piwik no script img

Schüsse, Glyphosat und rassistische MailsZu viel von allem

Zu viel Gift im Honig, zu viele faule Ausreden nach Hass-Botschaften, zu viele antisemitische Sandsteinreliefs, zu viele Angriffe auf Büros.

Klöckner sagte bereits 2018: „Was der Biene schadet, kommt vom Markt“ Foto: dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Kramp-Karrenbauer möchte auch in Libyen einmarschieren.

Und was wird besser in dieser?

Libyen-Konferenz findet in Deutschland statt, weil es sich am Krieg nicht beteiligte.

Im Kanzleramt in Berlin haben unter anderem USA, Russland und Türkei über eine Lösung für den Konflikt in Libyen verhandelt. Griechenland fühlte sich ausgeschlossen. Was war da los?

Bingo, offenbar war irgendwem der Libyen-Krieg noch ein bisschen zu unterkompliziert. Der jemand heißt Erdoğan und der hat mit der anerkannten Regierung Libyens Claims im Mittelmeer abgesteckt. Da kreta kein Hahn nach, außer den Griechen, die diese Seegebiete und ihre vermuteten Bodenschätze als ihre ansehen. Die EU auch, weswegen sie einen frischen Zettel auf den steil ragenden Turm der Ermahnungen an die Türkei legte. Doch „um des lieben Friedens willen“ hat Gastgeberin Merkel den Punkt erst mal unter der Tagesordnung begraben. So beraten Kongo, China und allerhand ferne Länder ohne den knapp 500 Kilometer entfernten Nachbarn Griechenland.

Karamba Diaby (SPD) postete vergangene Woche bei Twitter Bilder von Einschusslöchern. Jemand hatte auf das Fenster seines Bürgerbüros geschossen. Im vorigen Oktober wurden drei CDU-Wahlkreisbüros in Berlin angegriffen. Das sollte das Land in Unruhe versetzen, oder nicht?

Wem „fast 500 rechte Angriffe auf Wahlkreisbüros von 2010 bis 2015“ nicht genügten, der mag jetzt losschaudern. Die Linke fragte 2017 noch mal bei der Bundesregierung nach – und wurde beschieden, dafür gebe es „keine Katalogwerte im kriminalpolizeilichen Meldedienst … und in der Fallzahlendatei“. Gleichwohl ragt der Fall des Angriffs auf Diaby hervor, denn hier wurden Schusswaffen benutzt. Und neben dem ruchlosen Job als Politiker, womöglich linker Gesinnung, und 24 Prozent AfD in Sachsen-Anhalt: Rassismus liegt auch noch nahe. Trotzdem: Politikverachtung eskaliert wie hier und fängt irgendwo bei notorischem „Die da oben“-Geknödel an.

Ein Bewerber eines Berliner Architekturbüros erhielt aus Versehen eine Antwortmail: „Bitte keine Araber.“ Das Büro erklärte, die Bewerbung sei im Mail-Ordner für Bewerbungen um eine China-Stelle gelandet und die Antwort sei so ausgefallen, weil man jemanden mit Sprachkenntnissen suche. Fällt Ihnen eine noch bessere Ausrede ein?

„Beworben hatte sich ein Mann mit arabischem Nachnamen“ – Thilo Sarrazin? Ach schade, nee, aber schlauer wär’s schon gewesen, zu behaupten, man habe ein Reitpferd gesucht: Westfälisches Kaltblut, „bitte keine Araber“.

Am Donnerstag sprach sich der Bundestag gegen die Widerspruchslösung bei Organspenden aus. Wenn Sie über Organspende nachdenken, sehen Sie sich eher als Spender oder als Empfänger?

Als Staatsbürger. Doch – gute Frage. Ausgerechnet die Anhänger von FDP und Grünen standen zu drei Vierteln hinter dem Spahn-Vorschlag – während ihre Mandatare im Bundestag ähnlich signifikant dagegen stimmten. Darin erschütternd einig mit der stramm antispahnistischen AfD-Fraktion. Alles sehr verwirrend, mit Fraktionszwang wäre das Gesetz wohl durchgegangen. Man kann alles abgeben, außer der Stimme.

Ein Imkerpaar musste einen Eimer Honig vernichten, weil er so stark mit Glyphosat belastet ist. Die Hälfte davon haben sie vor das Landwirtschaftsministerium gekippt. Das Bundesministerium nennt das: Einzelfall. Wie viele einzelne Bienen braucht man denn, um vier Tonnen Honig zu produzieren?

Hallo, ich bin's, die intelligente Drohne! Und rechne: Kollegin Arbeitsbiene sammelt im Laufe ihres Lebens 2,5 bis 3 Gramm Honig. Ergibt ca. 363,6 Bienenleben für 1 Kilo Honig. Mal 4.000 ergibt 1.454.545 Bienen beziehungsweise natürlich Einzelfälle für vier Tonnen Honig. Dafür haben sie dann vier Milliarden Blüten geschnuckert und bestäubt. Bundeslandwirtschaftskönigin Klöckner hatte bereits 2018 im Bundestag ein nachgerade höckoides Monument rhetorischer Zweideutigkeit geliefert: „Was der Biene schadet, kommt vom Markt.“ Das spricht dann doch stark gegen den Markt, von dem kommt, was der Biene schadet.

Naumburg verhandelt am Montag über die Entfernung eines antisemitischen Reliefs an der Wittenberger Stadtkirche. Ein Mann fordert, dass das als „Judensau“ bekannte Sandsteinrelief entfernt wird. Wie stehen die Chancen?

Das Ekelrelief belegt, wie tradiert und tief Antisemitismus hier und in einer hiesigen Kirche wurzelt – ein historisches Beweismittel. Und ebenso sind läppische 700 Jahre kein Grund, einen Dreck nicht wie Dreck zu behandeln. Systemabsturz, sorry, keine Meinung.

Und was machen die Borussen?

Seit der Spiegel seine App umgebaut hat, trennt mich nur ein abgeschlossenes Informatik-Studium davon, während der BVB-Spiele so gut informiert zu sein wie vorher. Hm … Spiegel … alles Schalker?

Fragen: lam, vag, hdl

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Kluge Menschen wissen: für jede zutreffende Weisheit existiert eine andere, die das Gegenteil besagt. Näheres erfragen Sie bitte Dietmar Bittrich.

    JA, bei vielen Punkten stimmt die Aussage, es gäbe "zu viel von allem".

    Und NEIN: es gibt eine Reihe von Punkten, bei denen "zu wenig von allem" vorhanden ist.

    Schweifen wir nicht in die Ferne, sondern fangen wir beim Foto an: mir fehlen vor allem Politiker. Politiker, die der Bedeutung des Wortes gerecht werden. Keine Lobbyisten. Sondern Generalisten mit Blick auf das Ganze, der nicht an der zeitlichen Grenze einer Legislaturperiode endet.

  • "Politikverachtung eskaliert wie hier und fängt irgendwo bei notorischem „Die da oben“-Geknödel an"



    Nö. Der Publizist Peter Zudeick weist darauf hin, dass Elitenkritik á la "Die da oben" eine linke Position ist, die lediglich von Rechten vereinnahmt wird:



    www.youtube.com/wa...ure=youtu.be&t=539

  • "Da kreta kein Hahn nach"



    Greta 's Hahn ist gerade in Davos...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Mit Hähnen kennt er sich aus wie kein zweiter, unser Mann in Gallien. ;-)

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Wortspiel nicht verstanden. Gretawitzchen gemacht. Deppenapostroph benutzt. Passt.

  • "Hallo, ich bin's, die intelligente Drohne!" - Herr K. sie haben versäumt uns die Sache mit der Biene und der Blume (Bio Unterricht!) bei der Gelegenheit plastisch zu erläutern ...