ich bin gespannt, was sich die DFL einfallen lässt, wenn jetzt die Spiele ohne Zuschauer stattfinden würden. Wenn Zuschauereinnahmen wegbrechen, die einkalkuliert sind, ist das für uns schon ein Problem. Aber ich glaube, bis auf zwei oder drei Vereine, die oben stehen, hätten ganz viele damit Probleme."

      www.kicker.de/7717...uent_inkonsequent_

      Das kann man übrigens alles im Wirtschaftsreport der DFL nachlesen, wieviel und womit Geld innerhalb der DFL verdient wird oder man schreibt einfach mal, was dem eigenen Weltbild entspricht.

      www.dfl.de/de/aktu...en-profifussballs/

  • Wer den ganzen Kommerzrummel nicht mag: Fußball macht auch in den Amateurligen Spaß.

    Unterstützt eure Fußballclubs vor Ort! Egal ob Oberliga oder Kreisklasse C - dort sieht der Fußball noch anders aus. Es gibt sogar Vereine, die ihre Spieler nicht bezahlen und die Überschüsse an caritative Projekte spenden. Da wird nicht ums goldene Kalb getanzt, sondern mit Leidenschaft Fußball gespielt.

  • Fadenkreuze, 3-Stufen Plan, Dietmar Hopp, das breite Entsetzen, Spielabbrüche. Die gesamte Eskalation häts nie geben müssen, hätten DFB und DFL sich irgendwann mal mit den Anliegen der Fanclubs beschäftigt hätte.

    Man hat die Fanvertreter regelmäßig auflaufen lassen. Bei der 15.30 Diskussion, bei den Gesprächen über Topspielzuschläge, bei den Pyro "Verhandlungen".

    Man hat 50+1 bis an die Grenze ausgehölt, man verhängt wider der eigenen Erklärung Kollektivstrafen, und das gleich mal auf Jahre.

    Das alles hat dazu geführt, dass man in den Kurven und zwar quer durch alle Ligen die Verbände nur noch als Feindbild wahrnimmt, das den Fußball an die Interessen von Konzernen und Mäzenen verhökert und dem man den Krieg erklärt hat.

    Eventfans und Pantoffelkino-Ultras schimpfen zwar auch permanent darauf, dass "die da auf Platz viel zu viel verdienen", aber bei seiner Wochenendberieselung will man halt halt trotzdem nicht von irgendwelcher Kritik gestört werden.

    Da denkt man sich dann halt irgendwelchen Unsinn aus, fabuliert ohne jeden Plan von "albernen Choreos" und irgendwelchen "Kaposstrukturen". Schließlich hat man ja fürs Sky-Abo und für das Topspiel vor 2 Jahren gutes Geld gezahlt.

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Der ganze Sport und der Fußball im Besonderen gehört auf finanzielle Diät gesetzt. Diese Mengen von Geld für Spieler und Vereine sind gesund nicht zu verdauen! Jeder der Fanartikel kauft, teure Stadionkarten löhnt und Bezahl-TV fürs Fußballgucken hat, ist Teil des Problems...

  • "Allein die große Anzahl ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter bringt es jedoch mit sich, dass ihre Positionen stets arg plakativ und wenig ausdifferenziert erscheinen."

    Das liegt auch daran, das es nicht selten keine gemeinsame Position gibt, das ist keine homogene Gruppe. In den Farben getrennt, in der Sache vereint, funktioniert bei Stehplätzen, Kennzeichnungspflicht oder gegen Kollektivstrafen, aber bei vielen anderen Dingen eben nicht.

  • Mein Tipp: Ultra-Streik, 1, 2, 3, 4 oder auch mehr Wochen. Kein Spruchband, keine Gesänge, Stille in den Stadien. Da werden die Kellers, Hopps und Kohls Baby Windhorst nachdenklich.

    • @Peter Lorenz:

      Gute Idee. Wahrscheinlich merkt man dann recht schnell, dass die meisten Zuschauer sich Spiele viel lieber ansehen, ohne von prolligem Gegröle und albernen "Choreos" gestört zu werden, ein Stadionbesuch für neue Zielgruppen (Familien, Frauen, Kinder etc.) ein tolles Erlebnis wird und die Umsätze werden insgesamt hochgehen. So soll es sein!

      • @Ruediger:

        "ein Stadionbesuch für neue Zielgruppen (Familien, Frauen, Kinder etc.) ein tolles Erlebnis wird und die Umsätze werden insgesamt hochgehen"

        Der Witz ist immer wieder lustig, wann waren Sie denn das letzte mal als Familie im Stadion?

        Eine Arbeitskollegin macht das ab und zu, die ist Mainz 05 Fan, wir reden hier also nicht über Ticketpreise in der Allianz Arena und hat mir das neulich mal vorgerechnet,

        2 Erwachsene und 2 Kinder, 14 Jahre und 8 Jahre alt.

        Karte pro Erwachsener im Familienblock, 30 Euro ohne Topspielzuschlag, Karte für Jugendliche 21 Euro und für Kinder 15 Euro.

        Macht 96 Euro nur für Tickets, wenn jetzt noch jeder ein Getränk 4 Euro + eine Bratwurst 3 Euro nimmt, hat der Spaß zusammen 124 Euro gekostet.

        Klar, bei uns zahlen das die meisten Angestellten aus der Portokasse, das dürfte aber nicht auf so viele Familien zutreffen, die werden da sicher nicht in Scharen hinströmen.

        Auch hat die Bundesliga überhaupt keine Veranlassung etwas am aktuellen Modell zu ändern, es ist unglaublich erfolgreich.

        Zu jedem Spiel kamen in der letzten Saison 42.738 Zuschauer, das ist europaweit absolute Spitze, die PL hat als nächster 38.200 Zuschauer, die prozentuale Auslastung ist etwas niedriger, weil Hertha den Schnitt total versaut.

        Aber in der PL ist das Zuschaueralter aufgrund der erheblich teureren Tickets höher.

        Was Sie hier schreiben, hat wohl eher mit Wunschvorstellungen zu tun.

    • @Peter Lorenz:

      Kommt - aber nicht von den Ultras, sondern von Corona

      • @R R:

        "Selbstverständlich gilt der Gesundheit der Bevölkerung und damit auch aller Fußball-Fans oberste Priorität. Dabei muss es das Ziel sein, in unterschiedlichen Lebensbereichen den jeweils angemessenen Weg zu finden zwischen berechtigter Vorsorge und übertriebener Vorsicht."

        Aussage von Christian Seifert, Geschäftsführer DFL, von gestern.

        Ergo, da müssten die Vereine ja die Tickets erstatten, das ist doch übertrieben.

  • In der Regel gibt es bei den Ultras ein paar Kapos, die das Sagen haben. Diese bestimmen ganz allein und diktatorisch, was am Spieltag Agenda ist. Die allermeisten Ultras blechen insgesamt ca. 150,- € im Jahr für die kompletten 17 Heimspiele, können diese Dauerkarten verleihen, sind in aller Regel noch nicht einmal Vereinsmitglied und werden bei Auswärtsspielen noch von ziemlich jedem Verein (vereinseigen) gepampert (Kartenvergabe). Bei Heimspielen kommen sie mit Pyros, Alk und Plakaten bei ihren Ordnerfreunden locker durch - Ja, man kann sagen, sie sind die WAHREN Fußballfans. Für noch nicht einmal 1.000€ p/a sieht man 25 BL-Spiele, trinkt Selbstmitgebrachtes, ist unter sich, nimmt ganze Bahnzüge ohne Fahrkarte straflos auseinander, ist wahlweise gegen RECHTS oder LINKS, gegen Hopp oder den DfB, Hauptsache extrem viel mehr Polizei...und Kosten. Kapo-Strukturen bedingungslos akzeptieren, Straftäter in den eigenen Reihen schützen und dann lautstark gegen Kollektivstrafen sein... HEJAHEJA

    • @KOBA:

      Kapos, die das sagen haben? Ultras, die kein Vereinsmitglied sind?? Bitte vorab informieren....

      Es verwundert mich immer wieder, wie solche Aussagen zu Stande kommen. Es gibt viele Arten der Recherche, man müsste sie nur mal nutzen. Ist das zu aufwändig, oder passen die auffindbaren Informationen nicht zum eigenen Weltbild?

    • @KOBA:

      So sieht’s aus!! Ultras RAUS!

    • @KOBA:

      "In der Regel gibt es bei den Ultras ein paar Kapos, die das Sagen haben."

      Ab da hab ich aufgehört zu lesen, Geschichten aus 1001 und einer Nacht auf SportBild Niveau.

      • @Sven Günther:

        Ich fand den Rest aber ganz interessant.

        Da schreibt nach meinem Eindruck jemand, der im Herzen eigentlich neidisch ist und auf das "Nicht Dazugehören" mit plakativer Verachtung reagiert.