Crowdfunding für Bürgerversammlung: Linke in Shitstorm-Modus
Nach dem erfolgreichen Crowdfunding erfährt das Petitions-Event im Olympiastadion vor allem Spott. Die Kritik ist überheblich und unsolidarisch.
W eihnachten ist für viele die Zeit, sich von ihrer hässlichen Seite zu zeigen, rechthaberisch, überheblich, unnachgiebig. Auch linke und progressive Kreise haben die Gelegenheit dieses Jahr nicht ungenutzt verstreichen lassen. Hatte man die Tiraden des Nazi-Onkels beim Weihnachtsessen noch mit einem Kloß im Hals ignoriert, hieß es spätestens beim Blick auf Twitter: Feuer frei!
Der Anlass: Das Crowdfunding des Berliner Ablegers von Fridays for Future und des Kondomherstellers Einhorn für eine BürgerInnen-Versammlung im Berliner Olympiastadion hatte am Heiligabend Erfolg. 1,8 Millionen Euro waren auf den letzten Drücker zusammengekommen, damit im Juni 2020 bis zu 90.000 Menschen parallel über Petitionen abstimmen können.
Die Reaktionen darauf waren vernichtend: Das Ende der Demokratie sei nah, verkauft an ein Hipster-Start-up, missbraucht für ein Event vor Nazikulisse. Ein Festival privilegierter Weißer, die Geld verschwenden und Teilhabe vorgaukeln. Der Nazi-Onkel wird sich gefreut haben über die Vehemenz, mit der Linke das Projekt bekämpfen. Ohne Zwischentöne, ohne den Versuch – auch berechtigte –, Kritik solidarisch zu formulieren, ohne die Idee, sich selbst mit sinnvollen, ja radikalen Petitionen einzubringen. Als gäbe es nichts Schlimmeres, als konkrete Forderungen für mehr Klimaschutz und Demokratie unter großer Aufmerksamkeit zu verhandeln.
Eben erst hat Fridays for Future die Dauerdemos eingestellt, weil sich politisch doch nichts bewegt; auch andere Aktionsformen sind ausgelatscht. Das Petitionsfestival eröffnet dagegen die Möglichkeit, weiterhin öffentlich über mehr als AfD-Themen zu sprechen. Die bislang 25.000 SpenderInnen wollen sich einbringen; für Linke könnte das eine Chance sein. Viele haben mehr gezahlt, damit auch Menschen ohne Geld teilhaben können. Und trotz der reißerischen Kommunikation der OrganisatorInnen werden sie wissen, dass Petitionen politische Arbeit nicht ersetzen. Ein Schaden ist weder für die Demokratie noch für soziale Bewegungen zu erwarten. Anders als durch fehlende (kritische) Solidarität.
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